Was tun, wenn es brennt?

26.09.2015, Lesezeit 6 Min.
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Die ständigen rassistischen Angriffe auf Geflüchtetenheime rufen nach Gegenwehr. Wie kann diese vorangetrieben und organisiert werden?

Obwohl selbst bürgerliche Politiker*innen jetzt Refugees Welcome rufen, nehmen die Angriffe auf Geflüchtete nicht ab. Obwohl die bürgerlichen Medien jetzt Angela Merkel dafür feiern, wie „weltoffen“ und „aufgeschlossen“ sie gegenüber Geflüchteten sei, steigt die Zahl der Abschiebungen. Und obwohl die Kriege in Syrien und Irak seit Jahren toben, geben sich die deutschen und europäischen Behörden als „unvorbereitet“ und sind nicht in der Lage, eine menschenwürdige Asylpolitik zu machen. Wie erklärt sich diese Widersprüchlichkeit? Wie erklärt es sich, dass die Angriffe auf Geflüchtetenheime zwar seit Jahresbeginn andauern, die Reaktion der Linken aber eher zurückhaltend denn offensiv ist? Hieß Antifa nicht Angriff?

Die radikale Linke in Deutschland hat sich in den letzten Jahren stark umstrukturiert. Das lag unter anderem an politischen Differenzen über die notwendige Strategie gegenüber staatlichen Angriffen. Doch daraus entstanden beinahe keine revolutionären Gruppen und keineswegs Parteien, die eine Strategie für die Verankerung in der Jugend und der Arbeiter*innenklasse vorweisen können. Die Konsequenz ist, dass zwar den faschistischen Aufmärschen stets eine gewisse Zahl an Gegendemonstrierenden begegnet, dass aber von einer Massenmobilisierung gegen Rechts nicht die Rede sein kann …

Bürgerlicher „Antifaschismus“

… außer wenn die großen bürgerlichen Parteien wie die SPD oder die Grünen zu antirassistischen Kundgebungen aufrufen, wie am 12.09. am Rathausmarkt in Hamburg. Mehrere Tausend Menschen sind dort anwesend und auch in Berlin waren die „NoBärgida“-Proteste am größten, als diese Parteien zur Kundgebung am Brandenburger Tor aufriefen. Nur scheinbar paradox, dass etwa zur gleichen Zeit Länder wie Bosnien und Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt wurden. Dies bedeutet, dass Asylsuchende aus diesen Ländern generell kein Asyl bekommen. Während sich also die bürgerlichen Parteien einen „antirassistischen“ Touch geben, schieben sie weiterhin fleißig ab. Ebenso sind diese Parteien dafür verantwortlich, dass imperialistische Kriege ausgelöst und Waffenexporte erhöht werden. Deshalb ist es notwendig, die heuchlerische Politik dieser Kriegsparteien zu entlarven und demgegenüber eine eigene revolutionäre Perspektive entgegenzusetzen.

Es ist also notwendig, für eine unabhängige Perspektive jenseits dieser Parteien zu kämpfen.  Wir dürfen auch beim Kampf gegen die Faschist*innen, kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat haben. Denn obwohl sich die bürgerlichen Politiker*innen von den Nazis distanzieren und sie als „Pack“ bezeichnen, sind sie sich dennoch nicht zu schade dafür, ihre Forderungen nach Verschärfungen des Asylrechts und der Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu akzeptieren und durchzusetzen. Das Ergebnis davon ist ein Doppeldiskurs, von dem wir uns nicht blenden lassen dürfen. Das bedeutet, dass ein Kampf gegen rassistische und faschistische Strukturen nur mit einem gleichzeitigen Kampf gegen den bürgerlichen Staat stattfinden kann. Jedoch bedeutet eine unabhängige Strategie keineswegs ein Programm, das zum Beispiel aus individualistischen autonomen Aktionen gegen den Staat oder die Faschist*innen besteht. Und zwar nicht, weil wir Mitleid mit den Faschist*innen oder den Herrschenden hätten, sondern weil wir sie viel effektiver mit Massenaktionen schlagen können, basierend auf der Selbstorganisierung der Unterdrückten und Ausgebeuteten.

Angriff gegen Faschismus, Staat und Kapital

Diese Angriffe der Faschist*innen auf Migrant*innen sowie die Angriffe der Regierung auf die Rechte der Geflüchteten bilden also zwei Seiten ein und derselben Medaille. Sie müssen deshalb gleichzeitig bekämpft werden. Die Situation erfordert den Aufbau von antirassistischen Basisstrukturen an Schulen und Universitäten durch Jugendliche, die dem alltäglichen Rassismus von Nationalist*innen auf der Straße und in den Regierungen etwas entgegensetzen. Aus diesen Strukturen können darüber hinaus Selbstverteidigungskomitees von Geflüchteten und Aktivist*innen entstehen, um der unmittelbaren Gefahr zu begegnen. Aber es wäre ein fataler Fehler zu glauben, dass diese Selbstverteidigung rein passiv wäre: schon der preußische Militärstratege Carl v. Clausewitz hat betont, dass eine Verteidigung aktiv und mit „geschickten Schlägen“ gepaart sein müsste. Doch damit fängt es erst an.

Die Jugend allein hat selbst relativ wenig Einfluss auf die herrschende Politik. Ein Schulstreik, ein Unistreik hat zwar eine starke Symbolkraft, jedoch schadet sie dem bürgerlichen Staat nur sehr bedingt. Notwendig ist deshalb die Verbindung der Basisstrukturen mit kämpferischen Arbeiter*innen. Denn allein die Arbeiter*innenklasse hat die soziale Macht, die Produktion in Deutschland lahmzulegen. Man stelle sich nur einmal vor, ver.di oder die GdL würden gegen Arbeitsverbote und Residenzpflicht streiken. Die Forderungen wären vermutlich schnell erfüllt.

Hunderttausende von Geflüchteten werden in den nächsten Monaten in den Arbeitsmarkt integriert werden. Das Kapital will sie als billige Arbeitskräfte missbrauchen. Daher schürt es auch Hass und Rassismus unter den Arbeiter*innenmassen, die sich eher als Konkurrent*innen denn als Klassengeschwister sehen sollen. Die Absicht dahinter ist klar: Sie sollen sich lieber selbst bekämpfen, anstatt sich gegen ihre Bosse gemeinsam zu organisieren. Denn sie haben einen gemeinsamen Feind: die Bourgeoisie. Es ist der Staat, dieses Instrument der herrschenden Klasse, welcher im gleichen Atemzuge das Streikrecht massiv einschränkt und den Geflüchteten ihre demokratischen Rechte verwehrt. Es ist die Bourgeoisie, die sich der faschistischen Banden als Vorwand bedient, um weitere Einschränkungen des Asylrechts durchzusetzen. Die Bourgeoisie ist es, welche die Arbeiter*innen tagtäglich ausbeutet und Jugendliche und Frauen unterdrückt. Ohne Zweifel: der Kampf gegen den Faschismus kann nur auch ein Kampf gegen Staat und Kapital sein.

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