Syrien zwischen Repression und Intervention

12.05.2012, Lesezeit 5 Min.
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Ein Jahr nach dem Beginn der Mobilisierungen gegen die Diktatur von Bashar al-Assad begann die syrische Armee mit einer brutalen Offensive gegen oppositionelle Städte. Währenddessen versuchen die imperialistischen Mächte und die reaktionären arabischen Monarchien weiter, die Situation zu ihren Gunsten zu manipulieren. Die pro-imperialistische Führung, die im Syrischen Nationalrat (SNC) vereint ist, agiert weiter als interner Agent dieser reaktionären Strategie. Die ArbeiterInnen und die Massen leiden nicht nur unter dem konterrevolutionären Angriff Assads, sondern auch unter der Drohung einer imperialistischen Invasion.

Das Assad-Regime hat eine brutale Repressionswelle losgetreten, um seine Herrschaft wieder zu festigen und seine Infragestellung durch wichtige Sektoren der Bevölkerung zu beenden, die seit einem Jahr in verschiedenen Städten protestieren – vor allem die sunnitische Bevölkerungsmehrheit – jedoch ohne die wichtigsten urbanen Zentren wie Damaskus oder Aleppo zu erreichen.

Assads Politik, jedes Fünkchen der Rebellion mit Gewalt zu unterdrücken, zeigt, dass er noch die Kontrolle über den Großteil der Streitkräfte und die Unterstützung der regierenden alevitischen Elite innehat. Mit dieser internen Basis versucht Assad, das Regime mit einer Mischung aus Repression und falschen Reformversprechen zu retten, wie die Verfassungsreform, die bei einem gefälschten Referendum Ende Februar gebilligt wurde, während die Armee die Stadt Homs bombardierte. Für den Fall, dass er sich nicht an der Macht halten kann, hofft Assad auf ein für ihn besseres Kräfteverhältnis, durch das er einen politischen Ausweg aushandeln kann, der ihm und seiner Familie Vorteile verschafft.

Wie wir in früheren Artikeln analysiert haben , steht das syrische Regime, im Gegensatz zu anderen pro-imperialistischen Diktaturen, die durch die Prozesse des arabischen Frühlings gestürzt wurden, im Widerspruch zu den USA und ist der wichtigste Verbündete des iranischen Regimes. Deswegen üben die USA, die Europäische Union, die reaktionären Monarchien des Golfes wie Katar und Saudi-Arabien und jetzt auch die Türkei, die von einem Verbündeten zu einem Gegner Assads wurde, durch wirtschaftliche Sanktionen und die Finanzierung von Oppositionsgruppen Druck aus, um einen „Regimewechsel“ zu erreichen, aber ohne eine direkte Militärintervention und mit dem „humanitären“ Deckmantel der Vereinten Nationen und dem Stempel der Arabischen Liga. Dafür können sie auf die Zusammenarbeit der pro-imperialistischen Führung der Opposition zählen, deren wichtigste Organisation (der SNC) geradezu nach einer ausländischen Intervention schreit, in der Form einer Flugverbotszone oder in der Form der Bewaffnung der oppositionellen Kräfte wie der Freien Syrischen Armee.

Auch wenn die Intervention in Libyen als Sieg für den Imperialismus galt, will die Obama-Regierung nicht vor den Wahlen in einen weiteren Krieg ziehen. Die Pläne für eine Intervention in Syrien verkomplizieren sich wegen der regionalen Situation, in der jede Aggression vom Iran beantwortet werden könnte. Dann droht ein regionaler Konflikt, der auch den Staat Israel einbeziehen könnte. An der internen Front ist der SNC kein wirklich überzeugender Verbündeter für die USA, die sich nicht sicher sind, ob dieser wirklich soziales Gewicht hat. Diese Spannungen haben sich schon beim Treffen der sogenannten „Freunde Syriens“ klar gezeigt, das in Tunesien abgehalten wurde und mit einem Fiasko endete, auf das später der Rücktritt prominenter Figuren folgte. Dazu kommt, dass der SNC bis jetzt keine Mitglieder der alevitischen oder kurdischen Minderheit einbinden konnte. Diese Ausschlüsse könnten für zukünftige Kämpfe um die Kontrolle sorgen, falls der SNC die Macht übernehmen sollte.

Doch diese Widersprüche bedeuten nicht, dass die imperialistischen Mächte ihre heuchlerische Politik aufgegeben hätten, sich als „Freunde des syrischen Volkes“ zu präsentieren, um die Situation in ihrem Interesse zu manipulieren.

Gegen die offizielle Darstellung, die von einer externen Verschwörung zur Destabilisierung des Regimes spricht, die beschämenderweise vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und populistischen Strömungen, die das Assad-Regime für „antiimperialistisch“ halten, wiederholt wird, begannen die Mobilisierungen in Syrien als Teil des allgemeineren Prozesses des „arabischen Frühlings“ mit ähnlichen Motoren: die Wut auf ein unterdrückerisches und totalitäres Regime, das sich auf den Assad-Clan und eine Einheitspartei stützt, in Verbindung mit der Verschlechterung der Wirtschaftslage vor allem für die Sektoren, die von den Machtstrukturen der letzten Jahrzehnte ausgeschlossen waren. Trotzdem benutzt die Führung des SNC und der Freien Syrischen Armee die Mobilisierung als Druckmittel im Dienst einer reaktionären Strategie des „Regimewechsels“ in Übereinstimmung mit den imperialistischen Mächten, um das Assad-Regime durch ein anderes zu ersetzen, das ihren Interessen besser dient. Während Assad seine Politik der Zerquetschung jeglicher Opposition gegen das Regime fortsetzt, will der SNC eine Intervention des Imperialismus. Der einzige fortschrittliche Ausweg für die ArbeiterInnen, die Bauern/Bäuerinnen und die unterdrückten Sektoren Syriens kann nur in einem unabhängigen Kampf gegen das Assad-Regime mit der Perspektive einer Regierung der ArbeiterInnen und der Massen bestehen.

Fußnoten

* Zuerst veröffentlicht in „La Verdad Obera“ Nr. 466, 15. März 2012. Eine längere Version dieses Artikels sowie eine Antwort des syrischen Botschafters in Venezuela und eine erneute Antwort von Claudia Cinatti stehen in spanischer Sprache auf apporrea.org

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