​Sommercamp: Der Aufbau einer revolutionären Kraft in Deutschland ist möglich!

09.08.2023, Lesezeit 10 Min.
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Sommercamp von KGK im vergangenen Jahr. Foto: KGK

Leitartikel: Beim Sommercamp von KGK (31. August bis 3. September) wollen wir zeigen: Es ist möglich, hierzulande eine revolutionäre Kraft aufzubauen; eine Alternative zur Ampel, den Rechten, der LINKEN und Wagenknecht.

„Die gesellschaftliche Linke wird für mindestens ein Jahrzehnt oder länger eine defensive Position einnehmen und kaum Gestaltungsraum haben.“ Diese pessimistische Aussage trifft Mario Candeias von der Rosa-Luxemburg-Stiftung als Teil von 15 Thesen zur aktuellen Periode, die er als „nicht mehr offen“ charakterisiert. Damit will er begründen, warum es unausweichlich sei, in der Partei DIE LINKE zu „überleben“. Wir wollen beiden Aussagen  widersprechen: Der internationale Klassenkampf ist zurück und damit auch die Chance, dass eine entstehende Avantgarde den revolutionären Marxismus als ihr Kampfmittel wiederentdeckt. Der Aufbau einer revolutionären Kraft unabhängig vom Reformismus ist nicht nur möglich, sondern auch notwendig, um aus der von Candeias beschriebenen Sackgasse herauszukommen.

In Frankreich, Großbritannien und auch in Deutschland gab es in den vergangenen Monaten die größten Streikbewegungen seit Jahrzehnten, mit lange nicht gesehenen Ansätzen der Arbeiter:innendemokratie. In Frankreich stimmten Kolleg:innen in Energie, Entsorgung und Verkehr selbst über die Verlängerung von Streiks und Blockaden ab – und widersetzten sich damit den bremsenden Bürokratien der Gewerkschaften. In Deutschland beobachten wir Ansätze von Streikdemokratie, etwa bei bei Betriebsversammlungen der Häfen im vergangenen Jahr, bei den Versammlungen der Berliner Streikdelegierten im öffentlichen Dienst oder den Lehrer:innen, bei denen hunderte Kolleg:innen über die Fortführung von Streiks abstimmten.

Diese Phänomene sind heute noch anfänglich, doch sie zeigen das Potential, dass die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenbewegung sich ihrer sozialen und politischen Rolle und ihrer Kampfmittel wieder bewusster werden und die Regierung von links in Frage stellen. Die Unzufriedenheit mit der Ampel ist da: Sie hat ihren Anspruch, eine „Fortschritts Koalition“ zu sein, weitgehend aufgegeben. Lebensmittel, Energie und Wohnen werden weiter teurer. Ihre „Klimapolitik“ bedeutet Förderung von Großkonzernen, darunter der Autoindustrie, und zusätzliche Kosten für Verbraucher:innen. Zuletzt verabschiedete die Ampel einen Kriegshaushalt, der Kürzungen bei Bildung, Gesundheit und Sozialem vorsieht. Statt einer umfangreichen Kindergrundsicherung gibt es das größte Aufrüstungspaket der deutschen Nachkriegsgeschichte, um im imperialistischen Wettbewerb mitzumischen. Mit Waffenlieferungen an die Ukraine führt sie einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, mit dem sie sich Einfluss im Osten sichern will. In der Zeit der Rückkehr von Krisen, Kriegen und Revolutionen auf internationaler Ebene zeigt die herrschende Klasse weltweit ihre Schwierigkeiten, Krisen zu lösen und ihre Legitimität aufrechtzuerhalten.

