„Was können wir aus Frankreich lernen?“

27.04.2016, Lesezeit 4 Min.
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Bericht von der Veranstaltung von Waffen der Kritik München zu den Jugendprotesten in Frankreich.

Knapp ein Dutzend Personen folgten am Montag der Einladung von Waffen der Kritik München zur Diskussions über die Jugendbewegung in Frankreich. Die zentrale Frage lautete: „Was können wir aus Frankreich lernen?“

In Frankreich geht die Jugend seit dem 9. März massiv auf die Straße. Sie demonstriert gegen das reaktionäre Arbeitsgesetz „El Khomri“, das weniger Geld für mehr Arbeit bei schlechterem Kündigungsschutz bedeutet. Die Schüler*innen blockieren ihre Schulen und die Studierenden ihre Universitäten. Gleichzeitig streikte die Arbeiter*innenklasse an zwei landesweiten Mobilisierungstagen gegen das Gesetz und rief zu großen Versammlungen auf. Am 28. April wird ein weiterer nationaler Aktionstag folgen.

Die Repression seitens des französischen Staates gegen die Bewegung ist sehr stark. Seit den Anschlägen von Paris im November vergangenen Jahres gilt in Frankreich der Notstand. Deshalb ist die Eingriffsschwelle der Polizei sehr niedrig. Sie geht mit brutaler Gewalt gegen die Bewegung vor – neben Schlagstöcken und Pfefferspray kommen Tränengas und Gummigeschosse zum Einsatz, die auf friedliche Demonstrant*innen abgefeuert werden. Am 5. April sind 130 Schüler*innen auf einmal festgenommen worden.

Ursache der starken Bewegung und der harten Repression ist einerseits die in Frankreich seit drei Jahren anhaltende wirtschaftliche Rezession und die mit 24,9 % sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Andererseits spielt der Notstand, mit dem die französische Regierung eine Offensive gegen die Arbeiter*innen und Unterdrückten einleitete, eine wichtige Rolle. So wehrt sich die Bewegung auch gegen die anhaltende Militarisierung des öffentlichen Raums.

Eine Besonderheit der Bewegung ist, dass sie von Beginn an zur Arbeiter*innenklasse hin orientiert war. So waren es die Jugendlichen, die die Arbeiter*innenorganisationen zwangen, am 9. März auf die Straße zu gehen. Schlaglicht dieser Orientierung ist Le Havre, wo die Jugend schon vier Mal zusammen mit den Hafenarbeiter*innen streikte und den Hafen lahmlegte. Dort verkündete der Gewerkschaftsverband CGT, dass es bei Festnahmen von Jugendlichen zu Streiks kommen werde. Dadurch konnten Festnahmen verhindert werden. Auch die Teilnahme von Arbeiter*innen an den universitären Vollversammlungen ist sehr wichtig.

Als weitere Besonderheit gilt, dass sich die Jugend fast völlig von den etablierten Parteien, vor allem von der regierenden Sozialistischen Partei (PS) abgewandt hat. Aber auch die linksreformistischen Parteien, wie die Front de Gauche (Linksfront aus Linkspartei und Kommunistischer Partei,) haben viel an Glaubwürdigkeit verloren, als sie im November vergangenen Jahres im Kongress für den Notstand gestimmt haben. Vor allem die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), die von Anfang an gegen den Notstand demonstrierte, konnte von dieser Konstellation profitieren.

In der Diskussion am Montag warfen die Diskutierenden die Frage auf, wie antiimperialistisch die Jugendbewegung ist. Dabei wurde es zunächst als sehr fortschrittlich herausgestellt, dass die Jugend die Verbindung zur Arbeiter*innenklasse sucht. Auch ihre Ablehnung der französischen Regierung ist herauszustellen. Allerdings richtet sich diese Bewegung (noch) nicht explizit gegen die imperialistischen Kriege Frankreichs, die seit November durch den „Krieg gegen den Terror“ vor allem in Syrien und Mali intensiviert wurden.

Auch werden noch keine Forderungen für Geflüchtete in den Vordergrund gestellt. Es ist also wichtig, dass die Jugendbewegung, Forderungen von den unterdrückten Teilen der Gesellschaft aufnimmt und zusammen mit den Unterdrückten für Verbesserungen für alle kämpft. Beispielsweise sollte die Jugend in Frankreich für ein Arbeitsrecht für alle kämpfen und Wohnraum für alle fordern.

So kam die Runde zu dem Schluss, dass wir in Deutschland vor allem von den Erfahrungen der Jugend in Frankreich mit der Arbeiter*innenklasse profitieren können. Andererseits kann die Jugend in Frankreich von den Erfahrungen mit den Kämpfen der Geflüchteten aus Deutschland lernen. Diesen wichtigen Austausch wollen wir gerne herstellen. Eine sehr gute Gelegenheit bietet hierzu die Veranstaltung „Französische Verhältnisse jetzt!“ am Freitag, den 29. April, um 18:15 Uhr im Mehringhof in Berlin, wo die Aktivist*innen Philipp Alcoy und Nathan Bolet aus erster Hand von den Jugendbewegung berichten werden.

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