Syriza, Podemos, Frauenbefreiung

12.03.2015, Lesezeit 8 Min.
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// NEOREFORMISMUS: Die griechische Regierungspartei Syriza wird dafür kritisiert, dass sich keine Frauen in ihrem Kabinett befinden. Podemos aus dem Spanischen Staat erhält ebenfalls zahlreiche Kritiken von FeministInnen.Warum hat die „Frauenfrage“ eine grundlegende Bedeutung für den revolutionären Marxismus? //

Nach ihrem Wahlsieg präsentierte Syriza eine Liste von Namen für das von Alexis Tsipras angeführte Kabinett. Ein Skandal brach aus. Nicht nur wegen der Koalition mit der rechtsnationalistischen ANEL (Unabhängige Griechen), deren Diskurs gegen die „Hilfsprogramme“ und die Troika mit einer konservativen, rassistischen, antisemitischen, nationalistischen, homophoben und die orthodoxe Kirche verteidigenden Ideologie getränkt ist. Sondern auch, weil alle Ministerien von Männern besetzt wurden.

Eine kritische Stimme dazu kam von Podemos aus dem Spanischen Staat – eine Organisation, die sich als „weder rechts noch links“ bezeichnet. Aber auch sie hat im vergangenen Jahr schon harte Kritiken von bekannten FeministInnen erhalten, weil ihre zentralen Figuren allesamt Männer sind und sie einige Unklarheiten bezüglich grundlegender Fragen der Rechte der Frauen gelassen hat.

Manche vergleichen den Sieg von Syriza, das Wachstum von Podemos und den Aufstieg der Front der Linken und ArbeiterInnen (FIT) bei den letzten Wahlen in Argentinien miteinander*. Doch es gibt substantielle Unterschiede zwischen diesen Gruppierungen. Die Wichtigkeit, die sie den Frauen und ihrem Kampf gegen die Unterdrückung zuschreiben, ist dabei nicht nebensächlich.

Die Parteien der FIT haben öffentlich bekannte Differenzen bezüglich des Programms und der politischen Strategie. Trotz dieser Unterschiede baut sich ihre Einheit rund um die Verteidigung der politischen Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse und eines Programms auf, das die zentralen Forderungen der ArbeiterInnenklasse und aller ausgebeuteten und unterdrückten Sektoren sowie den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung beinhaltet.

Deswegen sind die grundlegenden demokratischen Forderungen der Frauen und eine Politik gegen den Heterosexismus Teil dieses Programms. Das schlägt sich auch in den Wahlkampagnen der KandidatInnen nieder, die in Wahlspots und auf Plakaten ihre Kämpfe vertreten.

Frauenhass in linkem Gewand?

Die meisten Strömungen, die sich als links bezeichnen, haben in den letzten Jahren die Forderungen der Frauen- und LGBTI-Bewegung in ihr Programm eingebaut – aber nur für die Wahlen. Diese Tatsache verursacht ständige Krisen unter ihren AnhängerInnen, die den Widerspruch zwischen den öffentlichen Reden und der Praxis dieser Gruppierungen erleben. Entweder, weil die Anführer am Ende doch immer Männer sind, weil sich frauenfeindliche Verhaltensweisen in ihren Strukturen reproduzieren oder weil sich ihre Prioritäten plötzlich verschieben, wenn es um Machterwerb und öffentliche Präsenz geht.

Seit Kürzerem haben diese sich als links bezeichnenden Parteien die „Geschlechtergleichheit“ und den „Respekt gegenüber der Vielfalt“ integriert. Das ist aber weit entfernt vom Kampf gegen die Unterdrückung, der innerhalb des revolutionärem Marxismus Tradition ist.

Die Niederlage gegen die imperialistische Gegenoffensive (bekannt als Neoliberalismus) hat den Großteil der Linken geprägt: Sie hat ihre Strategie und ihr Programm an den minimalen Kampf um die Ausweitung von Rechten innerhalb der bürgerlichen Demokratie angepasst. Dazu haben wir geschrieben: „Während die herrschende Klasse sich gezwungen sah, diese Forderungen [der sozialen Bewegungen] zu integrieren, um einer Radikalisierung entgegenzuwirken und um breite Sektoren zu vereinnahmen und zu integrieren, sahen diese Strömungen der Linken in diesen Errungenschaften nicht Stützpunkte für den Kampf, sondern sie etablierten sie als Endziele. Ihr antikapitalistisches Programm tauschten sie ein gegen ein anti-neoliberales, das heißt, eines mit dem minimalen, defensiven Ziel, die perfidesten Angriffe der konservativen Restauration zu begrenzen.“

Auf der anderen Seite gibt es die Strömungen, die sich als links bezeichnen, aber die Kämpfe für die grundlegenden demokratischen Rechte der gesellschaftlich unterdrückten Sektoren unterbewerten. Sie tun so, als ob diese Kämpfe nur eine Angelegenheit der bürgerlichen Parteien oder der progressiven Mittelschichten wären und nicht der Gesamtheit der Ausgebeuteten. Diese sollten sich ihrer Meinung nach nur auf gewerkschaftliche Kämpfe beschränken.

