VKG: Gewerkschaften müssen Streiks für Enteignungen und gegen die Kürzungspolitik organisieren!

11.05.2021, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Simon Zamora Martin

Tausende Menschen in Berlin gehen für die Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne und bezahlbaren Wohnraum auf die Straße, während sich eine neue Krankenhausbewegung gegen die Kürzungspolitik formiert. Über eine gemeinsame Kampfperspektive will die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) an diesem Donnerstag bei einer Online-Veranstaltung um 18 Uhr diskutieren. Hier sind unsere Vorschläge von Klasse Gegen Klasse für diese Debatte.

Am 1. Mai gingen bundesweit Zehntausende Menschen gegen die Wirtschaftskrise und die Pandemiepolitik der Regierung auf die Straße. In Berlin beteiligten sich Krankenhausbeschäftigte der Berliner Kliniken, sowie Aktivist:innen der „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“-Kampagne an den Demonstrationen. Damit stellten sie sich gegen den Beschluss der Bürokratie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der nun zum zweiten Mal in Folge nicht zu Mobilisierungen zum 1. Mai aufgerufen hatte. Die Regierung gerät nun durch diese beiden Bewegungen unter Druck.

1. Mai in Berlin und München




Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), an der wir uns von Klasse Gegen Klasse und dem klassenkämpferischen Arbeiter:innen-Netzwerk AKUT beteiligen, organisiert mit Aktiven aus diesen Kampagnen zur Unterstützung dieser Bewegungen und zur Diskussion über die Aufgaben der Gewerkschaften die Veranstaltung “Öffentlich statt Privat – Warum Gewerkschaften für öffentliches Eigentum kämpfen sollten” am Donnerstag, den 13. Mai um 18 Uhr auf Zoom. Hier findet ihr unsere Vorschläge an die VKG, damit sich die Arbeiter:innenbewegung unabhängig von den reformistischen Parteien und gegen die Gewerkschaftsbürokratie an den Bewegungen beteiligt.

Für Streiks des DGB für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co.!

Besonders nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich des Mietendeckels wurde klar, dass für die Enteignung der Immobilienkonzerne ein viel größerer Druck auf die Regierung und die Gerichte nötig ist. Selbst im Falle eines positiven Ergebnisses beim Volksentscheid ist der Berliner Senat nicht dazu verpflichtet, ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.

Genau wie die Kapitalist:innen und die Regierung die Kampagne mit ihren eigenen Methoden (Klagen vor Gericht, Mediale Kampagnen in der Springerpresse etc.) angreifen, brauchen wir als Mieter:innen und Arbeiter:innen unsere Vorgehensweisen: Massenmobilisierungen, Streiks, Versammlungen und Besetzungen.

Dabei kommt den Gewerkschaften eine große Aufgabe zu. Der DGB muss massenweise für die Demonstrationen um die Wohnungsfrage mobilisieren. Betriebsgruppen haben die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit gemeinsam mit den Kiezteams dezentral in den jeweiligen Betrieben die notwendigen Unterschriften zu sammeln, wie es schon jetzt vereinzelt geschieht. Aus den einzelnen Betrieben heraus können eigene Blöcke auf den Mietendemonstrationen gebildet werden, die neben den Forderungen nach Enteignungen und Mietsenkungen auch Forderungen gegen die Krisenpolitik der Regierung und die Zustände in den Betrieben erheben können. Ein konkreter Anlass hierfür wäre die kommende Mietenwahnsinn-Demonstration am 23. Mai in Berlin. Die VKG und die einzelnen Betriebsgruppen sollten hier die Forderung aufstellen, dass die DGB-Gewerkschaften zentral für die Demonstration mobilisieren.

