Von Grüne bis CSU – mit Jamaika in den Krieg

11.09.2018, Lesezeit 4 Min.
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HANDOUT - Kampfflugzeuge vom Typ Tornado der Bundeswehr auf dem Weg zur Startbahn im Rahmen der Mission Counter Daesh auf der Air Base in Incirlik, am 28.06.2016.(zu "Möglicher Incirlik-Abzug wird zum Streitthema in der Koalition" vom 30.05.2017; ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur bei Nennung: Foto: Thorsten Weber/Bundeswehr/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Das Bundesverteidigungsministerium prüft Szenarien für einen Angriff auf Syrien. Unterstützung kommt auch von den Grünen.

Am Montag berichtete die „Bild“-Zeitung von einem Treffen deutscher und US-amerikanischer Militärexpert*innen zwei Wochen zuvor. Dabei wurden Optionen für einen möglichen gemeinsamen Angriff auf syrische Regierungstruppen diskutiert, falls diese Giftgas einsetzen sollten. Demnach könnten deutsche Tornado-Kampfflugzeuge mit Aufklärungsflügen eine Koalition aus USA, Frankreich und Großbritannien unterstützen oder sogar selbst Bombardements durchführen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums nannte einen möglichen Angriff „einen sehr hypothetischen Fall“. Aber es sei „selbstverständlich“, dass man alle Optionen durchspreche. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, kommt derweil zu dem Schluss, dass ein solcher Kampfeinsatz sowohl gegen Völkerrecht als auch gegen das Grundgesetz verstieße.

Deutschland macht einen Schritt auf die USA zu

Bereits 2017 und im April 2018 hatten die USA Luftschläge gegen Syrien geführt. Damals hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Beteiligung an einem Angriff noch kategorisch ausgeschlossen, wenngleich sie ihn politisch begrüßte. Nun ist die prinzipielle Ablehnung also gefallen.
Der Anlass dafür ist die neuerliche Zuspitzung des syrischen Bürger*innenkrieges in der Region Idlib. Machthaber Bashar al-Assad möchte die letzte Hochburg der Rebellen zurückerobern und wird dabei von Russland und Iran unterstützt. Bereits seit Tagen gibt es russische Luftangriffe. In dieser Situation äußerte Regierungssprecher Steffen Seibert die Sorge, „dass sich entsetzliche Muster aus anderen syrischen Kampfschauplätzen wiederholen könnten“. Die Bundesregierung nutzt damit die humanitäre Katastrophe, um einen möglichen Waffengang zu legitimieren.

Die Eroberung von Idlib würde den Sieg von Assad und seinen russischen und iranischen Verbündeten zementieren. Ein Szenario, das unter den westlichen Militärstrateg*innen Besorgnis auslöst. Seit Wochen wird das Säbelrasseln auf beiden Seiten immer lauter. Die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Deutschland machten in einer gemeinsamen Erklärung Russland für den Tod des ehemaligen russischen Agenten und Überläufers Sergej Skripal durch Giftgas im März verantwortlich. Auf der Gegenseite führt Russland gerade das größte Militärmanöver seiner Geschichte mit 300.000 Soldat*innen durch.

In dieser konfrontativen Situation versuchen die USA Deutschland auf ihre Seite zu ziehen. Laut „Bild“ kam das Treffen zwischen den Militärexpert*innen der beiden Länder auf Wunsch der USA zustande. Nachdem die Bundesregierung bisher mit einer Verhandlungsposition zwischen den Blöcken balancieren wollte, macht sie nun einen Schritt auf die USA zu.

Grüne wollen „demokratisch legitimierte“ Bombardements

Während sich die Linkspartei sowie SPD-Chefin Andrea Nahles klar gegen einen Einsatz aussprechen, gab es von FDP, Grünen und Union Unterstützungsbekundungen – in der Kriegsfrage findet die gescheiterte Jamaika-Koalition nun wohl doch zueinander. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), will, dass die Bundeswehr bereit ist, sich sowohl an Aufklärungsflügen als auch Kampfeinsätzen zu beteiligen.

Unter Umständen könnten Luftangriffe – mit Verweis auf angeblichen Zeitdruck – sogar ohne Befragung des Bundestages und ohne Information der Öffentlichkeit erfolgen. Das Parlament sollte dann im Nachhinein die Attacke absegnen. Die Grünen wollen den Bombardements aber lieber vorher ihren demokratischen Segen erteilen. Der Sprecher der Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestages, Tobias Lindner, sagte: „Wenn die Regierung einen solchen Einsatz plant, muss sie vorab den Bundestag um Zustimmung bitten und auch darlegen, wie aus ihrer Sicht dies mit dem Völkerrecht vereinbar ist.“ Unter diesen Umständen müssten laut der Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner alle „Optionen überprüft werden“.

Nachdem sie schon 1999 die letzten Bombardements von Tornado-Kampflugzeugen im Kosovo angeordnet hatten, könnten die Grünen somit auch diesmal von der Partie sein. Der Wille zum Krieg ist jedenfalls immer noch da.

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