Unsere Regierung “rettet das Weihnachtsfest”? – Oder eher die Wirtschaft!

02.12.2020, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Pixabay

Für Weihnachten wurden Lockerungen der Corona-Maßnahmen angekündigt, die teilweise scharf kritisiert werden. Aber was denken wir darüber?

Spätestens seit dieser Woche sind die Weihnachtsmänner, Engel und Rentiere nicht mehr zu übersehen: Weihnachten steht vor der Tür und somit auch die alljährige Diskussion: Wer feiert mit wem wo und welchen Familienmitgliedern kann man aus dem Weg gehen. Doch dieses Jahr ist die Stimmung anders und noch angespannter:

Das ohnehin knappe Geld für Weihnachtsgeschenke ist durch Kurzarbeit und Jobverlust noch weniger geworden, die Zukunftsängste stehen im Raum und der Großeltern-Besuch ist unsicher, da genau sie es sind, für die das Coronavirus am gefährlichsten ist.

Das traditionell christliche Weihnachtsfest ist oft Fluch und Segen zugleich: Der festliche Druck, der enorme Konsum und das Gerede über Liebe und Herzlichkeit belasten und strapazieren angespannte Familienbeziehungen gerne mal ins Unerträgliche. Doch erfüllt das Weihnachtsfest auch ein tiefes menschliches Bedürfnis: Für die Wenigsten geht es um Jesus und eine Geschichte über Gott, sondern viel eher um Familie – für viele um Erleichterung. Denn egal ob christlich oder nicht, Weihnachten bekommt man in den meisten Sektoren frei und kann es nutzen, um runter zu kommen und sich mit Familien oder anderen wichtigen Menschen in seinem Leben zu treffen. Zumindest in unserem Ideal steht es für zur Ruhe kommen, Ferien, freie Tage.

Auf dieses Ideal zielt jetzt die Regierung ab, es wird recht deutlich, dass die Bundestagswahlen immer näher rücken. Die Parteien versuchen jetzt schon verfrühte Wahlgeschenke zu machen. Während im Sommer noch “migrantische Großhochzeiten” als riesiges Problem für den Kampf gegen die Pandemie stilisiert wurden, lockern jetzt viele Bundesländer vom 23.12. bis 27.12. (Stand: 02.12) die Corona-Beschränkungen. Statt 5 Personen aus zwei Haushalten, sind über die Feiertage 10 Personen plus Kinder bis 14 Jahre erlaubt. Die Regierungen wollen so dem Bedürfnis der Bevölkerung entgegenkommen, die Tage am Ende eines stressigen Jahres mit ihren Liebsten, Freund:innen oder Familie verbringen zu können. Kein Wunder, dass in der Zeit, wo die Umfragewerte der Regierung nicht mehr so stabil sind, wie bisher in der Krise, nun also Lockerungen genehmigt werden. Noch in diesem Jahr könnten die ersten Menschen geimpft werden und so hofft die Regierung im Frühjahr durch Impfungen die “Normalität” wieder herzustellen.

Bei allen berechtigten Kritiken an “Weihnachten”, sei es als Ausdruck eines (orthodoxe Christ:innen ausschließenden) christlichen Leitbilds, für seinen Konsum, die schlechten Arbeitsbedingungen der Einzelhandelsarbeiter:innen zur Vorweihnachtszeit, der erhöhten Gewalt und den psychischen Problemen, die mit den Feiertagen verbunden werden, es ist nachvollziehbar und vollkommen in Ordnung, sich auf das Fest zu freuen, auf wenigstens ein paar Tage ohne Lohnarbeit und auch, seine Familie nach einem dreiviertel Jahr Kontakteinschränkungen und Corona-Angst, die oft dazu geführt hat, seine Familie und Freunde gar nicht mehr sehen zu können, zu treffen.

Und auch wir in der Redaktion, zumindest die von uns, die Weihnachten feiern, machen uns Gedanken. Viele unserer Verwandten sind Risikogruppen, besonders unsere Eltern und Großeltern. Eigentlich bräuchten wir 2 Wochen freiwillige häusliche Quarantäne, bevor wir sie sehen, aber wie soll das gehen, wenn die Schulferien erst ab dem 16.12. sind, und es für die Lohnarbeit gar keine Regelungen gibt? Und was machen die Familien mit ihren Kindern in der extra Woche? Wie auch in den vorherigen Phasen, in denen die Schulen geschlossen wurden, sind die Familien mit dieser extra Belastung allein gelassen.

Um eigenständig eine sichere Umgebung für ein Treffen mit Familie und/oder engen Freunden haben zu können müssten wir also entweder zwei Wochen in Quarantäne, was nicht geht, oder bräuchten die entsprechend sinnvollen Schutzmaßnahmen: Wohnungen, in denen wir Abstand halten können (die die meisten von uns nicht haben) und private Tests. Diese werden aktuell nur in Bayern bezahlt, in den anderen Bundesländern muss man sie selbst bezahlen. In Berlin fängt das bei etwa 60€ pro Test an, auch 120€ für Schnelltests sind keine Seltenheit. Und in allen Bundesländern laufen die Tests über eine völlig überlastete Infrakstruktur, auch ohne zusätzliche Last durch die Feiertage ist es schwer, Termine zu bekommen und man wartet teils tagelang auf die Ergebnisse.

Wie könnten wir sicher unsere Familien sehen?

Ja, wir würden wirklich gerne Weihnachten feiern, besonders nach diesem Horror-Jahr. Aber diese “Geschenke” der Regierung reichen nicht, damit wir es ruhigen Mutes tun könnten. Auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen – um diese Pandemie in den Griff zu bekommen, unsere Familien (seien es unsere bürgerlichen Familien, gewählte Familien, enge Freund:innen, oder weihnachtliche Zweckgemeinschaften) zumindest hin und wieder mal sicher sehen zu können, muss die Wirtschaft herunter gefahren werden.

Die Produktion in den nicht essentiellen Sektoren muss gestoppt werden, alle Maßnahmen nützen nichts, wenn man mit 400 anderen Arbeiter:innen am Fließband steht, oder in ein Großraumbüro gestopft ist. Und alle, die arbeiten müssen, brauchen bessere Arbeitsbedingungen und Schutzmaßnahmen, die zuverlässig und auch unter Stress und Belastung einhaltbar sind.

Ausführlicher gehen wir dazu in unserem Kampfplan zur Krise ein.

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