Textil-Abschluss: Die Bosse atmen auf – was bleibt für die Beschäftigten?

18.02.2021, Lesezeit 2 Min.
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Warnstreik bei Ideal in Neuburg/Bayern. Foto: IG Metall

Die Verhandlungsführung der IG Metall ist zufrieden mit dem Tarifabschluss in der Textilindustrie. Doch es wäre mehr drin gewesen, wenn sie gemeinsame Streiks mit der Metallindustrie gewagt hätte.

Am Dienstagmorgen verkündeten die Verhandlungsführer:innen der IG Metall und der Arbeitgeberverbände einen Tarifabschluss für die 100.000 Beschäftigten in der westdeutschen Bekleidungs- und Textilindustrie. Die Löhne sollen im Februar 2022 um 1,3 Prozent steigen, im Oktober 2022 um weitere 1,4 Prozent. Hinzu kommt dieses Jahr eine Einmalzahlung in Höhe von 325 Euro, zudem eine Verbesserung von Urlaubsgeldern und Altersteilzeit.

Manfred Menningen von der IG Metall meinte dazu: „Die Beschäftigten haben in der Coronakrise unter enormen Belastungen großartige Arbeit geleistet. Dieser Abschluss ist eine Anerkennung für diesen Einsatz.“ Tatsächlich hebt sich die Lohnerhöhung kaum von der Inflationsrate ab. Insbesondere liefert der Tarifabschluss keine Antwort auf die drängende Frage des Arbeitsplatzabbaus. 2020 gingen fast 10.000 Jobs in der Branche verloren. Der Umsatz brach im vergangenen Jahr dem Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie zufolge im Schnitt um circa elf Prozent ein.

Während für die Beschäftigten die Zukunft ungewiss bleibt und die Löhne stagnieren, gewinnen die Kapitalist:innen durch den Tarifabschluss Planungssicherheit. Markus Simon, Verhandlungsführer der Kapitalverbände kommentierte entsprechend: „Mitten in der Krise ist dies ein Abschluss der Vernunft und der Perspektive. Den wirtschaftlichen Prognosen trägt der Abschluss Rechnung und bringt Planungssicherheit und Perspektive für die nächsten 25 Monate.“

Durch den schnellen Abschluss verspielt die IG-Metall-Führung die Chance, eine gemeinsame Kampfperspektive von Textil- und Bekleidungsindustrie mit anderen Sektoren aufzuwerfen. Die Branche spielt eine wichtige Rolle etwa als Zulieferer für die Autoindustrie für Bezüge von Autositzen. Zudem ist die Bekleidungsindustrie eng mit dem Einzelhandel verbunden.

Im März endet die Friedenspflicht für die 1,8 Millionen Beschäftigten im Metall-Tarifvertrag. Dann starten auch die Tarifverhandlungen für 3,5 Millionen Beschäftigte im Groß-, Außen- und Einzelhandel. In den kommenden Monaten könnten also hunderttausende Arbeiter:innen in den Streik treten.

Dies hätte eine Möglichkeit für die Textil-Beschäftigten zu gemeinsamen Kämpfen und einem wesentlich besseren Abschluss geboten. Zumal die Krise ähnliche Antworten der verschiedenen Branchen erfordert: Einen Kampf gegen jeden Arbeitsplatzabbau, Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie eine Verstaatlichung schließender Betriebe unter Kontrolle der Arbeiter:innen.

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