Unser Programm: der Lohnsklaverei ein Ende bereiten

27.05.2017, Lesezeit 20 Min.
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Der erste Sitzungstag des Kongresses der CRT war neben der Diskussion der internationalen Situation der Debatte und der Bestätigung des programmatischen Manifests der CRT gewidmet. In diesem Artikel zeigen wir eine Synthese der Fundamente des Übergangscharakters unseres Programms, die verschiedenen Forderungen, die es beinhaltet und wie sie mit dem strategischen Ziel der Beendigung der kapitalistischen Gesellschaft im Zusammenhang stehen.

Leo Trotzki zeigt auf, dass die bolschewistische Partei die Sowjets in Russland aufgrund von der Richtigkeit ihrer Politik und ihres Zusammenhaltes anführten. Und da stellt sich die Frage: Was ist die Partei und worin besteht ihr Zusammenhalt? Dieser Zusammenhalt, so Trotzki, ist ein gemeinsames Verständnis der Ereignisse und der Aufgaben. Und dieses gemeinsame Verständnis ist das Programm der Partei.

Unser Programm fällt nicht vom Himmel. Für uns enthält das Programm die Schlussfolgerungen der theoretischen und praktischen Arbeit des Marxismus seit seinem Ursprung, damit diese Erfahrungen sich nicht im Leeren entwickeln. Wir wollen, dass die Arbeiter*innen ein Gefühl dafür entwickeln, einer Klasse mit einer über 150-jährigen Tradition des Kampfes gegen das Kapital anzugehören. Anders ausgedrückt: Das Programm ist das Ergebnis der strategischen Erfahrung des Proletariats in anderthalb Jahrhunderten Geschichte und ihre Verdichtung mittels eines Systems an Forderungen auf einer wissenschaftlichen Grundlage. Durch das Programm nimmt die Arbeiter*innenklasse ihre eigenen kollektiven Erfahrungen auf, die den einzelnen Arbeitenden verborgen bleiben. Auf diese Weise fängt sie nicht ständig von Null an.

Das Programm, das die CRT bei ihrem Gründungskongress vorstellt, ist kein fertiges Programm. Daher fehlen Dinge und es gibt weitere Elemente, die nicht im strengen Sinne zum Programm gehören. Beispielsweise all die Kommentare und Polemiken mit unseren politischen Gegner*innen, die die Grundlage für unsere Losungen legen. Aber das CRT-Manifest ist noch kein fertiges Programm, weil unser tatsächliches revolutionäres Programm vor allem nicht national, sondern international ist und auf der theoretischen Analyse der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft in ihrer imperialistischen Phase fußt.

Das CRT-Programm basiert auf dem Übergangsprogramm, das von Leo Trotzki ausgearbeitet wurde. Auf seiner Grundlage wurde 1938 die Vierte Internationale gegründet: ein weltweites Programm für eine sozialistische Revolution. Und davon gehen die programmatischen Ausarbeitungen unserer internationalen Strömung aus, der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI). Es gibt zahlreiche Fragen, die das CRT-Programm nicht anspricht, wie die tiefergehenden Grundlagen der kapitalistischen Krise, die Transformationen der weltweiten Arbeiter*innenklasse, die Frage der halbkolonialen Länder und ihrer Verbindung mit dem Imperialismus usw., die in anderen Texten unserer internationalen Strömung entwickelt werden. Unser Manifest ist in einem strengen Sinn das Herunterbrechen dieses internationalistischen Programms für den Spanischen Staat mit seinen aktuellen politischen Bedingungen.

Es ist ein Aktionsprogramm von jetzt bis zum Beginn der sozialistischen Revolution. Das bedeutet „Übergang“. Und was ist das Angebot eines solchen Übergangsprogramms, welches wir vorschlagen? Wie Trotzki sagt, schlägt das Übergangsprogramm vor, „den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven Bedingungen für die Revolution und das Fehlen der Reife des Proletariats und seiner Avantgarde zu überwinden“. Es dient dazu, „der Masse im Verlauf ihres täglichen Kampfes zu helfen, die Brücke zu finden zwischen ihren aktuellen Forderungen und dem Programm der sozialistischen Revolution. Diese Brücke muss aus einem System von Übergangsforderungen bestehen, die ausgehend von den augenblicklichen Voraussetzungen und dem heutigen Bewusstsein breiter Schichten der Arbeiterklasse und unabänderlich zu ein und demselben Schluss führen: der Eroberung der Macht durch das Proletariat“.

