Rosa und Karl: Sozis gedenken ihrer Opfer

10.12.2012, Lesezeit 3 Min.
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Berlin am zweiten Sonntag im Januar: Schon in den 1920er Jahren fand an diesem Tag eine Demonstration statt, um Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts zu gedenken. Zur Erinnerung an die beiden GründerInnen der KPD, die am 15. Januar 1919 von Offizieren des Deutschen Heeres – mit dem Einverständnis der SPD-Regierung – ermordet wurden, ziehen bis heute Zehntausende Menschen zum Denkmal der SozialistInnen auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde.
In den letzten Wochen sind in der Hauptstadt dunkelblaue Plakate mit den Porträts von Rosa und Karl aufgetaucht. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass ein Bündnis vorwiegend sozialdemokratischer Organisationen zur Demonstration aufruft: die Jusos, die Falken und die Naturfreundejugend, dazu die Linksjugend-Solid (der Jugendverband der Linkspartei) und die DGB-Jugend. Erst auf den dritten Blick wird klar, dass das Plakat für den 13. Januar nicht zum Frankfurter Tor aufruft, wo die traditionelle Demonstration anfängt, sondern zum Olof-Palme-Platz, tief im Westen der Stadt.

Die SozialdemokratInnen machen also eine eigene Gedenkdemonstration? Ein Sprecher des Bündnisses behauptete per Mail, eine „emanzipatorische Alternative zur traditionellen LL-Demonstration“ veranstalten zu wollen. Ansonsten verwies er auf den Aufruf. Bereits voriges Jahr hatte eine kleine Gruppe am Rande der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration ein Transparent mit den Gesichtern von Lenin, Stalin und Mao sowie der Losung: „Nein, nein, nein, das ist kein Kommunismus“ gezeigt. In diesem Sinn bestreitet der SPD-Nachwuchs in seinem Aufruf, dass „solche menschenverachtenden Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und Karl zu tun haben“, und nennt den etablierten Marsch deswegen einen „Ausdruck des Scheiterns“. Impliziert wird dabei, dass der sozialdemokratische Ansatz, den Kapitalismus mittels parlamentarischer Reformen zu überwinden, weniger eine Form des Scheiterns darstellen würde. Außerdem sieht man nicht nur Stalin und Mao auf der LL-Demonstration, sondern auch Leo Trotzki.

Verschiedene Antifa-Gruppen, die die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration mitorganisieren, schäumten vor Wut. „Zum Kotzen“, sagt Jonas Schießer von der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin über die Initiative der „zukünftigen Sozialabbaukader“. „Puren Zynismus“ sieht Ina Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin, wenn die „Kinder der Mörder von Rosa und Karl das Erinnern an diese Revolutionäre zu instrumentalisieren versuchen“.

Obwohl Sozialdemokraten wie Gustav Noske, Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann, die die Novemberrevolution von 1918/19 im Blut ertränkt haben, im Aufruf zur „Rosa und Karl“-Demo nicht erwähnt werden, so lebt ihr Geist weiter. Scheidemann erklärte seinerzeit, warum er als entschiedener Gegner der Revolution trotzdem für einen Generalstreik und für die Republik eintrat: „Jetzt heißt es, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, sonst gibt es doch anarchistische Zustände im Reich“. Versuchen die Sozialdemokraten von heute, sich an die Spitze des Gedenkens zu stellen, um der Erinnerung an die beiden RevolutionärInnen die Spitze abzubrechen? Es deutet wenig darauf hin, daß sie damit Erfolg haben werden.

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