In Ansätzen sehen wir dies auch in Deutschland. Doch von der Unzufriedenheit mit der Ampel profitiert allein die AfD, die in Umfragen auf 21 Prozent kommt und sich zum Ziel setzt, nächstes Jahr mit einem ultrarechten Programm im Osten Deutschlands in Landesregierungen zu kommen. Dies alles erfordert umso mehr eine Antwort der organisierten Arbeiter:innenbewegung, gegen die Ampel und den Aufstieg der Rechten. Das größte Hindernis dafür ist heute nicht die Stärke der staatlichen Institutionen, sondern die Gewerkschaftsbürokratie, die eng mit der SPD und der LINKEN verwoben ist. Sie hat bei Streiks wie im Hafen, Metall, Post, öffentlichen Dienst und der Bahn immer wieder vorzeitige Kompromisse abgeschlossen. Dabei hat sie es vermieden, gegen Militarismus, Kürzungspolitik und die Rechten zu mobilisieren oder mit der Forderung nach Verstaatlichung der Schwerindustrien und des Energiesektors eine Klimapolitik im Interesse der Arbeiter:innenklasse zu forcieren.

Mit der Sozialpartnerschaft stellt sich die Bürokratie hinter den deutschen Imperialismus. Das natürliche Interesse der Arbeiter:innen, sich gerade in Krisenzeiten nicht mit faulen Kompromissen abspeisen zu lassen, sondern die Kämpfe zu Ende zu führen, muss unausweichlich mit der Bürokratie in Konflikt geraten. Es sind Momente, in denen revolutionäre Kräfte und die Avantgarde der Arbeiter:innenbewegung im Kampf zusammenfinden und sich strategische und programmatische Debatten eröffnen.

​Revolutionäres Sommercamp

Wir halten den Aufbau einer revolutionären Kraft in Deutschland nicht erst in einer fernen Zukunft für möglich, sondern sehen heute die Notwendigkeit, Schritte dafür zu unternehmen. In den letzten Jahren haben wir als Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) mit unserer Zeitung Klasse Gegen Klasse einige Fortschritte in unserer Ausstrahlung und auch unserer Verankerung in Betrieben, Gewerkschaften und Universitäten gemacht. Trotzdem sind wir nicht der Ansicht, dass wir einfach nur weiter wachsen müssen, um eines Tages eine revolutionäre Partei zu sein. Stattdessen wollen wir mit den fortschrittlichsten Teilen der Arbeiter:innenbewegung verschmelzen, die auch auf die Fragen des Klimas, des Feminismus und Antirassismus eine sozialistische Antwort geben können.

Auf unserem Sommercamp wollen wir allen Interessierten die Möglichkeit geben, mit uns zu diskutieren, wie wir dorthin gelangen und unsere Organisation näher kennenzulernen. Wir werden Gäste unserer internationalen Strömung, der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale dabei haben, die sich bisher in 14 Ländern aufbaut. Damit stehen wir in der Tradition des Trotzkismus, der im Kampf gegen den Stalinismus für die Ausweitung der Revolution, gegen die Bürokratie und für die Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse kämpfte. Wir wollen einen praktischen Internationalismus leben: Aus Frankreich werden Genoss:innen von den Protesten gegen die Rentenreform berichten und davon, wie sie die Streiks von unten im Netzwerk für den Generalstreik mit koordiniert haben. Wir werden darüber hören, wie der Linksreformismus in Chile den Aufstand von 2019 an die Wahlurnen umlenkte und so der Rechten den Aufstieg ermöglichte. Mit italienischen Genoss:innen werden wir über die Besetzung beim Autozulieferer GKN bei Florenz diskutieren, wo sich die Beschäftigten gegen Schließung wehrten und für eine Umstellung auf klimafreundliche Produktion einsetzen – ein spannender Kontrast zur Letzten Generation. Diese tritt zwar mutig auf, setzt ihre Hoffnungen aber lediglich in die bürgerliche Politik, statt eine Vision von einer anderen Gesellschaft aufzuwerfen und die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt für die Veränderung zu adressieren.

