Was das neue GKV-Finanz­stabilisierungs­gesetz für uns Hebammen bedeutet

08.11.2022, Lesezeit 5 Min.
1
Bild: KgK / Tabea Krug

In unserer Alltagsrealität wird sich der Personalmangel verschärfen, der Frust steigen, sich die Qualität verschlechtern.

Am 20. Oktober 2022 verabschiedete die Bundesregierung unter dem Gesundheitsminister Lauterbach das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das die Abrechnung von Leistungen im Gesundheitssystem gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) reformiert. So sollen Leistungskürzungen und steigende Zusatzzahlungen verhindert werden.

Eigentlich ist schon im Koalitionsvertrag festgehalten, dass es ein nationales Gesundheitsziel sei, die Versorgung rund um die Geburt zu verbessern. Unter anderem soll eine Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen während der Geburt erreicht werden. Eine Forderung, die Hebammen schon seit Jahren aufstellen.

Das klingt gut, wie auch die geplante Krankenhausreform von Lauterbach: Mit 240 Millionen Euro sollen geburtshilfliche und pädiatrische Abteilungen aufgrund der schlechten Vergütung im DRG-System unterstützt werden. Ziel davon: Weniger Kreißsäle und Kinderkliniken sollen wegen finanziellem Druck schließen müssen.

Die Richtung mag stimmen – aber Geldspritzen sind keine nachhaltige Lösung, um die Schäden eines profitorientierten Systems zu beheben. Schließlich bleibt der Profitdruck bestehen, der jetzt lediglich von De-facto-Subventionen für einige Bereiche auf Kosten der steuerzahlenden Massen abgemildert wird. In anderen Bereichen mit den gleichen Problemen, wie beispielsweise in der psychatrischen und psychologischen Versorgung, passiert das übrigens nicht.

Das verabschiedete Finanzstabilisierungsgesetz geht allerdings ziemlich deutlich gegen die erhofften und versprochenen Verbesserungen vor. Es wird sehr konkret die Verschlechterung von Hebammenbetreuung im klinischen stationären Bereich verursachen.

Ab 2025 werden im Pflegebudget nur noch die Kosten für qualifizierte Pflegekräfte berücksichtigt, die in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt sind.

So steht es im Gesetzestext. Bislang haben gesetzliche Krankenkassen sämtliche therapeutische Berufsgruppen in den Krankenhäusern refinanziert. Mit diesem Gesetz ändert sich das ab 2025, denn dann soll das nur noch für ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflger:innen passieren.

Physiotherapeut:innen, Logopäd:innen, Ergotherapeut:innen, im Krankenhaus arbeitende Erzieher:innen und auch Hebammen sind davon betroffen, sie werden also nicht mehr wie bisher von gesetzlichen Krankenkassen in Krankenhäusern refinanziert.

Natürlich entlastet diese krasse Sparmaßnahme die gesetzlichen Krankenkassen, schließlich müssen sie zukünftig viel weniger Geld für Hebammen und Therapeut:innen in Krankenhäusern ausgeben.

Doch diese Sparmaßnahme geht, wie so oft, auf Kosten der Patient:innen und des Personals. Statt von spezialisiertem Fachpersonal soll die ohnehin schon überlastete Pflege jetzt noch weitere Aufgaben zu den unzähligen bestehenden bekommen. Für die Pflege bedeutet es eine weitere Mehrbelastung und daraus folgend auch weniger qualitative und individuelle Arbeit.

Es wird argumentiert, jetzt würden viele Hebammen wieder in die Kreißsäle und geburtshilfliche Arbeit gehen, wenn sie nicht mehr im stationären Bereich arbeiten können. Auch in den Kreißsälen ist der Personalmangel ein großes Problem. Das ist jedoch total unrealistisch, denn die meisten Hebammen wollen ganz bewusst nicht mehr im Kreißsaal arbeiten – aufgrund der schwierigen Arbeitsbedingungen, traumatischer Erfahrungen und Belastung.

Bislang gibt es für Hebammenarbeit keine Verbesserungen. Mit der Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget verschlechtert sich die Versorgung von Frauen. Wenn Hebammen im stationären Bereich im Krankenhaus nicht mehr finanziert werden, können sie nicht mehr auf Pränatal- und Wochenbettstationen (bettenführenden Stationen) arbeiten. Dort werden Hebammentätigkeiten gebraucht, wie individuelle Stillbegleitung und präventives Betreuuen bei risikoreichen Schwangerschaften um Interventionen zu minimieren.

Die Betreuung des Wochenbetts ist auch nach dem Hebammengesetz als solche definiert. Diese Tätigkeiten sind sehr spezifisch und können in einer pflegerischen Ausbildung nicht so ausführlich erlernt werden. Beispielsweise ist die sehr individuelle Stillbegleitung in den ersten Tagen, die bei schlechter Betreuung ein frühzeitiges ungewolltes Abstillen oder große Stillprobleme zur Folge haben können, die zu einem erneuten Krankenhausaufenthalt der Familien führen können.

Statt einer guten interdisziplinären Zusammenarbeit, in der spezialisiertes Fachpersonal gemeinsam die gute Versorgung von Frauen gewährleisten kann, wird eine Berufsgruppe – die Pfleger:innen – mit weiteren Aufgaben zugeworfen und die Berufsgruppen werden gegeneinander ausgespielt.

Außerdem wird es den vorhandenen Fachkräftemangel verschärfen. Auch langfristig, da Hebammenschüler:innen in ihrer klinischen Tätigkeit auf Stationen dann nicht mehr von Hebammen ausgebildet werden können, und sich so die Qualität der Ausbildung verschlechtern wird.

Der DHV (Deutscher Hebammenverband) und viele weitere Hebammenkolleg:innen stellen sich gegen dieses Gesetz. Außerdem gibt es bereits eine Petition gegen die Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget.

Wie so oft sehen wir, dass eine Entscheidung „von oben“ keinen Sinn macht – es wird erwartet, dass sich Menschen einfach wie Spielsteine bewegen lassen, unsere Arbeitskraft wird in Zahlen aufgerechnet.

In unserer Alltagsrealität wird sich der Personalmangel verschärfen, der Frust steigen, die Qualität wird sich verschlechtern. Wir müssen erkämpfen selbst über die notwendigen Veränderungen im Gesundheitssystem zu entscheiden. Uns werden tagtäglich so viele Zusatzlasten auferlegt, mit denen wir arbeiten müssen – die können nur wir Hebammen benennen. Nur wir können sagen, was wirklich Priorität hat.

Ohne die Abschaffung des DRG-Systems und somit einer profitorientierten Logik wird sich die Versorgung der Patient:innen nicht verbessern.

Mehr zum Thema