[VIDEO] Leo Trotzki: Über die Gründung der Vierten Internationale

01.08.2020, Lesezeit 6 Min.
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Am 28. Oktober 1938 feierte eine Massenversammlung in New York die Gründung der IV. Internationale sowie den 10. Jahrestag der trotzkistischen Bewegung in diesem Land. Trotzki nahm am 18. Oktober 1938 eine Rede auf, weil es ihm verwehrt wurde, bei der Feier anwesend zu sein.

Liebe Genossen und Freunde,

ich hoffe, dass euch dieses Mal meine Stimme erreicht und dass es mir auf diese Weise erlaubt sein wird, an eurer doppelten Feier teilzunehmen. Beide Ereignisse: der 10. Jahrestag unserer amerikanischen Organisation sowie der Gründungskongress der IV. Internationale verdienen die Aufmerksamkeit der Arbeiter unvergleichlich mehr als die kriegerischen Gesten der totalitären Anführer, die diplomatischen Intrigen oder die pazifistischen Kongresse. Beide Ereignisse werden als wichtige Meilensteine in die Geschichte eingehen.

Es ist notwendig festzuhalten, dass die Geburt unserer amerikanischen Gruppe der Bolschewiki-Leninisten, dank der mutigen Initiative der Genossen Cannon, Shachtman und Abern nicht allein stand. Sie fiel in etwa mit dem Beginn der systematischen internationalen Arbeit der Linken Opposition zusammen. Es stimmt, dass die Linke Opposition 1923 in Russland entstand, aber die reguläre Arbeit auf internationaler Ebene begann mit dem VI. Weltkongress der Komintern.

Ohne ein persönliches Treffen erreichten wir eine Übereinstimmung mit den amerikanischen Pionieren der IV. Internationale, in erster Linie auf der Basis der Kritik am Programm der Kommunistischen Internationale. 1928 begann dann jene kollektive Arbeit, die nach 10 Jahren zur Erarbeitung unseres eigenen Programms führte, das jüngst von der Internationalen Konferenz verabschiedet wurde. Wir haben das Recht, festzustellen, dass die Arbeit dieses Jahrzehnts nicht nur beharrlich und geduldig war, sondern auch redlich. Die Bolschewiki-Leninisten, die internationalen Pioniere, unsere Genossen in der ganzen Welt suchten den Weg der Revolution als genuine Marxisten, nicht in ihren Gefühlen und Wünschen, sondern in der Analyse des objektiven Verlaufs der Ereignisse. Vor allem waren wir von dem Anspruch geleitet, weder andere noch uns selbst zu betrügen. Wir suchten ernst und redlich. Und wir fanden einige wichtige Dinge. Die Ereignisse bestätigten unsere Analyse genauso wie unsere Prognose. Niemand kann das leugnen. Nun müssen wir vor allem uns selbst und unserem Programm treu bleiben. Das ist nicht leicht. Die Aufgaben sind ungeheuerlich, die Feinde – unzählbar. Wir haben nur insoweit das Recht, unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit für unsere Jubelfeier zu verschwenden, als wir durch die Lehren der Vergangenheit uns auf die Zukunft vorbereiten können.

Liebe Freunde, wir sind keine Partei wie die anderen. Es ist nicht bloß unser Bestreben, mehr Mitglieder, mehr Dokumente, mehr Geld in der Kasse, mehr Abgeordnete zu haben. All das ist notwendig, aber nur als ein Mittel. Unser Ziel ist die volle materielle und geistige Befreiung der Arbeiter und Ausgebeuteten durch die sozialistische Revolution. Niemand anders wird sie vorbereiten und niemand anders wird sie führen, wenn nicht wir selbst. Die alten Internationalen – die Zweite, die Dritte, die Amsterdamer, wir wollen ebenso das Londoner Büro hinzufügen – sind durch und durch verrottet.

Die großen Ereignisse, die über die Menschen hinweggehen, werden von diesen überlebten Organisationen keinen Stein über dem anderen lassen. Nur die IV. Internationale sieht mit Zuversicht in die Zukunft. Sie ist die Weltpartei der Sozialistischen Revolution! Nie zuvor gab es auf der Erde eine größere Aufgabe. Auf jedem von uns ruht eine ungeheure historische Verantwortung.

Unsere Partei fordert jeden von uns total und vollständig. Lasst die Philister ihre eigene Individualität in einen leeren Raum jagen. Sich vollständig der Partei zu geben, bedeutet für einen Revolutionär, sich selbst zu finden.

Ja, unsere Partei ergreift jeden von uns ganz. Aber umgekehrt gibt sie jedem von uns größtes Glück: das Bewusstsein, dass wir an dem Aufbau einer besseren Zukunft beteiligt sind, dass wir einen Teil des menschlichen Schicksals auf unseren Schultern tragen und dass unser Leben nicht umsonst gelebt sein wird.

Die Treue gegenüber der Sache der Arbeiter erfordert von uns höchste Ergebenheit gegenüber der internationalen Partei. Die Partei kann natürlich auch irren. Aber durch gemeinsame Anstrengungen werden wir ihre Fehler korrigieren. Unwürdige Elemente können in ihre Reihen eindringen. Durch gemeinsame Anstrengung werden wir sie entfernen. Tausenden, die morgen in unsere Reihen eintreten, wird wahrscheinlich die notwendige Erziehung fehlen. Durch gemeinsame Anstrengung werden wir ihr revolutionäres Niveau heben. Aber wir werden niemals vergessen, dass unsere Partei jetzt den größten Hebel der Geschichte darstellt. Getrennt von ihr ist jeder von uns nichts; mit ihr in der Hand sind wir alles.

Wir sind keine Partei wie die anderen. Nicht grundlos verfolgt uns die imperialistische Reaktion wie verrückt, indem sie sich wie wild an unsere Fersen heftet. Die Mörder in ihrem Dienst sind die Agenten der Moskauer bonapartistischen Clique. Unsere junge Internationale forderte schon viele Opfer. In der Sowjetunion sind es Tausende. In Spanien Dutzende. In anderen Ländern ganze Einheiten. Mit Dankbarkeit und Liebe erinnern wir uns ihrer in diesen Momenten. Ihr Geist kämpft in unseren Reihen weiter.

Die Henker glauben in ihrer Stumpfheit und ihrem Zynismus uns einschüchtern zu können. Sie irren sich! Unter den Schlägen werden wir kräftiger. Die bestialische Politik Stalins ist nur eine Politik der Verzweiflung. Es ist möglich, einzelne Soldaten unserer Armee zu ermorden, aber nicht, sie einzuschüchtern. Freunde, wir wollen es an diesem Festtag noch einmal wiederholen:

Die Kremlclique brauchte zehn Jahre, um die bolschewistische Partei zu erdrosseln und den ersten Arbeiterstaat in eine finstere Karikatur zu verwandeln. Die Dritte Internationale brauchte zehn Jahre, um ihr Programm in den Schmutz zu trampeln und sich selbst in einen stinkenden Leichnam zu verwandeln.

Zehn Jahre! Nur zehn Jahre! Gestattet mir, mit einer Voraussage zu schließen:

In den nächsten zehn Jahren wird das Programm der IV. Internationale zum Führer von Millionen und diese revolutionären Millionen wissen wie sie Himmel und Erde zu erstürmen haben.

Lang lebe die sozialistische Arbeiterpartei der USA (SWP)!

Lang lebe die IV. Internationale!

L. Trotzki

Coyoacan, 18. Oktober 1938

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