Dies sind nur einige der Workshops beim Sommercamp, die in einem Geist des Internationalismus stehen. Darüber hinaus wollen wir über die Militarisierung des deutschen Imperialismus diskutieren, die „feministische“ Außenpolitik der Ampel und den weltweiten Klassenkampf. Zudem sprechen wir natürlich über die Politik in Deutschland und unsere Praxis als RIO sowie mit unseren Gruppierungen Waffen der Kritik und KGK Workers. Wir werden über den Aufstieg der Rechten diskutieren, verbunden mit der Notwendigkeit, die Kürzungs- und Kriegspolitik der Ampel zu konfrontieren, die die AfD erst stark macht. Es braucht ein Programm für Vermögensabgaben, einen Stopp der Militarisierung, offene Grenzen und gleiche Rechte für alle, um den Rechten inhatlich etwas entgegenzusetzen. Für diese Forderungen gilt es auch in den Gewerkschaften zu kämpfen, gegen ihre sozialpartnerschaftliche Logik, die die imperialistische Politik Deutschlands deckt.

Für die radikale Linke bedeutet dies, dass es notwendig ist, sich unabhängig von der Partei DIE LINKE aufzustellen, die seit jeher politische Dynamiken auf der Straße an die Wahlurnen lenkt mit dem Versprechen, dass es nur eine linke Regierung bräuchte, die dann weiter kapitalistische Politik betreibt. Genauso wenig können wir auf Wagenknecht setzen, die selbst ein kapitalistisches Programm vertritt, in populistischen Formulierungen verpackt, um Wähler:innen der AfD anzuziehen. Auf dem Sommercamp werden wir diskutieren, wie wir die anstehende Spaltung in der LINKEN bewerten und wie wir uns unabhängige organisieren können.

Im Fokus steht dieses mal auch das Thema Union Busting, also gewerkschaftsfeindliche Praktiken im Betrieb. Unsere Genossin Inés Heider, Sozialarbeiterin an einer Schule in Berlin-Neukölln, wurde gekündigt, nachdem sie ihre Kolleg:innen dazu aufgerufen hatte, an einer Kundgebung gegen die Kürzungspolitik des Berliner Senats teilzunehmen. Repression erfuhr auch unsere Genossin Leonie Lieb, die mit ihrem Team für den Erhalt der Geburtsstation in München-Neuperlach kämpft. Für ein Interview für die Junge Welt, in dem sie die Schließung in Zusammenhang mit dem kapitalistischen Gesundheitssystem brachte, erhielt sie eine Abmahnung. In beiden Fällen wollen wir die Angriffe der Bosse nicht nur mit juristischen und gewerkschaftlichen Mitteln beantworten. Wir führen auch politische Kampagnen, denn die Repression ist politisch motiviert, gegen Kolleg:innen, die sich gegen die Kürzungspolitik der Ampel sowie gegen Schließungen und Privatisierungen in Bildung und Gesundheit richten.

​Organisiere dich mit Waffen der Kritik und KGK Workers

Das wichtigste Instrument unserer Politik ist unsere Zeitung Klasse Gegen Klasse. Mit ihr können wir jeden Tag tausenden Menschen unsere Inhalte präsentieren und in Dialog kommen. In einigen Situationen wie den Hafenstreiks oder zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst erreichten wir gar ein Millionenpublikum. Wir wollen den kämpferischen Arbeiter:innen und Jugendlichen ein Instrument geben für ihre Anklagen gegen Bosse, Bürokratien sowie ausbeuterische und unterdrückerische Verhältnisse. Wir wollen nicht stellvertretend für sie sprechen, wie es meist durch Berufspolitiker:innen und Gewerkschaftssekretär:innen geschieht, sondern gemeinsam mit ihnen die strategischen Schlussfolgerungen aus ihren Kämpfen ziehen.

Wir wollen öffentliche Figuren aufbauen, damit nicht nur reaktionären Zyniker:innen oder „fortschrittliche“ Ausbeuter:innen in den Medien zu hören und zu sehen sind, sondern auch die Stimme der Jugendlichen und Arbeiter:innenklasse. Ein Beispiel bietet unser Genosse Anasse Kazib aus Frankreich, der zu den Vorwahlen bei der französischen Präsidentschaftswahl antrat und um dessen Kampagne herum sich die kämpferischsten Initiativen der Streikbewegung und der antirassistischen Bewegung sammelten. Wir orientieren uns mit öffentlichen Figuren an Lenins Konzept des „Volkstribuns“, der „auf alle Erscheinungen der Willkür und Unterdrückung reagiert, wo sie auch auftreten mögen, welche Schicht oder Klasse sie auch betreffen mögen, der es versteht, an allen diesen Erscheinungen das Gesamtbild der Polizeiwillkür und der kapitalistischen Ausbeutung zu zeigen, der es versteht, jede Kleinigkeit zu benutzen, um vor aller Welt seine sozialistischen Überzeugungen und seine demokratischen Forderungen darzulegen, um allen und jedermann die welthistorische Bedeutung des Befreiungskampfes des Proletariats klarzumachen.“

