Schulstreiks im Spanischen Staat erfolgreich – Bildungsreform zurückgezogen

30.11.2016, Lesezeit 4 Min.
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Am 24. November traten tausende Schüler*innen im gesamten spanischen Staat in den Streik. Sie protestieren gegen eine Bildungsreform, die Schulprüfungen aus der Zeit der Franco-Diktatur wieder einführen sollte. Wenige Tage später lässt die Regierung die Reform fallen. Kämpfen lohnt sich!

Bereits am 26. Oktober waren bis zu 200.000 Schüler*innen und Studierende im spanischen Staat im Streik. Diese Zahlen, die von den Veranstalter*innen verbreitet wurden, mögen etwas übertrieben sein – aber auf den Straßen Madrids oder Barcelona waren Zehntausende demonstrierende Jugendliche nicht zu übersehen.

Gleich im Anschluss an diesen großen Streiktag hatte die rechte Regierung der Volkspartei (Partido Popular, PP) erklärt, dass die Reform zurückgezogen wird. Die Wut auf die „reválidas“, die Schulabschlussprüfungen aus der Zeit der Franco-Diktatur, war einfach zu groß. Und dennoch versuchte der Bildungsminister weiter, diese Reform und zusätzliche Angriffe auf das öffentliche Bildungssystem durchzupeitschen.

Deutlicher Rückgang der Mobilisierung

Das war der Hintergrund des neuen Streikaufrufs zum 24. November. Organisatorin war erneut die Schüler*innen- und Studierendengewerkschaft (Sindicato de Estudiantes. SE). Doch beim „24N“ brachen die Zahlen ein. In Barcelona kamen lediglich 2.000 Schüler*innen auf die Straße (statt bis zu 50.000 vor einem Monat); In Madrid waren es auch 2.000 (statt 60.000). In Saragossa gerade mal 200 (statt 5.000).

Die SE bestätigt auch indirekt diese Einschätzung. Ihre Bilanz nennt überhaupt keine Zahlen, aber spricht von „leeren Klassenzimmern“ und einer Beteiligung von 85 Prozent. Wo die Millionen streikende Schüler*innen an dem Tag geblieben sind, verraten sie nicht.

Ein Problem,wie Pere Ametller auf unserer Schwesterseite IzquierdiaDiario.es schreibt, liegt daran, dass

die SE den Streik ‚von oben‘ organisierte, ohne die geringste Initiative, um die Selbstorganisierung an den Schulen zu entwickeln, und noch weniger um die Einheit zwischen Schüler*innen und Studierenden aufzubauen. Diese Schwächen waren schon beim letzten Streik am 26O zu beobachten, aber angesichts der Falschinformationen der letzten Wochen waren sie dieses Mal fatal.

Die SE hat einige hundert Mitglieder im gesamten Land. Sie lanciert Aufrufe zum Streik, ohne einen Kampfplan in Versammlungen zur Diskussion zu stellen und ohne andere Strömungen an den Schulen und Universitäten einzubinden. Manchmal wird ein Aufruf dieser kleinen Gewerkschaft in den Massenmedien aufgegriffen und massenhaft befolgt (26O). Und manchmal eben nicht (24N).

Fehlende Versammlungen

Andere politische und gewerkschaftliche Strömungen an den Unis, zum Beispiel die SEPC in Katalonien (die Teil der linken Unabhängigkeitsbewegung ist), haben den Aufruf zum 24N nicht unterstützt, weil nur die SE dahinter stand. Solche Spaltungen lassen sie nur überwinden, wenn sich alle Organisationen und Aktivist*innen, die gegen die Bildungsreform sind, große und gemeinsame Versammlungen einberufen, um einen einheitlichen Kampfplan zu entwickeln.

Denn massenhafte Kämpfe gegen diese rechte Regierung erfordern, dass möglichst viele organisierte und unorganisierte Schüler*innen und Studierende in die Planung und Organisierung der Streiks eingebunden werden. Versammlungen sind ein unerlässliches Instrument der Unterdrückten, um für ihre Rechte zu kämpfen.

Letzten Donnerstag in Barcelona endete die Demonstration vor der Generalitat, dem Sitz der katalanischen Regionalregierung. Zum Schluss saßen die 2.000 Schüler*innen auf dem Boden und hörten bei strahlender Sonne die Reden zu – eine perfekte Gelegenheit, um die nächsten Schritte kollektiv zu beraten. Aber stattdessen haben die Aktivist*innen der SE die Kundgebung beendet und lediglich dazu aufgerufen, am Büchertisch der Gruppe „El Militante“ Material zu kaufen. Nichts gegen marxistische Bücher! Aber eine Lehre vom 24N ist, dass eine selbstorganisierte Bewegung nötig wird, um die rechte Regierung zurückschlagen zu können.

Denn am 28. November gab die Regierung bekannt, dass sie bei den Prüfungen einen Rückzieher macht. Doch die große Bildungsreform (LOMCE) mit zahlreichen Verschlechterungen im öffentlichen Bildungssystem ist noch nicht vom Tisch. Noch größere und breitere Kämpfe werden nötig sein.

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