Solidarität mit Zora, Karanfil und Interbüro: Nein zur Polizeirepression gegen Palästinasolidarität!

21.12.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Lukassek (shutterstock)

Gestern morgen um 6 Uhr führten 170 Polizist:innen eine Razzia gegen Organisationen und Orte durch, die sich mit dem palästinensischen Widerstand gegen den Genozid in Gaza solidarisieren. Dagegen gilt es sich zu organisieren.

In den frühen Morgenstunden am Mittwoch, den 20. Dezember, durchsuchte ein Großaufgebot von 170 Polizist:innen acht Objekte in Berlin, in einem offensichtlichen Versuch der Einschüchterung und Datensammlung über palästinasolidarische Strukturen. Getroffen hat es die antikapitalistische Frauenorganisation Zora, das migrantische Café Karanfil in Berlin-Neukölln und das Interbüro in Berlin-Wedding. Es soll sechs Beschuldigte geben, darunter fünf angebliche Zora-Mitglieder, die zwischen 18 und 23 Jahre alt sind. Auch die Wohnung eines 67-Jährigen, der in sozialen Medien ein Logo der PFLP gepostet haben soll, wurde durchsucht.

Der angebliche Grund für die Razzia ist laut Medienangaben ein Flugblatt von Zora, welches auch als Instagram-Post veröffentlicht wurde. Darin grenzte sich Zora explizit von der Hamas ab, bezog sich dabei aber positiv auf die Popular Front for Liberation of Palestine (PFLP). Besonders perfide ist dabei, dass die PFLP zwar auf der „EU-Terror-Liste“ steht, aber in Deutschland nicht verboten ist und auch von Geheimdiensten als „nicht terroristisch aktiv“ bezeichnet wird. Dennoch wurde die Razzia mit dem Vorwand von Ermittlungen wegen der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ (§86a StGB) durchgeführt.

Nach der Razzia veröffentlichte Zora auf Instagram ein Statement, in dem es unter anderem heißt: „Heute am Morgen des 20. Dezembers, stürmte die Polizei fünf Wohnungen von jungen Frauen in Berlin und durchsuchte gewaltvoll ihre Wohnungen. Noch vor 6:00 Uhr standen dutzende Polizisten in ihren Wohnungen und gingen mit sexistischer und körperlicher Gewalt gegen die Frauen vor. Zusätzlich wurde ein migrantisches Cafe und ein internationalistisches Büro durchsucht. Die Durchsuchungen richten sich gezielt gegen ZORA, begründet wurden sie mit palästina-solidarischen Äußerungen, Materialien und Protesten sowie mit Solidarität mit dem Gefangenennetzwerk Samidoun.“ Weiter erklärte Zora: „Doch nicht erst seit heute erfahren wir Repressionen vom Staat. Seit Wochen werden wir und andere palästina-solidarische Gruppen kriminalisiert und als Antisemit:innen verunglimpft. Wir werden auf Protesten festgenommen, Räume werden uns verwehrt und unsere Inhalte zu Falschinformationen und rassistischer Hetze in den Medien und Lokalzeitungen gemacht. Die Repressionen haben in den letzten Wochen zugenommen und haben nun mit den Hausdurchsuchungen ein neues Stadium erreicht. Doch wir lassen uns nicht unterkriegen! Wir lassen uns nicht brechen!“

Neben Zora waren auch das Café Karanfil und das Interbüro betroffen. Das Café Karanfil ist ein wichtiger Treffpunkt für linke und migrantische Bewohner:innen der Stadt, dessen Betreiber Turgay Ulu vor seiner Flucht nach Deutschland 15 Jahre ohne Urteil oder Prozess in türkischen Gefängnissen inhaftiert war. Das Interbüro verurteilte in einer Presseerklärung diese „Angriffe auf migrantische und linke Selbstorganisierung“ und erklärte: „Wir verurteilen diese unbegründete Maßnahme der Berliner Polizei gegen die Frauen*organisierung ZORA, die Angriffe auf das Café Karanfil in Neukölln und auf uns als InterBüro. Sie steht in einer Reihe mit der staatlichen Verfolgung pro-palästinensischer Antikriegs-Proteste in diesem Jahr“. Weiter heißt es in der Erklärung: „Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen von politischer Verfolgung, die sich für Frieden im Nahen Osten einsetzen und bestehen auf das demokratische Recht auf freie Meinungsäußerung.“

Solidaritätsbekundungen kamen auch vom Neuköllner Linkspartei-Abgeordneten Ferat Koçak, der auf X (ehemals Twitter) schrieb: „Die rassistische Repression gegen linke migrantische Räume unter dem Vorwand der Bekämpfung von Antisemitismus geht weiter“. Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost teilte diesen Tweet und bekundete ihre Solidarität mit Karanfil.

In Leipzig fand am Mittwochabend eine Demonstration in Solidarität mit ZORA und gegen die Repressionen statt, an der etwa 200 Teilnehmer:innen teilnahmen. In Berlin findet heute um 16 Uhr eine Kundgebung am Oranienplatz statt.

Es handelt sich bei den Razzien um einen weiteren Sprung in der Repression angesichts des Gazakriegs. Die staatliche Repression besitzt viele willkürliche Mittel, die von Polizeirepression bei Demonstrationen über Hausdurchsuchungen bis hin zu Verfahren wegen §129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigungen) und Organisationsverboten reicht. Dabei ist nicht unbedingt entscheidend, ob es zu rechtskräftigen Verurteilungen kommt – auch wenn das nicht heißt, dass es, wie beispielsweise im Fall von Lina E., nicht trotzdem zu absurden Strafmaßen kommen kann. Das Ziel der Repression besteht vor allem in zwei Aspekten: erstens die Einschüchterung, zweitens die Auskundschaftung von Strukturen, und Kontaktdaten. Um diese Ziele zu erreichen, reicht es, selbst rechtlich unhaltbare „Anfangsverdachte“ zu nutzen, um dann Hausdurchsuchungen durchzuführen, selbst wenn danach dann keine Anklage erhoben oder die Ermittlung formell eingestellt wird.

Die Solidarität und Organisierung im Angesicht der Repression ist deshalb heute zentral. Auch wir stellen uns vollständig hinter Zora, Karanfil und das Interbüro. Die Genoss:innen von Zora haben sich auch mit uns an der Besetzung der Freien Universität beteiligt, die ebenfalls von Polizeirepression und medialer Hetze betroffen war.

Wir müssen die Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand verstärken. Die Ermittlungen müssen eingestellt, die gesammelten Daten vernichtet, alle politischen Gefangenen freigelassen und die Verbote gegen ihre Organisationen aufgehoben werden. Es braucht außerdem eine vollständige Streichung des „Schnüffelparagrafen“ 129 und ein Ende aller damit assoziierten Verfahren. Die Verschärfung der Repression gegen die palästinensische Bewegung steht in engem Zusammenhang mit der Verschärfung des Asylrechts, weshalb es ganz besonders jetzt den Stopp aller Abschiebungen und gleiche Staatsbürger:innenrechte für alle braucht.

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