Wir wollen Brot, aber auch Rosen

Der revolutionäre Sozialismus hat seine Wurzeln in der ArbeiterInnenklasse, der einzigen fortschrittlichen Klasse innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft. Er hat schon immer die frauenfeindlichen Vorurteile bekämpft, die von den patriarchalen Institutionen und den herrschenden Klassen gestreut werden, um die ausgebeuteten Klassen zu spalten. Diese Politik ist der reformistischen Anpassung an die verkommenen bürgerlichen Demokratien direkt entgegengesetzt. Genauso richtet sie sich gegen PopulistInnen, die sich – gestützt auf die Bauernschaft, die Mittelschicht, etc. – kleinbürgerlichen, rückwärtsgewandten und reaktionären Vorurteilen anpassen, mit denen die Kirche, die patriarchale Familie und andere Institutionen Millionen Menschen infizieren.

Im Gegensatz dazu betont der Marxismus in seinem Kampf gegen jede Willkür die Wichtigkeit des antikapitalistischen Kampfes der Gesamtheit aller Ausgebeuteten, und zwar für jede/n einzelne/n Unterdrückte/n, aus welcher Schicht oder Klasse sie/er auch kommen mag. Jeder Teilsieg im Kampf für demokratische Rechte ist lebenswichtig, wenn er für die Stärkung der Bewegung des radikalen Kampfes für die Befreiung eingesetzt wird. Gleichzeitig muss die ArbeiterInnenklasse – in der der Frauenanteil unter der Peitsche der Prekarisierung enorm gewachsen ist – lernen, sich jedes einzelnen Falls der Willkür und Unterdrückung in der Gesellschaft anzunehmen – „welche Klassen diese Fälle auch betreffen mögen“ (wie es Lenin schrieb).

Trotzkismus heute

Von diesem Gesichtspunkt aus nimmt die Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS), Teil der FIT, an den Kämpfen der ArbeiterInnenklasse teil, aber auch an der Bewegung der Frauen und der Jugend. Ihre Abgeordneten begleiteten diese Kämpfe sowohl auf der Straße als auch im nationalen Kongress und den Abgeordnetenhäusern der Provinzen von Buenos Aires und Mendoza.

Unser Ziel ist der Aufbau einer aktiven Kraft von Zehntausenden ArbeiterInnen und Jugendlichen, die in den Gewerkschaften und Studierendenzentren ein Gewicht bekommt und die Hunderttausende mobilisieren kann, um den Willen der herrschenden Klasse und ihren Unterdrückungsapparat zu brechen. Der Aufbau einer Politik gegen die Unterdrückung der Frauen innerhalb der ArbeiterInnenbewegung ist nicht nur deshalb grundlegend, weil es eine der Forderungen der unterdrücktesten Sektoren innerhalb der Ausgebeuteten (die arbeitenden Frauen) ist. Sondern diese Politik bekämpft auch den Syndikalismus und ist ein entscheidender Faktor im Prozess der Bildung von klassenkämpferischen Avantgardesektoren, die sich die demokratischen Forderungen zu eigen machen, deren Nichterfüllung durch den kapitalistischen Staat und sein Regime der Demokratie für die Reichen die Lebensbedingungen aller Frauen erschwert.

Deshalb treibt die PTS/FIT die Selbstorganisierung in Frauenkommissionen an den Arbeitsplätzen, in den Gewerkschaften, Betriebsgruppen oder Studierendenzentren voran. Mit dem Ziel, eine Frauenbewegung anzustoßen, die für ihre Befreiung kämpft. Dabei spielen die weiblichen Aktivistinnen eine herausragende Rolle im Aufbau der Gruppierung Pan y Rosas („Brot und Rosen“) gemeinsam mit Arbeiterinnen, Studentinnen und Hausfrauen, die mit unseren Ideen sympathisieren.

Aber der Kampf für die Frauenbefreiung und die Gesamtheit der Unterdrückten ist keine ausschließlich weibliche Aufgabe. Deshalb hebt sich die PTS durch ihre theoretische Ausarbeitung auf dem Gebiet des Feminismus und Marxismus für den ideologischen Kampf hervor. Sie hat in ihren Reihen zahlreiche politische Arbeiterinnen- und Studentinnenkader, marxistische Intellektuelle und anerkannte Kämpferinnen auf allen Gebieten. Auch Parlamentarierinnen sind auf einer Augenhöhe mit unseren männlichen Mitstreitern. Wir teilen ein gemeinsames Programm und eine revolutionäre Strategie für unser Endziel: den Kapitalismus zerstören und eine Gesellschaft aufbauen, die von allen Ketten der Ausbeutung und Unterdrückung befreit ist, die heute die große Mehrheit der Menschheit fesseln.

Notizen

aus IzquierdaDiario – 3. Februar 2015 – Übersetzung: Peter Robe

Andrea D’Atri ist Führungsfigur der PTS und der revolutionären Frauenorganisation Pan y Rosas.

*. Die FIT besteht aus der Partido de los Trabajadores Socialistas (PTS), der Partido Obrero (PO) und Izquierda Socialista (IS). Bei den Wahlen im Oktober 2013 erhielt sie 1,2 Millionen Stimmen. Siehe: Peter Robe: 1.200.000 Stimmen. In: Klasse Gegen Klasse Nr. 8.

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