Solche Mobilisierungen sind dringend notwendig, dennoch brauchen wir, wenn wir genug Druck auf die Regierung ausüben und den Volksentscheid gegen die Angriffe der Gerichte, der Kapitalist:innen und der Regierung verteidigen wollen, das zentrale Kampfmittel: Streiks. Kurz vor den Bundes- und Landtagswahlen am 23. September, an dem auch über den Volksentscheid abgestimmt werden soll, erwarten uns möglicherweise mehrere Streikbewegungen in den Krankenhäusern (Berliner Krankenhausbewegung), sowie in Schulen, Kitas und Hochschulen (Tarifvertrag-Länder). Angesichts der steigenden Mieten und stagnierenden Löhnen sowie der jahrelangen Kürzungspolitik der Regierung im öffentlichen Dienst ist es mehr als angebracht, dass diese Kämpfe mit dem Kampf für Enteignungen verbunden werden.

Eine konkrete Perspektive könnte sein, dass die Streiks im öffentlichen Dienst weitergeführt werden, bis der Berliner Senat ein entsprechendes Gesetz für die Enteignung der Wohnungsunternehmen verabschiedet. Diese Streiks sollten von Massenmobilisierungen der gesamten Berliner Bevölkerung unterstützt werden, sodass auch für die einzelnen Forderungen in Krankenhäusern und in Kitas etc. ein enormer Druck auf die Regierung aufgebaut werden kann. Es braucht große Versammlungen der Beschäftigten der Berliner Betriebe und Mieter:innen, um über eine solche Perspektive zu diskutieren. Diese Versammlungen sollten auch die vollständige Kontrolle über die Streikbewegung haben, das heißt ihre Entscheidungen sollten für die Apparate der Gewerkschaften und die DW-Enteignen-Kampagne bindend sein.

Die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ fordert dabei eine Entschädigung, weit unter den marktüblichen Preisen. Darauf antworten wir: Keinen Cent sollen die Konzerne kriegen, die sich mit unserem Geld ihre Konten füllen und damit spekulieren. Keine Entschädigung für Deutsche Wohnen, Vonovia und Co.! Deshalb fordern wir nicht nur die Vergesellschaftung des Wohnraums. Wir fordern auch, dass Mieter:innen und Arbeiter:innen die Kontrolle über die Wohnungen übernehmen und in demokratischen Strukturen wichtige Entscheidungen selbst treffen.

Bauen wir eine bundesweite Streikbewegung der Krankenhausbeschäftigten und Mieter:innenproteste auf!

In den letzten Wochen wurden in der Öffentlichkeit Stimmen laut, dass es jetzt erst recht eine bundesweite Perspektive für die Enteignungen braucht. Auch wenn diese Perspektive von reformistischen Kräften in eine rein parlamentarische Richtung für den Wahlkampf kanalisiert wird, werden bereits in anderen Städten Initiativen der Mieter:innen für Enteignungen gegründet. Gerade nimmt auch eine andere Bewegung in Berlin Fahrt auf, die die Forderungen gegen die Kürzungspolitik der Regierungen, insbesondere im Gesundheitssystem, in den Mittelpunkt stellt: die Berliner Krankenhausbewegung.

Am 12. Mai wird eine erste große Aktion der Berliner Krankenhausbewegung vor dem Roten Rathaus stattfinden, bei der die Forderungen der Kolleg:innen an den Berliner Senat gestellt werden sollen. Die Kolleg:innen fordern einen neuen Entlastungstarifvertrag für die Pflege, der zur Einstellung von mehr Personal führen soll, eine Eingliederung aller Tochterunternehmen der Krankenhäuser zurück in den Betrieb und ein Ende des Outsourcings.

Die neue Bewegung knüpft an bundesweite Streiks in den Kliniken ab 2015 an, die außerhalb der regulären Tarifrunden abliefen. An der Berliner Charité konnte 2016 so ein „Tarifvertrag Gesundheitsschutz“ erreicht werden, der Untergrenzen für Personalbesetzungen an einzelnen Stationen festlegte. In 15 weiteren Kliniken wurden ähnliche Vereinbarungen getroffen, jedoch haben die Klinikleitungen unterschiedliche Wege gefunden, diese zu umgehen. Während die Streiks einen gewissen Druck ausüben konnten, wurde die Kampagne letztendlich in eine rein parlamentarische Richtung gelenkt. Was dabei herauskam: das Pflegepaket der Großen Koalition 2018 und die Einführung von Personaluntergrenzen, die allerdings kaum eine tatsächliche Verbesserung mit sich brachten.

