Schlechtes Angebot: Postler:innen fordern Urabstimmung und Erzwingungsstreik

13.02.2023, Lesezeit 3 Min.
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Foto: KGK

Im Tarifkampf bei der Post sind die Verhandlungen vergangene Woche gescheitert. Jetzt steht eine Urabstimmung bevor, in der alle Gewerkschaftsmitglieder über einen Erzwingungsstreik entscheiden.

Zuletzt fanden vergangene Woche bereits bundesweit an verschiedenen Orten Warnstreiks der Post-Beschäftigten statt. So gab es am Montag, den 06. Februar, unter anderem Kundgebungen in Berlin und München. Für die rund 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post werden 15 Prozent mehr Lohn, mindestens jedoch 500 Euro monatlich, sowie 200 Euro für die Auszubildenden gefordert. Da die Gegenseite auch in der dritten Verhandlungsrunde kein annehmbares Angebot für die Kolleg:innen vorgelegt hat, hat die Bundestarifkommission von ver.di nun die Einleitung einer Urabstimmung empfohlen. Damit ist in den kommenden Wochen ein unbefristeter Erzwingungsstreik möglich.

Hinsichtlich der aktuellen Krise und Inflation, befeuert durch den Krieg in der Ukraine, sind die Forderungen absolut gerechtfertigt. Sie sind geradezu existenznotwendig für Lohnabhängige, die den Reallohnverlust tagtäglich spüren. Ver.di begründet die Höhe der Forderung mit der derzeitigen Inflation. Fast 90 Prozent der Tarifbeschäftigten der Deutschen Post sind in den Entgeltgruppen 1 bis 3. Sie bekommen somit zwischen 2108 und 3090 Euro brutto. Laut ver.di-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis können sich die Beschäftigten schlichtweg keinen Kaufkraftverlust leisten.

Mit einer Steigerung von 70 Prozent auf 5,1 Milliarden Euro Gewinn 2021 zählt die Deutsche Post zu den sogenannten Krisengewinnern – erwirtschaftet auf dem Rücken der durch Pandemie und Krieg zusätzlich belasteten Beschäftigten.

Der Schritt zum Erzwingungsstreik ist richtig und notwendig. Dass darüber die Kolleg:innen in einer Urabstimmung entscheiden, ist gut – aber dabei darf die demokratische Kontrolle über den Streik nicht stehenbleiben. Auch wenn es in deutschen Arbeitskämpfen leider noch nicht zum Standard gehört: So lange gestreikt wird, sollte regelmäßig bei Versammlungen diskutiert werden, wie der Streik am besten weitergeführt und gestärkt wird. Über Abbruch oder Fortsetzung sollten die Streikenden entsprechend per Mehrheitsentscheid abstimmen. Die ver.di-Regularien sind in dieser Hinsicht leider nicht so demokratisch, wie sie sein könnten, denn für den Beginn eines Erzwingungsstreiks müssen sich 75 Prozent der ver.di-Mitglieder aussprechen. Um den Streik wieder abzubrechen und ein Angebot anzunehmen, reichen bei einer erneuten Urabstimmung 25 Prozent aus.

Aktuell und in den kommenden Monaten befinden sich auch Millionen weitere Beschäftigte in Arbeitskämpfen: Allein in Berlin streikten vergangene Woche tausende Lehrer:innen, sowie Beschäftigte des Öffentlichen Dienst (TVöD), u.a. an Krankenhäusern und bei der Stadtreinigung.

Die Berliner TVöD-Beschäftigten haben sich auf einer Delegierten-Versammlung am 27. Januar bereits dafür ausgesprochen, gemeinsam mit der Post und anderen Betrieben gemeinsam zu streiken. Hier zeigt sich, dass in einer stärkeren Verbindung der verschiedenen Arbeitskämpfe noch viel Potential steckt: Die Kolleg:innen im TVöD sollten nicht davor zurückschrecken, eine Urabstimmung und Erzwingungsstreiks durchzuführen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Und die Beschäftigten der Post können sich ein Beispiel an der Delegierten-Struktur und den lebendigen Diskussionen in Berlin nehmen. Wenn damit tatsächlich gemeinsame Streiktage von TVöD, Post und anderen Betrieben erreicht werden, könnten alle Beteiligten von der Zusammenarbeit und dem kombinierten Druck auf Unternehmen und Politik profitieren.

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