Nationalversammlung beschließt permanenten Ausnahmezustand

21.11.2015, Lesezeit 4 Min.
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FRANKREICH: Mit einer überwältigenden Mehrheit wurde der Ausnahmezustand auf drei Monate ausgeweitet. 551 Abgeordnete, darunter die Linksfront von Jean-Luc Melenchon, stimmten für die Aktualisierung und Verschärfung des Gesetzes von 1995. Drei Ökosozialist*innen und drei Sozialist*innen stimmten dagegen, ein Sozialist enthielt sich.

Redaktionskomitee von Révolution Permanente

Ausweitung der häuslichen Festnahmen, elektronische Verfolgung von Verdächtigen, Auflösung von Gruppen, Vereinigungen und Websites: Das sind einige der neuen Maßnahmen. Sie gesellen sich zu der Erlaubnis für Polizist*innen auch außerhalb der Dienstzeit Waffen zu tragen. Das wurde vom Innenminister Cazeneuve und der Polizeigewerkschaft beschlossen. Willkommen im Land der Sicherheit…

„Dieses Gesetzespaket ist die Antwort eines Frankreichs, das nicht aufgibt und niemals aufgeben wird. Es ist die schnelle Antwort einer Demokratie angesichts der Barbarei. Es ist die effiziente Antwort des Rechtes angesichts einer Ideologie des Chaos“, sagte der Premierminister Manuel Valls bei der Vorstellung der Maßnahmen im Parlament.

Doch von Demokratie scheint wenig übergeblieben zu sein in diesem Gesetzespaket, das die demokratischen Freiheiten wie kein anderes einschränkt. Der Premierminister musste zugeben, dass „der Ausnahmezustand bestimmte zeitliche Einschränkungen der Freiheiten erlaubt. Aber wir benutzen ihn nur, um diese Freiheiten vollständig wiederherzustellen.“

Alle Parlamentsfraktionen der Regierung und der Opposition stimmten für das Gesetzespaket, das nun vom Senat überprüft und am Freitag abgestimmt wird. Erst dann wird der Text offiziell vom Parlament angenommen. Sogar die neoreformistische Linksfront stimmte dafür. Der erste Vorschlag wurde zudem in einigen Abschnitten noch verschärft. Die Spannungen der Sitzung der Nationalversammlung vom Montag wurden anscheinend im Namen der „nationalen Einheit“ und der allgemeinen Sicherheit aufgelöst.

Wir bewegen uns also auf einen permanenten Ausnahmezustand zu. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen die „terroristische Bedrohung“ bedeutet der französische „patriot act“ eine starke Einschränkung der grundlegenden demokratischen Freiheiten. Das bestätigte sich innerhalb der kurzen Zeit nach den schrecklichen Attentaten vom vergangenen Freitag.

  • Es ist ein Schlag gegen die aktuellen Kämpfe bei Air France und den Krankenhäusern von Paris, die nicht mehr demonstrieren dürfen. Dabei werden die Angriffe, gegen die diese Sektoren kämpfen, auch nicht zurückgenommen. Diese Freiheitseinschränkung zeigt, wie die Regierung die Attentate zum Aufbaue eines „sozialen Friedens“ ausnutzen möchte. Das findet im Kontext einer erneuten Radikalisierung der Arbeiter*innen statt, die die herrschende Klasse zu beunruhigen begann.
  • Die Benutzung der Eliteeinheit RAID zur Räumung eines einfachen besetzten Hauses in Lille zeigt, wie die Hypermilitarisierung des öffentlichen Raums dazu dient, auch Sektoren zu verfolgen, die nicht mit dem Terrorismus in Verbindung stehen.
  • Die Möglichkeit, jede Internetseite zu sperren, die unter Verdacht steht, „den Terrorismus zu verteidigen oder terroristische Angriffe zu verursachen“, öffnet der Einschränkung der Pressefreiheit Tür und Tor.
  • Die Möglichkeit der Auflösung von gefährlichen Gruppen oder Vereinigungen ist ein harter Angriff auf die Freiheit der Vereinigung, da sie eine breite Interpretation ermöglicht. Jede Gruppe oder Vereinigung, die beteiligt ist an der „Organisation von Aktionen, die einen schweren Anschlag auf die öffentliche Ordnung darstellen, oder diese erleichtern oder hervorrufen“, kann verboten werden.

Die Annahme dieses Gesetzespakets ist ein großer Schritt hin zur Verschärfung des Regimes und der Einschränkung grundlegender demokratischer Freiheiten. Die Tatsache, dass die Abgeordneten der Linksfront dem Text zustimmten, ist besonders skandalös. Die Arbeiter*innenbewegung muss schnell und klar den Stellungnahmen der CGT (die sich gegen Krieg, Rassismus, Ausnahmezustand und für die internationale Solidarität ausdrückt) zustimmen, wenn sie nicht gefesselt werden möchte.

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