Trans Day of Remembrance: Für queere Befreiung kämpfen!

19.11.2023, Lesezeit 6 Min.
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Bild: KGK

Morgen ist der Trans Day of Remembrance, gleichzeitig streiken studentische Beschäftigte und die Beschäftigten im Tarifvertrag der Länder. Ein Anlass um über die Situation von Trans-Personen in der Arbeitswelt und über die möglichen Allianzen von queeren Personen mit der Arbeiter:innenklasse nachzudenken.

Der Transgender Day of Remembrance (TDoR) findet jährlich am 20. November statt, um an die Opfer von transfeindlicher Gewalt zu gedenken. Anlass für diesen Tag war die Ermordung der schwarzen Trans-Frau Rita Hester im Jahr 1998. Ein Mordfall, wie viele weitere; unaufgeklärt und von den Medien verschwiegen. Noch immer werden Trans-Personen besonders häufig ermordet, zuletzt war es etwa Malte C., der beim CSD in Münster ermordet wurde. Der heutige Tag dient dazu, zu erinnern und zu trauern, aber eben auch zu kämpfen. Es ist eine Kette der Gewalt, mit der Trans-Personen konfrontiert sind. Es ist alltägliche Diskriminierung, die oft verbal oder nonverbal passiert. Es ist eine ökonomische Benachteiligung, die wiederum das Risiko Gewalt zu erfahren, erhöht. Das Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung ist letztlich eine Farce, auch wenn es juristische Fortschritte gibt, stehen queere Personen gerade im Zuge des Aufstiegs der Rechten einer besonderen Zunahme von Gewalt und Hetze entgegen. Auch wenn sich die rechtliche Situation temporär verbessert hat, werden queere Personen weiterhin stärker ausgebeutet.

In einer Studie des National Center for Transgender Equality in den USA stellte sich heraus, dass 28 Prozent der schwarzen Trans-Frauen arbeitslos waren, bei weißen Trans-Frauen waren es 12 Prozent im Vergleich zu 7 Prozent in der Gesamtbevölkerung. Viermal so viele Trans-Personen leben laut der Umfrage in extremer Armut! Ebenso ist der Anteil der Trans-Personen, die ihr Geld durch illegale Arbeit oder Prostitution erwerben, deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung, da diese Jobs oftmals die einzige Möglichkeit darstellen, das Überleben zu sichern.

Für queere Personen ist die Arbeitssituation schon immer schwer gewesen. Seit jeher sind ihnen insbesondere bestimmte Nischen vorbehalten. Ein historisches und prägnantes Beispiel dafür waren die Passagierschiffe der 1930er Jahre, auf denen männlich sozialisierte Arbeiter:innen Arbeiten verrichteten, die sonst gesellschaftlich feminisiert waren. Auf den meisten Schiffen wurden diese gering geschätzten Tätigkeiten von nicht weißen Arbeiter:innen verrichtet. Auf einigen besonders rassistischen Linien durften jedoch nur weiße Arbeiter arbeiten. Allerdings gab es nur wenige weiße Männer, welche die typisch weiblichen Tätigkeiten verrichten wollten. Das führte dazu, dass insbesondere “geschlechtlich nicht konforme” Personen in dieser Industrie fußfassten und die Arbeit bereits gesellschaftlich in gewisser Weise als “queer” betrachtet wurde.

Diese Stewards fanden Solidarität und Unterstützung unter anderen Queens,
Sie integrierten Drag-Partys, Homoerotik und bald auch die Verteidigung der
Rechte von Homosexuellen in ihr Arbeitsleben. In den 1930er Jahren kam es zu Kämpfen am Arbeitsplatz, die Arbeiter:innen auf den Ozeandampfern gründeten die Marine Cooks and Stewards Union, die diese feminisierten schwarzen Männer, chinesischen Männer und weiße schwulen Männer zu einer mit der Kommunistischen Partei verbündeten militanten Gewerkschaft machten. Diese militanten Arbeiter:innen organisierten sich unter dem Slogan: ‚No Race-Baiting, Red-Baiting, or Queer-Baiting!1