Das bedeutet, dass sich unser Programm nicht an die politische Konjunktur oder an das Denken oder den Zustand des Bewusstseins der Masse der Arbeiter*innen von heute anpasst, sondern vielmehr der aktuellen Situation wie wir sie heute in der ökonomischen Klassenstruktur der Gesellschaft vorfinden. Das Klassenbewusstsein kann rückständig sein und das ist es auch ganz offensichtlich. Also besteht die politische Aufgabe der Partei darin, das Bewusstsein in Einklang zu bringen mit der objektiven Situation und den Arbeiter*innen und der Jugend verständlich zu machen, was die Aufgaben sind, die von einer solchen Situation ausgehen.

Die Bedeutung des Übergangscharakters unseres Programms

Wie Trotzki aufzeigt besteht der Übergangscharakter in einer „Brücke“ zwischen den aktuellen Forderungen und dem Programm der sozialistischen Revolution. Diese „Brücke“ besteht in einem „System von Übergangsforderungen“, das verschiedene Typen von Losungen beinhaltet, die wir auf folgender Weise zuordnen können: Minimalforderungen, demokratische Forderungen, organisatorische Forderungen und Übergangsforderungen.

1. Minimalforderungen, die nicht an sich die kapitalistische Eigentumsordnung herausfordern (zum Beispiel die Erhöhung des Lohns, bezahlter Urlaub, die Erhöhung der Renten, der Acht-Stundentag, Kindergärten für die Kinder der Arbeiter*innen usw.). Das sind Forderungen, die die Arbeiter*innenklasse im Kampf für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen seit Anbeginn ihrer Existenz erhebt. In irgendeinem Moment der Arbeiter*innenbewegung wurden diese Forderungen „errungen“, aber sie sind weiterhin Teil der Übergangs-„Brücke“, wenn sie „ihre vitale Stärke behalten“; wenn sie vom Kapital angegriffen oder in Frage gestellt werden oder sie der Arbeiter*innenklasse entzogen wurden und so können sie Motor der Mobilisierung sein.

2. Demokratische Forderungen andererseits wurden oftmals schon während der bürgerlichen Revolutionen ausgerufen. Darunter sind solche, welche wir „strukturell-demokratische“ Forderungen nennen, zum Beispiel die Abschaffung der Monarchie oder die Selbstbestimmung unterdrückter Nationen im Spanische Staat, oder die Agrarrevolution und der Kampf für die nationale Befreiung unterdrückter Nationen durch den Imperialismus. Dann gibt es die Forderungen, die wir „radikaldemokratisch“ nennen, das heißt die radikalsten Formen, die die bürgerliche Demokratie annehmen kann, wie die Verfassungsgebende Versammlung, die Abschaffung des Präsidentenamts und die Vereinigung der Exekutive und Legislative in einer einzigen Kammer, die Abwählbarkeit von Mandatsträger*innen usw. Und dann gibt es noch „demokratische Übergangsforderungen“, die den Klassencharakter der bürgerlichen Demokratie in Frage stellen, wie zum Beispiel die Forderung, dass Träger*innen politischer Posten nicht mehr verdienen dürfen als einen Arbeiter*innenlohn, die als große historische Vorgängerin die Pariser Kommune von 1871 hat (die erste Arbeiter*innenregierung der Geschichte).

3. „Organisatorische Forderungen“, die auf die unabhängige Organisierung der Arbeiter*innenklasse abzielen, wie Fabrikkomitees, Streikposten, Arbeiter*innenmilizen und Räte. Damit sollen die Unterordnung unter den Staat gebrochen und Organismen der „Doppelmacht“ der Arbeiter*innenklasse entwickelt werden.

