Russische Truppen verüben mutmaßlich Massaker nahe Kiew

04.04.2022, Lesezeit 4 Min.
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Erschütternde Videos aus der Kleinstadt Butscha zeigen zahlreiche Tote, die teils gefesselt auf der Straße liegen. Mutmaßlich wurden sie beim Abzug der russischen Truppen ermordet. Wir verurteilen dieses Kriegsverbrechen auf Schärfste.

Die ukrainische Regierung hat am Sonntag Videos veröffentlicht, in denen in der Stadt Butscha nahe Kiew zahlreiche Leichen auf offener Straße zu sehen sind. Zum Teil waren sie gefesselt. Der Schluss liegt nahe, dass die russischen Truppen bei ihrem Abzug zahlreiche Zivilist:innen ermordet haben. Die russische Regierung dementiert die Vorwürfe und spricht von Fake News. Doch die Bilder sind glaubwürdig und werden auch von Journalist:innen der BBC bestätigt, die sagen, sie hätten mindestens 20 Tote selbst gesehen. Der Bürgermeister spricht von insgesamt 280 Opfern, die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft gar von 480.

Von außen können wir nicht wissen, was tatsächlich passiert ist. In jedem Fall verurteilen wir die Tötung von Zivilist:innen, die mutmaßlich von der russischen Armee begangen wurde. Ihre Kriegsverbrechen zeigen einmal mehr die ganze Brutalität, mit der Putin seine reaktionären Ziele verfolgt. Es ist davon auszugehen, dass der Krieg aktuell in eine neue Phase übergeht. Auf militärischer Ebene zieht sich die russische Armee aus dem Norden zurück, wahrscheinlich um den Schwerpunkt ihrer Angriffe auf den Süden und Osten zu legen. Und medial und politisch fühlen sich die NATO-Staaten zu einer stärkeren Konfrontation gegenüber Russland veranlasst.

Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock sagte: „Die Verantwortlichen für diese Kriegsverbrechen müssen zur Rechenschaft gezogen werden […] Wir werden die Sanktionen gegen Russland verschärfen und die Ukraine noch stärker bei ihrer Verteidigung unterstützen.“ Erst kürzlich hat die Bundesregierung die Lieferung von Schützenpanzern aus DDR-Beständen für die ukrainischen Streitkräfte zugesagt.

Die Neue Zürcher Zeitung sprach von der „Wahren Fratze Russlands“. Die Bild-Zeitung titelt in ihrer Printausgabe von Russ:innen als „Vergewaltiger, Mörder und Folterer“. Es ist eine gefährliche Gleichsetzung von tatsächlichen Kriegsverbrecher:innen und dem gesamten russischen Volk. Tatsächlich haben zehntausende Russ:innen gegen den Krieg und ihre Regierung protestiert und dafür Haftstrafen in Kauf genommen, obwohl bekannt ist, dass über 200 Insassen in russischen Gefängnissen gefoltert und vergewaltigt wurden. Die Sanktionen schaden am Ende auch der Antikriegsbewegung in Russland, weil Putin Inflation und Entlassungen als Mittel der Einschüchterung nutzen kann und es für die russischen Protestierenden so scheint, als ob alle im Westen gegen sie sind.

Die NATO nutzt diese Kriegsverbrechen, um ihre eigene Aufrüstung zu legitimieren und ideologisch die Möglichkeit für ein eigenes Eingreifen aus „humanitären“ Gründen vorzubereiten. So geschah dies auch bei dem Massaker von Srebrenica 1995, als die serbische Armee 8.000 Bosniaken ermordete. Dieses grausame Verbrechen diente der NATO als Vorwand, um den eigenen Krieg zu rechtfertigen.

Unsere Perspektive besteht nicht darin, den Krieg durch Waffenlieferungen oder eine Intervention der NATO noch weiter anzuheizen, wodurch es im schlimmsten Fall zu einer direkten Konfrontation von NATO und Russland mit allen verheerenden Auswirkungen kommen kann. Damit der Krieg endet und es nicht zu weiteren Massakern kommt, muss die Antikriegsbewegung in Russland gestärkt werden, durch Aktionen der internationalen Solidarität und Blockaden von Waffenlieferungen auch aus dem Westen. Die Eisenbahner:innen in Belarus sabotieren seit Kriegsbeginn die Schienenwege in die Ukraine und haben so den russischen Nachschub gestoppt. Nach ihrem Vorbild sollten sich die Arbeiter:innen aller Länder gegen den Krieg stellen.

Die Gewerkschaften in Russland müssen sich dem anschließen und dürfen die Kriegsverbrechen der russischen Armee nicht dulden. Sie müssen zu Streiks aufrufen, damit die russischen Söhne nicht für die Verbrechen Putins an die Front geschickt werden und sterben müssen. Die Morde können nicht vor dem internationalen Strafgerichtshof gebüßt werden. Das würde allenfalls einen kleinen Führungskreis zur Rechenschaft ziehen. Vielmehr müssen die Wurzeln des Krieges zerstört werden: Die russische Bourgeoisie und die korrupten Cliquen im Staatsapparat. Es liegt in der Hand der Arbeiter:innen und Unterdrückten, Putin und die Bourgeoisie zu stürzen und ihr Urteil über sie zu fällen.

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