Streikrecht verteidigen!

08.05.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Ein Recht, uns zu knechten…? Die Bundesregierung und die DGB-Bürokratie versuchen mit der „Tarifeinheit“, das Streikrecht einzuschränken. //

Mit dem Gesetz zur sogenannten „Tarifeinheit“ soll das Streikrecht massiv eingeschränkt werden. Es ist der wohl größte Angriff auf das Streikrecht in Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Im Zurückschlagen dieser Attacke liegt eine der wichtigsten Aufgaben der linken und ArbeiterInnenorganisationen in Deutschland.

Das deutsche Kapital hat während der weltweiten Krise große Schritte in Richtung Vorherrschaft auf dem europäischen Kontinent gemacht, während der soziale Frieden in Deutschland größtenteils aufrecht erhalten wurde. Tragende Säule des deutschen „Konformismus“ ist die Gewerkschaftsbürokratie, die durch ein restriktives Streikrecht unterstützt wird. Legal streiken dürfen ArbeiterInnen in Deutschland nur dann, wenn sie von einem Gewerkschaftsapparat die Genehmigung erhalten haben; nur dann, wenn ihr Streik ein wirtschaftliches und kein politisches Ziel hat; und in diesem Fall auch nur dann, wenn keine tarifvertragliche Regelung besteht und alle anderen Mittel zur Beilegung der Streitfragen gescheitert sind. Außerdem können „ehrenwerte“, gut bezahlte RichterInnen auch die „Unverhältnismäßigkeit“ von Streiks feststellen.

Mit der Krise haben sich in der Beziehung zwischen herrschender Klasse und Gewerkschaftsapparaten keine Risse aufgetan. Stattdessen wurden „– in Deutschland und den ‚erfolgreichen‘ Ländern – die Gewerkschaften in einen ‚Krisenkorporatismus‘ einbezogen“.1 Doch es entstanden oder wuchsen (oft nicht weniger bürokratische) Spartengewerkschaften, die den Druck auf die DGB-Gewerkschaften erhöhen.

Abgesehen davon, gibt es auch innerhalb der Gewerkschaftsbürokratien leicht anwachsende Fraktionierungstendenzen.2 Die Selbstorganisierung der betrieblichen Basis ist weiterhin äußerst schwach ausgeprägt, doch die genannten Entwicklungen eröffnen Spielräume für die ArbeiterInnen. Die an Erfahrung reiche KapitalistInnenklasse Deutschlands hat sich daher entschlossen, eine krasse weitere Einschränkung des Streikrechts vorzunehmen.

Der Vorstoß der „Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände“ (BDA) sieht vor, dass nur noch diejenige Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb das Recht haben soll, über Tarifverträge zu verhandeln und gegebenenfalls zu streiken. ArbeiterInnen, die enttäuscht eine Gewerkschaft verlassen, würden dies kaum mehr zu einer anderen gewerkschaftlichen Organisation hin tun. Künftig könnte nur ein einziger Gewerkschaftsapparat über Legalität oder Illegalität eines Streiks bestimmen. Darüber, welcher Apparat das jeweils wäre, könnten die KapitalistInnen dann auch mit­entscheiden – indem sie ihre Unternehmen so in rechtlich „eigenständige“ Betriebe umwandeln, dass dort bestimmte Apparate Tarifverträge aushandeln dürfen und andere eben nicht. Das Tarifeinheitsgesetz würde auch die Korruption verstärken, und nebenbei wären auch Scheingewerkschaften aus der unternehmerischen Retorte viel sinnvoller als bisher. Gerade für besonders prekarisierte Sektoren in Betrieben mit vielen befristeten KollegInnen würde das Gesetz eine entscheidende Entrechtung bedeuten. Arbeitskämpfe könnten viel leichter juristisch und polizeilich bekämpft werden.

Die Regierung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD hat dieses Projekt im Koalitionsvertrag verankert. Die DGB-Gewerkschaftsspitzen paktieren in der Frage des Streikrechts offen mit den KapitalistInnen: 2010 war der Vorschlag zur gesetzlichen Einschränkung des Streikrechts als gemeinsame Initiative von BDA und Gewerkschaftsbund präsentiert worden. Die führenden FunktionärInnen der großen Apparate sahen darin die Möglichkeit, den lästigen Druck von unten bürokratisch und schnell abzuschwächen. Nun, als mit der neuen Bundesregierung das Projekt wieder offen auf den Tisch kam, aktualisierten die zentralen Gewerkschaftsführungen ihre Unterstützung. Der ver.di-Bundesvorstand hat allerdings für den DGB-Kongress im Mai beantragt, dass der DGB seine Ablehnung erklärt. Denn so manche ver.di-Gliederungen könnte durch die Folgen des streikfeindlichen Gesetzes Schwierigkeiten bekommen. Doch selbst wenn sich der DGB offiziell aus dem arbeiterInnenfeindlichen Projekt zurückziehen sollte: dass Widerstand von den Apparaten aus organisiert wird, ist mehr als unwahrscheinlich.

Das Gesetz muss unbedingt verhindert werden und das müssen wir von unten organisieren. Linke Gruppen müssen sich mit den gewerkschaftlichen Basisgruppen koordinieren. Eine besondere Verantwortung trägt hierbei die Linkspartei aufgrund ihrer organischen Verbindung mit Sektoren der ArbeiterInnenbewegung, die zwar das restriktive Streikrecht in Deutschland anprangert, jedoch außer Lippenbekenntnissen zur Ausweitung des Streikrechts kaum etwas in den Betrieben tut, um diese Forderung durchzusetzen. Gegen diesen Versuch unser Streikrecht einzuschränken, müssen wir über alle Strömungs- und Gewerkschaftsgrenzen hinweg eine Front aufbauen! Die Konferenz „Hände Weg vom Streikrecht!“ in Frankfurt/Main am 16. Juni3 muss als ein Schritt in diese Richtung genutzt werden. Außerdem müssen wir vor Ort Komitees zur Verteidigung des Streikrechts aufbauen. Ziel muss sein, die Gewerkschaftsbürokratien dazu zu zwingen, sich an der Verhinderung des Gesetzes zu beteiligen. Wir müssen der Offensive der herrschenden Klasse begegnen. Nun ist der Zeitpunkt, den politischen Streik zur Verteidigung des Streikrechts auf die Agenda zu setzen!

Fußnoten

1. Frank Deppe: Gewerkschaften in der Großen Transformation: Von den 1970er Jahren bis heute. Eine Einführung. Köln 2012. S. 28.

2. Sichtbar z.B. in der Konferenz „Erneuerung durch Streiks“.

3. www.streikrecht-verteidigen.org

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