4. Letztlich erheben wir Übergangsforderungen im engeren Sinne, um die Mobilisierung voranzutreiben. Es sind Forderungen welche die Arbeiter*innenklasse durchsetzen würde, wenn sie an die Macht kommt. Durch sie organisiert sie die Produktion um im Interesse der Mehrheit der Gesellschaft und tastet damit den kapitalistischen Profit und das Privateigentum an Produktionsmitteln an. Darunter gibt es Maßnahmen, die die Notwendigkeit des „Erhalts des Proletariats“ als Klasse angesichts der Krise betreffen, wie die „gleitende Lohnskala“, oder die „Aufteilung der Arbeitsstunden“ (welche z.B. mit dem Plan zusammenhängen, öffentliche Arbeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit heranzuziehen) oder auch die „Arbeiter*innenkontrolle“, welche eine „Schule der Planwirtschaft“ gegenüber der kapitalistischen Anarchie sein soll, sowie die Enteignung und Verstaatlichung von bestimmten Wirtschaftssektoren und -konglomeraten und der Banken unter Arbeiter*inkontrolle etc.

Diese Gesamtheit von Forderungen strukturiert unser Programm. Es wird von revolutionär-sozialistischen Forderungen gekrönt, wie die Machtübernahme durch den Aufstand und den Aufbau eines Arbeiter*innenstaats als Schritt zur Entwicklung der sozialen Revolution auf internationaler Ebene.

Und wie führen wir diese Forderungen zusammen? Wir machen dies mittels politischer Agitationskampagnen, durch Interventionen in den Klassenkampf oder in Organisierungsprozessen von Arbeiter*innen. Außerdem tun wir dies bei Kämpfen in den Universitäten und Schulen oder wenn wir an Wahlen teilnehmen usw. usf. Es gibt Minimalforderungen, die wir dauernd erheben und die häufig Teil der Forderungen der sozialen Bewegungen, der Gewerkschaften oder von Bündnissen sind, besonders seit dem Ausbruch der kapitalistischen Krise. Beispiele sind unter anderem das Recht auf Gesundheit und Bildung, Forderungen gegen die Prekarität, die Erhöhung der Renten und der Löhne, für die Rechte der Frauen und gegen die machistische Gewalt.

Wir erheben all diese Forderungen der Arbeiter*innen und verarmten Massen, weil wir sie für eine „vitale Kraft“ halten als Forderungen der Arbeiter*innenklasse. Aber was uns von reformistischen Strömungen unterscheidet und auch von einigen, die sich antikapitalistisch nennen, ist, dass wir sie zusammen mit Übergangsforderungen erheben, wie zum Beispiel dem Mindestlohn gleich der Lebenskosten, eine Bindung der Gehälter an die Preisentwicklung; der Verteidigung der Aufteilung der Arbeitszeit, der Aufrechterhaltung der sozialen Grundversorgung, die Rekommunalisierung unter Arbeiter*innenkontrolle und die Enteignung unter Arbeiter*innen- und Nutzer*innenkontrolle.

Eine ähnliche Verbindung stellt die Forderung nach dem Ende der Prekarität dar, die im Moment keinen punktuellen Angriff auf eine einzelne Errungenschaft bedeutet. Stattdessen fußt sie auf der Neukonfiguration der Grundlagen des spanischen Kapitalismus in den letzten drei Jahrzehnten, nachdem das Kräfteverhältnis neu definiert wurde, zunächst am Ende der Diktatur von Franco und der Transititon [Übergangsphase von der Zeit des Franco-Regimes zur parlamentarischen Monarchie, A.d.Ü.] und später mit der neoliberalen Offensive der nachfolgenden Regierungen von PSOE und PP.

Mit der Erhebung von Übergangsforderungen der Verstaatlichung der wichtigsten strategischen Unternehmen verteidigen wir die Arbeiter*innenkontrolle im Unterschied zu denen, die Forderungen dieser Art in einem bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Sinne vertreten, wie Izquierda Unida oder Podemos.

