Polizist tötet Geflüchteten mit fünf Kugeln: Staatsanwalt stellt Ermittlungen ein

25.06.2020, Lesezeit 3 Min.
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Ein Polizist erschoss letztes Jahr den 19-jährigen Aman Alizada in einer Geflüchtetenunterkunft in Stade mit fünf Kugeln. Nun hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt. Es hätte sich um “glasklare Notwehr” gehandelt.

Foto: Symbolbild

Nach dem rassistischen Mord in den USA an George Floyd rückt auch rassistische Polizeigewalt in Deutschland stärker in den Fokus. Verfahren gegen Polizeibeamt*innen werden dabei jedoch in Deutschland überdurchschnittlich oft eingestellt. Nicht zuletzt, weil sich Polizist*innen immer wieder gegenseitig decken. In Stade ist das nun erneut passiert.

Im August 2019 wurden zwei Streifenwagen zu einem Streit in eine Geflüchtetenunterkunft in Stade gerufen. Ein Mitbewohner hätte sie in Todesangst gerufen. Als die Polizei dort eintraf, gab es jedoch keinen körperlichen Streit. Der traumatisierte Alizada soll dann laut der Polizei mit einer Eisenhantel auf sie losgegangen sein. Nachdem Pfefferspray wirkungslos blieb, feuerte einer der Polizisten fünf Mal auf den jungen Mann und tötete ihn damit. So zumindest die Version der Polizei. Bezeugen konnten das nur die anderen Beamten vor Ort. Die anderen fünf Mitbewohner von Alizada wurden vorher weggeschickt. Doch das reichte dem zuständigen Staatsanwalt Kai Thomas Breas nun dafür, die Ermittlungen einzustellen. Der Beamte hätte in “glasklarer Notwehr” gehandelt. Mit den Ungereimtheiten in diesem Fall scheint sich Breas nicht auseinandersetzen zu wollen.

Dabei drängt sich die Frage auf, ob die Polizei überhaupt schießen musste. Und dann noch direkt fünf Mal. Immerhin hatte sie vorher bereits Pfefferspray eingesetzt. Jede*r, die*der das Zeug mal abbekommen hat, wird wissen, dass man danach erstmal nicht wirklich viel sieht. Die Polizei versucht sich damit rauszureden, dass Alizada das Pfefferspray nichts ausgemacht hätte. Er hätte sogar darin “gebadet”. Wie auch immer man sich sowas vorstellen soll. Auch der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes kritisierte die Polizei wenige Tage später in der taz:

Ein Angriff mit einer Hantelstange sei „ganz klar kein Grund, zur Waffe zu greifen“, da man ihr ausweichen könne.

Doch Oberstaatsanwalt Breas hält das für ”in Ordnung”. Selbst ein Gutachten über den Einschusswinkel einer Kugel, das die Anwältin Dierbach von Alizadas Bruder zumindest als auffällig erachtet, schien ihn nicht zu interessieren. Zwar hat Die Anwältin Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft eingelegt. Dennoch zeigt sich hier erneut, dass die Justiz nicht gewillt ist, Polizeigewalt bis hin zu Mord aufzuklären, und dass die Aussagen von Polizist*innen vor Gericht nicht in Frage gestellt werden.

Dabei handelt es sich keinesfalls um einen Einzelfall. Immer wieder sterben vor allem nicht-weiße Menschen in Polizeigewahrsam oder werden bei Einsätzen schwer verletzt und erschossen. Wie auch in Stade. Der Staat hält dabei seine schützenden Hände über seine eigenen Repressionsorganae. Polizeimorde werden nur selten als solche anerkannt und die Verantwortung den Opfern selbst zugeschoben.

Deshalb dürfen wir die Aufklärung nicht dem Staat und seinen Organen überlassen. Ganz im Gegenteil brauchen wir vom Staat unabhängige Untersuchungskommissionen, die solche Fälle wie in Stade untersuchen, aufarbeiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

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