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„Über ‚Refugees Welcome!‘ hinausgehen“

17.12.2015, Lesezeit 4 Min.
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Am morgigen Freitag streiken Schüler*innen in Hamburg für die Rechte von Flüchtlingen. Dabei soll die soziale Frage im Mittelpunkt stehen. Ein Interview mit Torben Böhm, Student an der Uni Hamburg, der im Schülerbündnis für Bleiberecht aktiv ist.

Am heutigen Freitag ruft Ihr zum Schulstreik auf. Was wollt Ihr damit erreichen?

Wir mobilisieren unter verschiedenen Mottos: „Wohnen statt Waffen“, „Kitas statt Krieg“ und „Ausbildungsplätze statt Ausländerhetze“. Damit wollen wir einen Bogen zu den Flucht­ursachen schlagen. Unter Jugendlichen gibt es eine Solidaritätswelle für Flüchtlinge. Unser Ziel ist es, diese auf die Straße zu bringen und politischen Druck zu erzeugen, da Rassismus in dieser Zeit genauso zunimmt wie staatliche Repression gegen Geflüchtete.

Die Kämpfe der Flüchtlinge um Bleiberecht wollen wir mit Bewegungen für gute Arbeit, gute Bildung und bezahlbaren Wohnraum für alle verbinden. Es soll über „Refugees Welcome!“ hinausgehen. Medien und Politik versuchen, ärmere Schichten gegen Flüchtlinge auszuspielen. Deswegen ist die Verbindung mit der sozialen Frage gerade jetzt so wichtig.

Es sei nicht genug für alle da, behaupten sie. Doch das Geld, das uns und den Flüchtlingen fehlt, liegt auf den Konten der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Diese Schicht verdient auch an jedem Krieg.

Wie reagieren die Schüler*innen auf Eure Flyer?

Bis jetzt war das Feedback sehr positiv. In letzter Zeit gab es mehrere Aktionen in der Stadt zu den Themen Krieg, Flucht, Rassismus und Migration. Tausende nahmen im November an der „Never Mind The Papers“-Demonstration teil. Als Neonazis im September nach Hamburg mobilisierten, waren 20.000 Menschen auf der Straße, um sich den Faschist*innen in den Weg zu stellen.

Das Potential für antirassistische Mobilisierung bleibt in Hamburg hoch. So unterstützt auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unsere Demo, was wir sehr begrüßen.

Hamburgs sozialdemokratische Regierung profilierte sich in den vergangenen Jahren mit einer harten Hand gegen Geflüchtete. Wie ist das, seit im April der neue Senat gewählt wurde?

Daran hat sich nicht viel verändert – nur, dass die Grünen jetzt auch dabei sind. Im November wurden knapp 500 Menschen aus Hamburg abgeschoben. Hunderte weitere folgten der Aufforderung nach „freiwilliger Ausreise“. Viele haben Angst vor den Repressionen. Abschiebungen werden in Hamburg weiterhin nicht angekündigt, so werden Familien teilweise mitten in der Nacht aus ihren Häusern gejagt. Gerade viele Sinti und Roma sind von solchen Methoden betroffen, da die Balkanstaaten zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt wurden.

Der Senat versagt völlig, was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht. Hunderte sind trotz Winter in Zeltunterkünften. Der Zugang zu Bildung ist bürokratisiert und daher faktisch unmöglich – Deutschkurse werden kaum angeboten. Wie überall ruht sich der Staat hier auf den Schultern von Millionen freiwilligen Helfer*innen aus.

Die Hansestadt hatte eine sehr starke, kämpferische Flüchtlingsbewegung. Existiert diese noch?

Die Bewegung war vor allem 2013/14 stark, als die „Lampedusa-Gruppe“ öffentlichkeitswirksam auf ihre Situation aufmerksam machte. Unser „Schülerbündnis für Bleiberecht“ hat im Dezember 2013 einen Schulstreik mit 3.500 Teilnehmer*innen organisiert. Die Bewegung ist nun kleiner geworden, aber das Potential ist weiterhin hoch.

Warum demonstriert Ihr am Tag vor den Weihnachtsferien? Werden nicht alle mit Geschenken beschäftigt sein?

Es gibt genug Schüler*innen, die eine Demonstration für Bleiberecht an einem Freitag wichtiger finden, als Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Der 18. Dezember ist der bundesweite Aktionstag der Kampagne „Wohnen. Bleiben. Fluchtursachen bekämpfen!“ von der Revolutionären Linken in der Linksjugend Solid. In verschiedenen Orten wird es am Freitag Aktionen geben. Da viele am Mittwoch und Donnerstag noch Klausuren schreiben, ist das Datum als Aktionstag gut gewählt.

Ihr ruft nicht wörtlich zum „Streik“ auf, sondern zu einer Demonstration während der Schulzeit. Woran liegt das?

Es ist kein richtiger Schulstreik, da der Unterricht für viele um elf Uhr endet. Daher haben wir es „Schülerdemo“ genannt, auch wenn es Schulen und Hochschulen gibt, die dann noch Unterricht haben. Die GEW, die die Demo unterstützt, ruft die Schulen, in denen erst später Schluss ist, dazu auf, die Demonstration als „praktischen Unterricht“ zu verstehen.

Schülerdemo für Bleiberecht: Freitag, 18.Dezember, 12 Uhr, Hauptbahnhof, Steintordamm, Hamburg.

dieses Interview in der jungen Welt

Foto: Demofotografie HH

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