In Angesicht der Krise des Regimes von 1978 und der „Abnutzung“ der bürgerlichen Demokratie und ihres Parteiensystems, halten wir radikaldemokratische Forderungen, wie beispielsweise die Verfassungsgebende Versammlung, sowie demokratische Forderungen allgemein für besonders wichtig. Aber wir tun das nicht, weil wir der Meinung sind, dass die „Demokratie entführt wurde“, wie die 15M-Bewegung sagte oder, dass sich die kapitalistische Demokratie „erneuern“ ließe, wie es Podemos sagt. Diese Forderungen sind stattdessen für uns ein Werkzeug, um die bürgerliche Hegemonie in Frage zu stellen und um diese für die Arbeiter*innenklasse zu erkämpfen, genauso wie wir gleichzeitig gegen die Illusionen in die kapitalistische Demokratie ankämpfen. Deswegen verbinden wir den Kampf um eine Verfassungsgebende Versammlung mit der Entwicklung einer Einheitsfront und mit Organen sowjetischen Typs, um gegen den kapitalistischen Staat zu kämpfen. In diesem Sinne erachten wir das radikal-demokratische Programm als Mittel, mit dem Revolutionär*innen heute in der Defensive kämpfen können, um Kräfte für die Offensive zu sammeln.

Ebenso erheben wir demokratische Übergangsforderungen, wie zum Beispiel, dass alle politischen Amtsträger*innen nicht mehr verdienen als ein*e Industriearbeiter*in oder ein*e Lehrer*in. Unserer Meinung nach hat diese Art von Forderungen einen demokratischen Übergangscharakter und nicht nur einen radikal-demokratischen Charakter, weil der Apparat des bürgerlichen Staates nicht ohne einen privilegierten Sektor fortbestehen kann, der die Interessen der Kapitalist*innen ausdrückt. Dies geht daher weiter als der Lohn, den diese*r oder jene politische Mandatstragende individuell erhält.

Die strategische Nützlichkeit dieser Formulierung ist, dass sie uns erlaubt, eine Brücke zu schlagen zwischen dem reformistischen Bewusstsein der Arbeiter*innenmassen und der Vorbereitung der Bedingungen für die Offensive, das heißt, dem Kampf für eine Arbeiter*innenregierung. Und diese Artikulation ist der Schüssel, weil viele der Forderungen, die wir in unserem Programm verteidigen, in isolierter Form einen bloß demokratischen und reformistischen Charakter haben, oder im Gegenteil sehr revolutionär erscheinen, aber in abstrakter Form die schlimmste Art der sektiererischen Enthaltung ausdrücken können.

Das können wir auch dauernd in der Trennung zwischen dem gewerkschaftlichen und dem politischen Kampf beobachten, die einige linke Strömungen für gewöhnlich machen, darunter auch solche die den Anspruch erheben revolutionär oder auch explizit trotzkistisch zu sein. Das heißt, eine Trennung zwischen irgendeinem Teilkampf und einem grundlegenden Programm, das die kapitalistische Herrschaft in Frage stellt.

Das allgemeine Verständnis, welches in der Linken existiert, und durch das Regime und die Gewerkschaftsbürokratie aufgezwungen ist, aber auch durch den größten Teil des „kämpferischen Syndikalismus“ vertreten wird, ist es, sich an die gewerkschaftlichen, politischen und jeglichen weiteren Kämpfe anzupassen. Diese beschränken sich auf ihre konkreten Forderungen, selbst dann wenn sie der kämpferischste Flügel einer solchen Bewegung sind. Das sehen wir zum Beispiel in vielen Debatten, die beim „Marsch der Würde“ [Seit den 15-M-Protesten jährlich stattfindende Demonstration in Madrid, zu der aus dem ganzen Staat mobilisiert wird, A.d.Ü] zwischen verschiedenen Tendenzen und politischen Strömungen stattfinden.

Auch uns kann es passieren, dass wir uns an dieses allgemeine Verständnis anpassen, wenn wir zum Beispiel sagen, dass wir grundlegende Fragen nur für sehr wenige Menschen aufwerfen (also in propagandistischer Form), also den politischen Kampf vermeiden. Aber auch wenn wir den antikapitalistischen und revolutionären Inhalt unseres Programms verwässern, indem wir uns der gewerkschaftlichen Routine (Syndikalismus) oder den Bewegungen, an denen wir teilnehmen (feministische Bewegung, Studierendenbewegung, usw.) anpassen.