In diesem Sinne ist es ein großer Erfolg der Berliner Krankenhausbewegung, dass sie die Perspektive der Streiks aufwerfen und es auch seitens der Kolleg:innen Anstrengungen gibt, die Bewegung bundesweit auszuweiten. Ver.di sollte noch dieses Jahr auch in weiteren Bundesländern Krankenhausbewegungen anstoßen. Eine bundesweite Streikbewegung mit politischen Forderungen ist wichtig, weil die Ursache der Zustände in den Kliniken zwar einerseits an der Politik der Kliniken selbst liegt, jedoch hauptsächlich an der Kürzungspolitik der Bundes- und Landesregierungen.

Daher ist es notwendig, den Kampf für einen neuen Entlastungstarifvertrag für alle Krankenhausbeschäftigten mit Forderungen nach massiven Investitionen in das Gesundheitssystem, Abschaffung der Fallpauschalen (DRGs) und der Einführung einer massiven Vermögenssteuer für die Finanzierung der Kosten zu verbinden. Alle Maßnahmen für mehr Personal müssen der Kontrolle seitens der Beschäftigten unterliegen, die eigenständig über Sanktionen bei Verstößen der Geschäftsführung entscheiden sollen.

Die Einheit der Pflegekräfte und ausgelagerten Servicebeschäftigten sollte in dieser Bewegung befestigt werden. Streiks und Tarifverhandlungen für einen Entlastungstarifvertrag und der Kampf für die Eingliederung aller Tochterunternehmen sollten gemeinsam geführt werden, um zu verhindern, dass die Regierung die Beschäftigten gegeneinander ausspielen kann. Es braucht Versammlungen aller Krankenhausbeschäftigten vor und während der Streiks, die die vollständige Kontrolle über die Streiks und die Verhandlungen haben sollten, indem sie über alle Fragen offen diskutieren und verbindliche Abstimmungen durchführen. Tarifkommissionen und gewerkschaftliche Vertreter:innen sollten aus diesen Versammlungen heraus gewählt werden und jederzeit abwählbar sein. So können wir effektiv sicherstellen, dass niemand von außen, weder die Regierung noch der Bundesvorstand und die Bürokratien der Gewerkschaften, sondern einzig die Beschäftigten selbst über den Streik und seinen Fortgang entscheiden.

In diesem Sinne ist es unsere Aufgabe als VKG gemeinsam mit den Kolleg:innen der Berliner Krankenhäusern dafür zu kämpfen, dass die Streiks tatsächlich aufgenommen werden.

Keine Hoffnungen an Grün-Rot-Rot – für eine klassenkämpferische Alternative!

Die Regierungsparteien, vor allem die SPD, die Grüne und DIE LINKE, versuchen beide Bewegungen für ihre Wahlkampagnen zu nutzen, mit dem Versprechen, die Forderungen umzusetzen. Sie behaupten, dass eine grün-rot-rote Regierung eine ganz andere Politik verfolgen würde als die jetzige Bundesregierung. Doch stimmt das überhaupt?

Es waren doch genau dieselbe SPD und die Grünen, die im Bündnis mit den Gewerkschaftsspitzen die Agenda 2010 und die Hartz-IV-Reformen verhandelt haben. Es war die rot-rote Regierung in Berlin, die Tausende von Krankenhausbeschäftigten in Tochterunternehmen ausgelagert und Tarife umgegangen hat. Es war eine rot-grüne Bundesregierung die 2003 das System der Fallpauschalen eingeführt hat. Alles deutet darauf hin, dass die Kapitalist:innen und Unternehmensverbände die kommende Regierung unter Druck setzen werden, dass sie neue Angriffe auf die Arbeiter:innen und die Jugend führen, wie die Erhöhung des Rentenalters oder weitere Kürzungen im öffentlichen Dienst.

