Revolutionär*innen diskutieren Antworten auf reaktionäre Wende in Europa

05.12.2015, Lesezeit 5 Min.
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Am heutigen Samstag beginnt in Paris die II. Konferenz der Gruppen der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale in Europa. Zwei Tage lang werden Genoss*innen der Revolutionär-Kommunistischen Strömung (CCR) der Neuen Antikapitalistischen Partei (Frankreich), der Gruppe Clase contra Clase (CCC) (Spanischer Staat) und der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO) (Deutschland) gemeinsam mit Sympathisant*innen und eingeladenen Gruppen diskutieren. Ihr Ziel ist es, eine revolutionäre und internationalistische Antwort auf die Weltwirtschaftskrise, die geopolitischen Spannungen im Nahen und Mittleren Osten, die reaktionäre Wende in Europa und die aktuellen Aufgaben der radikalen Linken zu finden.

Seit Monaten wurde die Konferenz vorbereitet. Lange war unklar, ob sie stattfinden können würde. Denn nach den reaktionären Attentaten vom 13. November versetzte die französische Regierung mit Zustimmung des Parlaments (inklusive der reformistischen Front de Gauche) ganz Frankreich in einen Ausnahmezustand, der immer noch andauert. Demonstrationen werden verboten, die radikale Linke wird mit Repression überhäuft, und das ganze Land soll unter einer „nationalen Einheit“ vereint werden, in dem jede Infragestellung der Entscheidungen der Regierung unterdrückt wird. In diesem Kontext wurde den veranstaltenden Gruppen letzte Woche plötzlich der Veranstaltungsraum entzogen, außerdem wurden mehrere Genoss*innen der CCR Opfer der Repression vom Sonntag.

Doch der Wille, gerade in Mitten dieser reaktionären Situation ein Zeichen des Widerstands gegen die Interessen des Kapitals, ein Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten, ein Zeichen des Internationalismus und der Arbeiter*innen zu geben, überwog. Eine große Anstrengung vor allem der französischen Genoss*innen, aber auch der Aktivist*innen aus dem Spanischen Staat und Deutschland, hat es ermöglicht, innerhalb weniger Tage die Logistik und die politische Vorbereitung der Konferenz zu vollenden. Ganz besonderer Dank gilt dabei auch den solidarischen Unterstützer*innen, die uns auf verschiedenen Wegen Geld gespendet haben, um die Durchführung der Konferenz zu ermöglichen.

Weltwirtschaftskrise und reaktionäre Wende in Europa

Die Konferenz in Paris findet nicht nur aufgrund des Ausnahmezustands in turbulenten Zeiten statt. Acht Jahre nach Beginn der Weltwirtschaftskrise ist ein Ausweg weiterhin nicht in Sicht. Vor ein paar Jahren galten noch die „aufstrebenden Ökonomien“ von Ländern wie Brasilien und vor allem China als Motor der Weltwirtschaft, der den Ökonomien der imperialistischen Länder aus der Krise helfen könnte. Doch nun schlägt auch in diesen Ländern die Krise immer stärker zu. Besonders in Brasilien entsteht eine explosive soziale Situation, die in Verbindung mit der aktuellen politischen Krise das gesamte Regime gefährdet. Die „Schwellenländer“ konnten die Krise ein paar Jahre lang verlangsamen, doch aufgrund des fehlenden Wachstums in den zentralen Ländern ist mit der lockeren Geldpolitik der Zentralbanken eine neue Finanzblase entstanden, die die gesamte Weltwirtschaft an den Rand einer neuen Verschärfung der Krise bringt.

Parallel dazu vertiefen sich die geopolitischen Spannungen, vor allem im Nahen und Mittleren Osten. Syrien ist zum zentralen Schauplatz der Aushandlung der Interessen verschiedener Imperialismen und Regionalmächte geworden. Als Reaktion auf die Attentate von Paris wurde eine neue Welle der Offensive eingeläutet, die die explosive Situation noch mehr befeuert. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil drohen verschärfte Spannungen zwischen den USA, den zentralen Mächten der EU und Russland.

Vor allem der Krieg in Syrien, aber auch andere Konfliktherde sowie die Auswirkungen der weltweiten Krise insgesamt, haben dazu geführt, dass Millionen von Menschen in den letzten Monaten nach Europa geflüchtet sind. Die reaktionäre Abschottungspolitik der Regierungen – in Verbindung mit der sozialen Kahlschlagspolitk der letzten Jahrzehnte – bereitete den Boden für den Aufstieg rechter und rechtsextremer Bewegungen und Parteien in ganz Europa. Diese reaktionäre Welle hat sich – gemeinsam mit der bonapartistischen Antwort der Regierungen Europas – seit den Anschlägen vom 13. November noch verschärft.

Gegen Krieg und Ausnahmezustand! Für eine antiimperialistische, internationalistische und proletarische Antwort!

Gegen diese reaktionäre Situation müssen sich Revolutionär*innen wappnen und Antworten finden, um sich sowohl den rechten Bewegungen auf der Straße als auch den immer repressiver agierenden Regierungen entgegenzustellen.

Selbst die reformistische Linke kapituliert zu großen Teilen vor dieser Aufgabe. Nach dem Debakel der Syriza-Regierung in Griechenland werden Stimmen eines „linken Souveränismus“ laut, der sein Heil in der Rückkehr zu nationalen Währungen als Basis für eine keynesianistische Konjunkturpolitik sucht. In Frankreich trägt die Front de Gauche den reaktionären Ausnahmezustand direkt mit, in Verteidigung der „nationalen Einheit“.

Demgegenüber ist es dringend notwendig, eine internationalistische Antwort auf die Interessen des Europas des Kapitals zu geben. Eine Antwort, die nicht dem reaktionären Nationalstaat das Wort redet, sondern eine Perspektive eines vereinten internationalen Kampfes gegen die imperialistischen Interessen aufwirft. Eine solche Antwort muss sich gegen die imperialistischen Interventionen, gegen Ausnahmezustand und Beschneidung demokratischer Rechte, für offene Grenzen und volle politische und soziale Rechte für Geflüchtete, sowie für eine proletarische Perspektive eines Europas der Arbeiter*innen und Unterdrückten aussprechen.

Mit der Zweiten Konferenz der FT in Europa wollen wir unseren Teil dazu beitragen, eine solche Antwort zu entwickeln. Wir setzen ein starkes Zeichen gegen Krieg und Ausnahmezustand und für einen proletarischen Internationalismus. Hoch die internationale Solidarität!

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