Wer hat Angst vor Sigmar Gabriels Kommunismus? CSU und AfD zittern vor „Linksfront“

04.11.2016, Lesezeit 5 Min.
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In einem Leitantrag für den CSU-Parteitag  greift die bayerische Unionspartei die mögliche „Linksfront“ im reaktionärsten Jargon an. Ein Jahr vor den Bundestagswahlen wird der Ton schärfer.

„Linksrutsch verhindern – damit Deutschland Deutschland bleibt“, so lautet die Überschrift eines Leitantrages, den das CSU-Präsidium für den Parteitag im November entworfen hat. Es handelt sich um einen harten Angriff auf SPD, Grüne und Linkspartei. Eine Regierung aus diesen drei Parteien (R2G) würde Deutschland, so die CSU-Führung, „runterwirtschaften“

Denn eine rot-rot-grüne Regierung stünde für „höhere Steuern, Multikulti statt deutscher Leitkultur, außenpolitische Isolation und Benachteiligung für Familien“. Die CSU schließt daraus: „Linksrutsch heißt Abstieg für Deutschland.“ Während die SPD nur als „Partei ohne Kompass“ bezeichnet wird, greift der Leitantrag besonders Grüne und Linke an. Die Grünen werden als „Multi-Kulti“- und „Anti-Familien“-Partei bezeichnet und ihr Programm wiefolgt beschrieben: „Veggie-Day und Wochenend-Fahrverbot, dafür Freigabe von Cannabis – so sieht der grüne Umerziehungskosmos aus.“ Die Linkspartei bestünde aus den „politischen Enkel von Erich Honecker“ und habe „immer noch dieselben verbohrten Rezepte, mit denen die SED die DDR abgewirtschaftet hatte.“

Solche Töne sind wir vor allem von der AfD gewöhnt. So hatte Jörg Meuthen auf dem Parteitag im April dieses Jahres in einer programmatischen Rede gegen das „links-rot-grün verseuchte […] 68er-Deutschland“ gewütet und beklagt, „dass wir unser Land in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen werden“. Auch die AfD fürchtet „Multikulti“ und fordert eine „deutsche Leitkultur“:

„Die Ideologie des Multikulturalismus […] betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“

Rechtsaußen wie Beatrix von Storch sind bekannt für ihre „Verteidigung der Familie“, also ihre Kampf gegen demokratische Rechte wie die gleichgeschlechtliche Ehe, die Gleichstellung von Mann und Frau und auch das Recht auf Abtreibung.

Doch auch die CSU bekennt sich ein Jahr vor der Bundestagswahl klar zu ihren rechtskonservativen Wurzeln. In dem Leitantrag heißt es weiter: „Wir sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung oder Migrationswellen verändert.“ Dafür will die CSU eine Obergrenze von 200.000 Geflüchteten pro Jahr einführen und das Burka-Verbot einsetzen. Außerdem soll der Überwachungsstaat ausgebaut und die Bundeswehr im Inland eingesetzt werden können. Und nicht zuletzt das „Integrationsgesetz“, das die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen weiter einschränken will, sie kriminalisiert und ausgrenzt.

Dabei richten sich solche Töne nicht ausschließlich an ihre eigene kleinbürgerliche Wähler*innenbasis in Bayern. Die CSU will als gute „Schwesterpartei“ die CDU für all diejenigen wählbar machen, die sich im Rahmen der Migrationskrise der AfD zuwendeten. Dieses Fischen um die Gunst der AfD-Wähler*innen ist nicht neu: Seit einem Jahr beschließt die Regierung eine Asylgesetzverschärfung nach der anderen, hat sie Abschiebungen ausgeweitert und durch Abkommen mit reaktionären Regierungen wie der Türkei den Großteil Geflüchteten aufgehalten.

Schon vor einigen Wochen hatte die Junge Union in den sozialen Netzwerken eine absurde Kampagne gestartet, die eine mögliche Rot-Rot-Grüne Regierung mit der SED, der DDR und selbst der Niederschlagung des Faschismus (welch Horrorszenario!) gleichsetzte. Vor zwei Wochen versammelten sich 100 Abgeordnete aus den Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und Linkspartei zu einem „Strategietreffen“, um eine künftige Zusammenarbeit nach den Bundestagswahlen auszuloten. 

Es traten keine greifbaren Ergebnisse nach außen, doch vor allem von Seiten der Sozialdemokratie handelte es sich vor allem um ein Zeichen an die CDU. Um eine vierte Amtszeit von Angela Merkel zu ermöglichen, müssten die Christdemokrat*innen Zugeständnisse an die SPD machen. Ansonsten halte man nach anderen Optionen Ausschau, so die Botschaft. Auch die Grünen machten deutlich, dass Schwarz-Grün nicht ohne gewissen Widerstand von der Parteibasis möglich sein würde. 

Wer es dagegen ernst meinte, war die Linksparteiführung. „Herr Gabriel könnte nächste Woche Bundeskanzler sein“, sagte Dietmar Bartsch in der vergangenen Woche und forderte SPD und Grüne dazu auf, in einem Misstrauensvotum gegen Merkel zu stimmen und so eine SPD-geführte Regierung zu ermöglichen. Bartsch ging sogar soweit, zentrale Forderungen der Linkspartei zu Auslandseinsätzen und Hartz IV für eine solche Regierungskoalition aufzugeben: „Nicht alles an der Agenda 2010 war schlecht“. 

Damit bestätigt Bartsch, dass selbst die Linkspartei keine Ansprüche hat, die grundlegenden sozialen Probleme der arbeitenden Bevölkerung anzugehen. Viel mehr treibt sie der Wunsch an, Verantwortung im bürgerlichen Staat zu übernehmen und den deutschen Imperialismus „menschlicher“ zu machen: mit „sozialverträglichen“ Militärinterventionen, etwas weniger Mini-Job-Elend und „fairer“ Befristung. Dass SPD und Grüne in der Lage sind, im Interessen des Großkapitals zu regieren, haben sie mit Kosovo-Krieg und der Agenda 2010 zur Genüge bewiesen. 

Ob 2017 also eine von der CDU geführte konservative Regierung mit oder ohne SPD oder eine von der Sozialdemokratie geführte Rot-Rot-Grüne Regierung an die Macht kommt – es handelt sich nur um zwei Formen derselben Herrschaft des Kapitals. Die Arbeiter*innen müssen für eine unabhängige Alternative gegen den Rechtsruck, zur Verteidigung der demokratischen Freiheiten und gegen Krieg eintreten.

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