Wenn wir nicht die größte Anstrengung betreiben, politische Forderungen zu erheben, die eine Brücke zwischen dem aktuellen Bewusstsein und der Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung schlagen, werden wir entweder dazu beitragen, dass sich die Rechte stabilisiert oder dass Demogag*innen des Neoreformismus von Podemos gestärkt werden.

Um dem entgegenzuwirken, haben wir eine Reihe von politischen Orientierungsmitteln beschlossen. Aber das Zentrale ist es, das Programm auf eine konkrete Weise auszudrücken und zu definieren, was die wesentlichen Forderungen für die Agitation in jedem Moment sind. Dabei müssen wir stets zugleich eine Verbindung dieser Forderungen mit unserem Programm und unserer strategischen Perspektive herstellen.

Die „Übergangslogik“ des Programms und ihr Ausdruck in der aktuellen Situation

Die verschiedenen Forderungen des Programms bilden ein System, das danach strebt, eine Brücke zu bauen, um – wie es im Übergangsprogramm heißt – „den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven Bedingungen der Revolution und dem Fehlen der Reife des Proletariats und seiner Avantgarde zu überwinden.“

Was wir uns fragen müssen, ist, wie wir diese „Logik“ des Übergangsprogramm in der aktuellen Situation ausdrücken können. Von einer „objektiven“ Sicht stehen wir vor wichtigen Tendenzen einer „organischen Krise“ und der Polarisierung auf weltweitem Niveau. Die neuen Phänomene des Klassenkampfes weisen auf eine neue Etappe von verschärften Klassenauseinandersetzungen hin, aber genau können wir die Zeiten nicht vorhersehen. Dieselbe Situation erleben wir im Spanischen Staat, wo die Krise des Regimes aufgehalten und wo der Fortschritt des Klassenkampfes durch die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie und des Neoreformismus fehlgeleitet wurde.

Aus einer subjektiven Sicht, angesichts einer brutalen Krise des Regimes und harten Angriffen auf die Lebensbedingungen der Massen, vertraut die Arbeiter*innenklasse weiterhin mehrheitlich bürgerlichen oder kleinbürgerlich-reformistischen Führungen. Deshalb haben sich die Angriffe der letzten Jahre ereignet. Weil sich unsere Klasse in einer Konfrontation mit dem Kapital und seinen durch den Feind geleiteten politischen Repräsentant*innen (Parteien und Gewerkschaftsbürokrat*innen) befunden hat. Dies ist so, weil unsere Klasse noch keine eigene politische Organisation für diesen Kampf erobert hat. Aber die Grundlagen, die Anlass für den Ausbruch der 15M-Bewegung und zwei Generalstreiks boten, bleiben weiter gültig und jetzt beginnt eine relative Neuaufstellung des Klassenkampfs.

In diesem Rahmen ist der Bruch von weiten Sektoren mit der PP und der PSOE bemerkenswert. Das ist ein weltweites Phänomen. Wir sehen, wie die Menschen die traditionellen Parteien oder Repräsentant*innen und ihre Zukunftsprojekte verlassen und versuchen, etwas Neues aufzubauen. Aber aus diesem Prozess entstehen neue neoreformistische Phänomene, die einen Faktor der Eindämmung und Ableitung der Erfahrung von Massensektoren mit den wichtigsten kapitalistischen Parteien bedeuten.

Trotz ihrer Stärke im Überbau (Podemos konnte 70 Abgeordnete in zwei Jahren gewinnen) sind diese Phänomene strukturell sehr schwach, sie haben keine kämpferische Basis und sie haben vor allem keine organische Verbindung zur Arbeiter*innenklasse. Das erklärt zum Teil, dass es schon nach kurzer Zeit Sektoren gibt, die Erfahrungen mit dem Neoreformismus machen, vor allem dort, wo er Regierungsverantwortungen wie in den Gemeinden hat. Obwohl es nur winzige Prozesse der Kritik und manchmal des Bruches sind, eröffnet diese Dynamik viele Möglichkeiten, damit Revolutionär*innen ihr Programm verbreiten können.

