Polizei: Auch Sachsen soll eine kleine Armee bekommen

25.04.2018, Lesezeit 3 Min.
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Spezialkräfte der sächsischen Polizei stehen am 02.09.2017 in Wurzen (Sachsen) am Rande einer Demonstration. Das linksextreme Bündnis «Irgendwo in Deutschland» hat in Wurzen zu einer bundesweiten Antifa-Demo gegen rechte Strukturen mobilisiert. Recrop. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

Nachdem die CSU in Bayern mit ihrem umstrittenen neuen Polizeiaufgabengesetz vorgelegt hat, zieht Schwarz-Rot in Sachsen in Sachen Militarisierung nach: Maschinengewehre, Handgranaten, Fußfesseln ohne Straftat, automatische Gesichtserkennung und vieles mehr soll die Novellierung des Polizeirechts bringen. Doch auch dort formiert sich der Widerstand.

Das bayerische Modell macht Schule. Anders kann man die Verschärfung des Polizeirechts in Sachsen nicht einordnen. Zu ähnlich sind die neuen Befugnisse und deren Rechtfertigung. Der sächsische Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) spricht von „modernen Einsatzmitteln“ und „zeitgemäßen Instrumenten“ für die Polizei. Die Begründung ist ebenso wenig überraschend. Die Befugnisse seien notwendig, damit Sachsen „kein Rückzugsort für Terroristen“ werde. Erinnern wir uns etwa an die Affäre um die Stickereien mit rechter Symbolik in sächsischen Polizeipanzern (von der Frage, warum sie überhaupt Panzer hat einmal abgesehen) oder den brutalen Einsatz sächsischer Beamt*innen gegen die Proteste um den G20-Gipfel im vergangenen Jahr muss wohl eher die Frage gestellt werden, inwiefern die sächsische Polizei Rückzugsort für Terroristen ist. Und genau diese Polizei soll jetzt noch mehr Befugnisse bekommen.

Das sächsische Innenministerium nennt diese zurückhaltend „breitere Observationsmöglichkeiten“ und „neue Durchsuchungsbefugnisse“. Noch ist nicht der gesamte Gesetzesentwurf veröffentlicht, doch die bereits bekanntgegebenen Maßnahmen sind drastisch: Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverbote, Fußfessel für „Gefährder“ (also für Menschen, die noch keine Straftat begangen haben), Ausweitung der Videoüberwachung, automatische Gesichtserkennung in einem 30 Kilometer langen Korridor an der Grenze zu Polen und Tschechien, Abhören und Unterbrechen von Handyverbindungen, Maschinengewehre, Gummigeschosse, Elektroschocker und Handgranaten für das sächsische SEK. Einen „Qualitätssprung“ nennt das der Innenminister. Und er hat recht damit: Das ist eine neue Qualität der inneren Militarisierung.

Der Plan steht also dem neuen bayerischen PAG in kaum etwas nach. Die Koalitionspartner CDU und SPD hätten zwar um die verschiedenen Punkte hart gerungen, heißt es. Doch selbst die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen als liberales Feigenblatt konnte die SPD nicht in dem Entwurf unterbringen.

Noch ist nichts entschieden

In Bayern, wo dieses Jahr gewählt wird, geht die SPD aktiv gegen die Verschärfung des Polizeirechts vor. In Sachsen trägt sie eine sehr ähnliche Verschärfung mit. Trotzdem ist klar: Einschränkungen der Bürger*innen- und Freiheitsrechte sind kein regionales Problem, ebenso wenig wie der politische Rechtsruck, in den sie sich einordnen. Und genauso wie der Rechtsruck nicht an einzelnen Orten geschlagen werden kann, können auch Einschränkungen demokratischer Rechte nicht nur lokal bekämpft werden.

Die Novellierung des Polizeirechts ist eines der zentralen Vorhaben der sächsischen CDU-SPD-Regierung. Seit 1999 ist das Gesetz weitgehend unverändert. Bis August soll das Gesetz verabschiedet sein, in der zweiten Jahreshälfte 2019 in Kraft treten – wenn es nach Innenminister Wöller geht.

Doch noch ist Zeit, den Widerstand zu organisieren. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Landtag, sagte, Wöller habe offenbar denn Wunsch, „den Freistaat in Richtung eines Polizeistaates zu entwickeln.“ Sein Kollege aus der Linken-Fraktion, Enrico Stange, nannte die geplante Bewaffnung bedenklich. Diesen Worten müssen nun Taten folgen. Eine erste Initiative gegen die Gesetzesverschärfung befindet sind in Gründung.

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