Auch heutzutage gibt es diese Beispiele. Ein Beispiel einer Fabrik in Argentinien zeigt uns, dass die Arbeiter:innen, wenn sie für gleiche Rechte für alle eintreten, auch für ihre eigenen Interessen kämpfen. Die Donnelley-Fabrik nördlich von Buenos Aires wurde im August 2014 unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht. Das US-amerikanische Unternehmen Donnelley wurde enteignet und die Fabrik in eine Genossenschaft namens Madygraf umgewandelt, nachdem die Arbeiter:innen einen erfolgreichen Kampf gegen die Entlassung eines knappen Drittels der Belegschaft führten. Ein wichtiger Schritt in der Organisation der Beschäftigten war der Kampf für die Rechte einer Trans-Kollegin.

In seinem Artikel für Left Voice schreibt Nathaniel Flakin darüber:

Die Chefs verfolgten eine sexistische Politik, indem sie nur Männer für die Arbeit an den Druckpressen einstellten. Eine Mitarbeiterin war eine trans Frau und hatte die Stelle nur bekommen, weil sie Männerkleidung trug – ein Zeichen für die wirtschaftliche Verzweiflung, die trans Menschen dazu zwingt, zwischen einem Einkommen, das zum Überleben reicht, und der Möglichkeit, ihre Identität auszudrücken, zu wählen. Als sie zum ersten Mal in normaler Kleidung zur Arbeit kam, hatten die Chefs etwas dagegen. Sie versuchten, sie daran zu hindern, die Damentoilette zu benutzen (die den Angestellten vorbehalten war), und zwangen sie, sich mit den Männern umzuziehen. […] Der Betriebsrat trat in Aktion und argumentierte gegen Queerfeindlichkeit in einer Versammlung, die dafür stimmte, das Recht ihrer Kollegin zu unterstützen, ihre Geschlechtsidentität auszudrücken. Da es bei Donnelley keine Umkleideräume oder Toiletten für Frauen gab, forderte der Betriebsrat, dass diese eingerichtet werden. Außerdem forderten sie, dass die transgender Mitarbeiterin die Damentoilette benutzen darf.

Anhand dieser Beispiele können wir sehen, dass es offensichtlicherweise ein gemeinsames Interesse zwischen Arbeiter:innen und Unterdrückten gibt. Trans Personen haben genauso wenig ein Interesse an dem Kaputtsparen des Gesundheitssystems, in dem sie ohnehin benachteiligt sind, wie die Beschäftigten, die in diesem arbeiten. Streiks und Kämpfe gegen das profitorientierte Gesundheitswesen können damit auch Kämpfe für die Rechte und die Versorgung von Trans-Patient:inen sein.

Lasst uns dieses Potential als eine Inspiration nehmen für den diesjährigen TDoR und die Streiks in den kommenden Wochen. Als Klasse Gegen Klasse beteiligen wir uns an den Kämpfen von Arbeiter:innen und denen gegen Unterdrückung und probieren sie miteinander zu verbinden. In den Streiks an der Uni fordern wir etwa ein Ende von Outsourcing, was besonders stark migrantische und weibliche Teile der Belegschaften trifft. Wir kämpfen im Rahmen von TV-Stud auch für ein Ende der sexistischen Strukturen in Forschung und Lehre. Genauso unterstützen wir die streikenden Erzieher:innen, die für höhere und gleiche Löhne in einem besonders stark feminisierten Sektor kämpfen. Die Diskriminierung von Trans-Personen am Arbeitsplatz ist Alltag, nur wenn wir uns organisieren können wir ihr, genau wie der Ausbeutung, Gewalt und jeglicher Unterdrückung ein Ende setzen.

Fußnoten

1. Übersetzung aus O’Brien, Michelle: Employment Trajecotries, Labour Discipline and Gender Freedom. In: Transgender Marxism: Jules Johanne Gleeson/Elle O’Rourke (Hrsg.), Pluto Press, London 2021, S. 47-62.

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