Was ist ein „Unrechtsstaat“?

06.10.2014, Lesezeit 3 Min.
1

Bei den Sondierungsgesprächen zwischen Linkspartei, SPD und Grünen in Thüringen zur Bildung einer rot-rot-grünen Regierung haben sich die drei Parteien darauf geeinigt, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“ war. Das bedeutet eine Distanzierung der Linkspartei von ihrer SED-Vergangenheit. Aber wo bleibt die Distanzierung der SPD von den Morden an Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und tausenden ArbeiterInnen in der Revolution von 1918-19? Wann distanzieren sich die Grünen von der brutalen Repression gegen die Geflüchteten in Kreuzberg?

Die DDR einen „Unrechtsstaat“ zu nennen unterstellt, dass die BRD im Gegensatz dazu ein „Rechtsstaat“ ist. Im BRD-Alltag sehen wir, wie Geflüchtete von der Polizei schikaniert und von den Behörden abgeschoben werden – kurz, dass sie wegen ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe keinerlei Rechte haben. Nun meinen die PolitikerInnen der herrschenden Klasse, dies sei alles „Recht“, weil die Ungerechtigkeit nach Gesetzen vorgeht. Aber hatte die DDR etwa nicht Unmengen schriftlicher Regelungen, um die staatliche Repression genau zu regulieren?

„Weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten“, hieß es im Papier von #RRG, „war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.“ In den letzten Tagen kam die Meldung, dass die Sicherheitsorgane der BRD die Daten von Millionen Menschen auf einfachen Verdacht hin speichern. Worin besteht der Unterschied zur Stasi? Darin, dass die BRD-Geheimdiensten nicht mit Karteien sondern mit digitalen Datenbanken arbeiten.

Die Linkspartei distanziert sich vom „Unrechtsstaat“ DDR, um ihre Treue zum „Rechtsstaat“ BRD unter Beweis zu stellen – diesem „Rechtsstaat“, der uns imperialistische Kriege, Hartz IV und Abschiebungen gibt. Was die etablierten Parteien der BRD – einschließlich der Linkspartei – an der DDR so stört, ist nicht das allgemeine „Unrecht“, sondern die Tatsache, dass durch die Verstaatlichung der Produktionsmittel das „Recht“ der KapitalistInnen auf Ausbeutung abgeschafft war. „Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung der Produktionsmittel“, sagte Gregor Gysi zur Büße.

Als revolutionäre MarxistInnen haben wir kein Problem mit der Aussage, dass die DDR eine „Diktatur“ war. Dort herrschte eine kleine Clique – die stalinistische Bürokratie –, die die arbeitende Mehrheit der Bevölkerung von der politischen Macht ausschloss. Aber auch in der BRD herrscht eine kleine Clique, die alle wichtigen Fragen unter sich entscheidet: Die KapitalistInnen, die den gesamten Reichtum der Gesellschaft alleine kontrollieren. Beide Cliquen haben aufwändig Demokratie inszeniert, mit Bundestag beziehungsweise Volkskammer, um ihre Diktatur zu verschleiern, aber ihre Macht blieb unanfechtbar.

Rot-rot-grün in Thüringen wird, wie alle „linken“ Regierungsprojekte, im Sinne der KapitalistInnen reagieren. Um ihrer Diktatur zu entkommen, brauchen wir keine „linke“ Regierung, sondern eine Revolution der ArbeiterInnen, um eine wirkliche Demokratie, nämlich die demokratische Kontrolle über die Produktionsmittel, zu etablieren. Doch genau das lehnt die Linkspartei ab.

Mehr zum Thema