Mit Klasse Gegen Klasse entwickeln wir eine kommunistische Zeitung, die einen Beitrag zum kollektiven Bewusstsein der Arbeiter:innenbewegung leisten will, indem sie Kampferfahrungen systematisch festhält und strategische Lehren zieht, damit es nicht bei jedem Kampf nötig ist, wieder von Null zu beginnen. Wir wollen mit unseren öffentlichen Figuren in wichtigen Debatten präsent sein und die Ausstrahlung nutzen, um uns an Schulen, Unis und Betrieben zu verankern. Die Zeitung kann so ein Gerüst bieten, um das wir herum eine Organisation aufbauen. Im Frühjahr haben wir unsere bundesweiten Gruppierungen Waffen der Kritik und KGK Workers gestartet. Nach wenigen Monaten sind wir bereits präsent in Berlin, Bremen, Leipzig, München und Münster. In verschiedenen Städten führen wir Lesekreise durch, beteiligen uns an Demonstrationen und an gewerkschaftlichen und betrieblichen Interventionen. In München wurden wir zuletzt in die Fachschaftsvertretung Soziologie gewählt, wo wir „für eine Fachschaft der sozialen Kämpfe“ eintreten. Wir wollen mit unserem Sommercamp Interessierten die Möglichkeit bieten, an diesen Projekten teilzuhaben oder in weiteren Städten Gruppierungen zu bilden und an unserer Zeitung mitzuarbeiten.

Wir sind uns sicher, dass wir mit diesen Schritten wichtige Vorbereitungen treffen, um in den anstehenden Klassenkämpfen bundesweit zu intervenieren und eine Alternative aufzeigen zu können, wie die Jugend- und Arbeiter:innenbewegung gegen die Ampel und die Rechten kämpfen kann. Um dorthin zu kommen, wollen wir auch unsere Präsenz an bestehenden Orten ausbauen. Dafür planen wir in den kommenden Monaten, in Berlin und München Räume zu mieten, die wir für unsere Redaktionsarbeit, politische Treffen und soziale und kulturelle Events nutzen können. Dies wird es uns erlauben, unsere Arbeit weiter zu professionalisieren und auch für Jugendliche und Arbeiter:innen die Möglichkeit bieten, ohne kommerziellen Zwang in entspannter Runde zusammenkommen. Wir wollen alle Teilnehmenden des Sommercamps und weitere Interessierte dafür gewinnen, sich an diesem Projekt zu beteiligen.

Schließlich bleibt uns noch eine weitere Ankündigung: Wir planen auf unserer Website einige große Neuerungen, die es uns erlauben werden, sie deutlich interaktiver zu gestalten und es damit kämpferischen Jugendlichen und Arbeiter:innen ermöglichen, einen noch prominenteren Platz auf der Website einzunehmen. Was genau wir vorhaben, erfahrt ihr am Sommercamp.

Komm zum revolutionären Sommercamp

31. August bis zum 3. September in der Nähe von München

Hier geht es zum vorläufigen Programm.

Hier beantworten wir häufig gestellte Fragen.

Hier gibt es eine Übersicht der Freizeitaktivitäten.

Für die Anmeldung schicke uns eine Mail an info@klassegegenklasse.org

Wir wollen, dass alle Interessierte unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten zum Sommercamp fahren können. Um die Unterstützungsleistungen zu finanzieren, sind wir auf Spenden angewiesen. Ermögliche die Teilnahme für prekären Jugendlichen und Arbeiter:innen.

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