Wir müssen uns daher auch die Frage stellen, wie die CRT mit ihrem Programm zur Neuzusammensetzung der Subjektivität der Arbeiter*innenklasse in der jetzigen Situation beitragen kann. Denn das Programm ist nicht nur für die Propaganda gemacht oder um neue Genoss*innen zu gewinnen, die wissen, wofür die CRT kämpft und sich in unsere Reihen einfügen. Das alles ist gut, aber unser Programm, Mittel der Agitation, unsere Artikel auf Izquierda Diario, der politische Kampf, die konkrete Intervention im Klassenkampf, in die Frauenbewegung, in die Studierendenbewegung, all das muss dazu beitragen eine Brücke zu bilden zwischen aktuellen Forderungen der Arbeiter*innenbewegung und der Notwendigkeit einer „politischen Alternative der Arbeiter*innen“. Es hilft uns auch, die dringende Notwendigkeit anzuerkennen, die eigenen Organisationen aus den Händen der Gewerkschaftsbürokratien zurückzugewinnen. Wir müssen zugleich die Illusionen in die bürgerliche Demokratie bekämpfen, ihre Institutionen und ihre Vertreter*innen, sei es von links oder von rechts. Das bedeutet zu erkennen, wer die „Feinde des Volkes“ sind, wie Lenin sagte, und ihnen eine proletarische und sozialistische Strategie entgegenzustellen. Und in letzter Instanz muss es dazu dienen, die Idee des Fehlens einer großen linken Partei populär zu machen, aber nicht im Sinne von Podemos oder Izquierda Unida, sondern einer revolutionären und antikapitalistischen Partei der Arbeiter*innenklasse.

Das Verhältnis zwischen dem Programm und unserem strategischem Ziel: der Kommunismus

Ich habe vor einigen Tagen ein Interview mit Nick Srnicek gelesen, einem kanadischen reformistischen Intellektuellen, der zusammen mit einem anderen Intellektuellen, Alex Williams, das Buch „Die Zukunft erfinden. Postkapitalismus und eine Welt ohne Arbeit“ geschrieben hat. Sie sagen, dass 3,2 Milliarden Menschen auf der Welt arbeiten müssen, um ihr Leben finanzieren zu können. Und um das bewerkstelligen zu können, müssen sie auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren, was dazu führt, dass die Löhne sinken und die Besitzer*innen von Kapital und der Produktionsmittel (1 Prozent der Bevölkerung welche 50 Prozent des Reichtums besitzen) immer mehr an Macht gewinnen. Diese objektiven Daten sind an sich schon beeindruckend. Aber das Interessante ist, dass ausgehend vom herrschenden Diskurs über die Automatisierung der Arbeit, die Arbeitsplätze bedrohen würde, von Kassierer*innen über Lastwagenfahrer*innen bis hin zu Buchhalter*innen, wir auch folgendes feststellen können: „Wir haben die Technologie, um in einer Gesellschaft ohne Arbeit zu leben.“ Das heißt, dass durch die Technologisierung, heutzutage die klassische Forderung der Reduzierung der Arbeitszeit mehr als je zuvor möglich ist.

Das Problem ist, dass in dem Moment, in dem diese Intellektuellen, wie viele andere auch, ein Programm ausrufen, das die Fortschritte der Technologie ausnutzt und demokratisiert, sie diese Perspektive der „Nicht-Arbeit“ mit einem reformistischen und in letzter Instanz reaktionären Programm verbinden: das Bedingungslose Grundeinkommen. In unserem Programmprojekt treten wir gegen das Bedingungslose Grundeinkommen ein, weil wir denken, dass es ohne die sozialen Produktions- und Eigentumsbedingungen umzuwerfen, also den Kapitalismus aufzuheben, eine unmögliche Perspektive ist.

Diese verschiedenen Projekte, auch wenn es sie in unterschiedlichen Varianten gibt, basieren alle auf einer falschen Annahme, die die Arbeiter*innenklasse in eine strategische Sackgasse führt. Alle gehen davon aus, dass „die Vollbeschäftigung etwas Unmögliches ist“, weil es klar ist, dass ohne das System der Aneignung des gesellschaftlichen Wertes zu verändern, die Kapitalist*innen diese in keiner Weise akzeptieren werden. Sie verzichten auf jeglichen Anspruch, die Arbeitszeit zu verkürzen.