Jede Regierung, die im Herbst zustande kommen könnte, wird angesichts der Wirtschaftskrise und etlichen Milliarden Euro Neuverschuldung weitere Angriffe auf die Arbeiter:innen führen müssen, damit die große Mehrheit die Kosten der Krise trägt. Würde eine grün-rot-rote Regierung diese Angriffe durchführen, wäre damit für die Arbeiter:innen nichts gewonnen. Unsere Antwort darauf kann deshalb nicht eine Stimme für diesen Regierungskurs sein, sondern muss eine Perspektive des Kampfes aufwerfen, die von den DGB-Gewerkschaften und den sozialen Bewegungen ausgeht.

Eine solche Politik kann nur durchgesetzt werden, wenn sie auf die Mobilisierung der Arbeiter:innen, der Jugend und der sozialen Bewegungen setzt, mit der Perspektive ihrer Selbstorganisation – auch gegen die reformistischen Bürokratien der Gewerkschaften und der Bewegungen –, anstatt ihr Schicksal in die Hände einer „linken“ Bundesregierung zu legen. Dazu gehört unserer Meinung nach auch der Kampf für eine klassenkämpferische und antibürokratische Fraktion in den Gewerkschaften, den wir den Organisationen vorschlagen, mit denen wir gemeinsam die VKG aufbauen. Die VKG sollte die Organe der Selbstorganisation (Versammlungen, Streikkomitees, Koordinationsinstanzen usw.) der Beschäftigten in unterschiedlichen Bereichen fördern und übersektorale Koordination zwischen den einzelnen Belegschaften herstellen, die seitens der Gewerkschaftsbürokratie gespalten werden. Diese Organe sollten aus den gewerkschaftlichen Stellungen herausgehen, jedoch über die gewerkschaftlich organisierte Minderheit hinausgehen. Durch den Aufbau solcher Strukturen, die sich der sozialpartnerschaftlichen und hemmenden Politik der Gewerkschaftsbürokratie entgegenstellen, können die Avantgarde-Sektoren unserer Klasse einerseits eine Aktionseinheit aller Arbeiter:innen aufbauen, die Gewerkschaftsbürokratie zur Beteiligung zu einer solchen Aktionsfront zwingen und eine Arbeiter:innenbewegung aufbauen, die politisch vollständig unabhängig von der Regierung und der Kontrolle der bürgerlichen Bürokratien der Gewerkschaften ist.

Es ist auch notwendig, eine politische Alternative gegenüber der Sozialdemokratie und des Reformismus, aufzubauen, die nicht eine grün-rot-rote Regierungsperspektive vertritt, sondern sich als eine revolutionäre Kraft in den Betrieben, Universitäten und Bezirken aufbaut, in Perspektive einer vereinten revolutionär-sozialistischen Partei der Arbeiter:innenklasse.

In diesem Sinne erachten wir die VKG nicht nur als einen progressiven Anstoß, die klassenkämpferische Opposition in den Gewerkschaften zu stärken, sondern auch als eine Möglichkeit, innerhalb dieser Front einen stärkeren Austausch zwischen unseren Organisationen über die strategischen Fragen des Klassenkampfes anhand konkreter Erfahrungen zu haben und die VKG in Richtung einer solchen politischen revolutionären Alternative gegenüber dem Reformismus aufzubauen.

Für eine solche Perspektive haben wir auch als Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), die Klasse Gegen Klasse herausgibt, eine Kandidatur für den Koordinierungskreis der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften eingereicht, um die VKG in diese Richtung aufzubauen!

Über all diese Punkte wollen wir als Klasse Gegen Klasse und AKUT-Netzwerk auf der Veranstaltung der VKG am Donnerstag diskutieren und unsere Vorschläge einbringen.

Kommt zur Veranstaltung und kämpft mit uns für eine solche Perspektive!

Der Zoom-Link zur Veranstaltung: https://us02web.zoom.us/j/7186072157

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