Unsere strategische Perspektive ist dem entgegengesetzt. Für uns führt der Weg hin zur „Nicht-Arbeit“, also die Lohnsklaverei zu beenden, einzig über die Ausweitung und Verallgemeinerung der Arbeit. Deshalb erheben wir die Forderung der Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle Schultern, ohne Lohnkürzung. Das ist eine Übergangsforderung par Excellence, weil der Kampf für eine Verringerung der Arbeitszeit, gegen die Arbeitslosigkeit, die Prekarität eine grundlegende Forderung der weiten Mehrheit der Arbeiter*innenklasse in der Welt betrifft. Und wenn sie sich bereit machen würde dafür zu kämpfen, wie es die Arbeiter*innenklasse seit dem Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Banner des Acht-Stunden-Tags gemacht hat, ist der einzige Weg dies zu erreichen, sich der Macht der Kapitalist*innen entgegenzustellen und sie zu besiegen.

Deshalb wollen wir erneut erklären, dass unser Programm darin besteht eine Partei aufzubauen, die beabsichtigt, die modernen Sklav*innen, also die Lohnabhängigen, zu befreien, der Ausbeutungsgesellschaft ein Ende zu bereiten, in unserem Kampf die Arbeiter*innenregierung unter der Selbstverwaltung der Arbeitenden und Unterdrückten zu erobern, um zum Kommunismus voran zu schreiten.

Wir wollen weder den Kapitalismus reformieren noch die Lohnsklaverei ein bisschen erträglicher gestalten. Wir wollen sie beenden, nur so wird es möglich sein, Armut, Unterdrückung, die Zerstörung des Planeten, Kriege und alle Formen der menschlichen Barbarei zu beenden.

Diese Fundamente unserer strategischen Perspektive und der Militanz der CRT, die der Mehrheit unserer „alten“ Mitglieder schon bekannt sind, verlieren sich oft in der taktischen Routine, der Interventionen in den Bewegungen und dem Tagesgeschäft. Deshalb wollen wir sie wieder hervorheben – sowohl für die aktuellen Aktivist*innen aber auch für die Genoss*innen, die bald unserer jungen Organisation beitreten werden.

Denn, wie Trotzki in einer Rede wenige Tage nach der Gründung der Vierten Internationale sagt: „Wir sind keine Partei wie andere Parteien. Unser Ehrgeiz besteht nicht allein darin, mehr Mitglieder, mehr Papiere, mehr Geld in den Kassen, mehr Abgeordnete zu haben. All dies ist notwendig, doch nur als Mittel. Unser Ziel ist die vollständige materielle und geistige Befreiung der Arbeiter und Ausgebeuteten durch die sozialistische Revolution. Niemand außer uns wird sie vorbereiten und leiten. Die alten Internationalen […] sind völlig verfault. Die großen Ereignisse, die über die Menschheit hinweggehen, werden von diesen Organisationen nicht einen Stein auf dem anderen belassen. Nur die Vierte Internationale schaut mit Zuversicht in die Zukunft. Sie ist die Weltpartei der sozialistischen Revolution! Niemals gab es auf Erden eine bedeutendere Aufgabe. Auf jedem von uns lastet eine gewaltige historische Verantwortung.

Unsere Partei erfordert jeden von uns voll und ganz. Lasst die Philister ihrer eigenen Individualität im luftleeren Raum nachjagen. Für einen Revolutionär kann nur die völlige Hingabe an die Partei seine Selbstverwirklichung bedeuten. Ja, unsere Partei nimmt jeden von uns völlig in Anspruch. Aber die Belohnung wird für jeden von uns das größte Glück sein: das Bewusstsein, an dem Aufbau einer besseren Zukunft mitgewirkt zu haben, dass man ein kleines Partikelchen des Schicksals der Menschheit auf seinen Schultern trägt, und dass das Leben, das man lebte, nicht nutzlos war.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch auf LaIzquierdaDiario.es

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