Pflege, Gewerkschaft und Streik

28.01.2019, Lesezeit 7 Min.
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In der Pflege gibt es seit Jahren in ganz Deutschland unglaubliche Kämpfe um mehr Personal. Gleichzeitig gibt es ganze Organisierungswüsten, wo zum Teil fast niemand in einem Haus Gewerkschaftsmitglied ist. Und auch keinen Grund dafür sieht, da die Gewerkschaft nur als ein weiterer „Verein” wahrgenommen wird, es im Betrieb keine Streiks gibt, in der die Gewerkschaft als eigene Organisation der Beschäftigten zu erkennen ist.

Ein Problem: Die Gewerkschaftsführungen setzen organisierte Betriebe voraus, um überhaupt zu einem Streik aufzurufen. Das läge formell beispielsweise an der Streikkasse. Keine Mitgliedsbeiträge = leere Streikkasse. Oder am mangelnden Erfolg eines Streiks mit nur wenigen Organisierten. Wir wollen aber streiken, um überhaupt zu organisieren – denn für die Massen, besonders in den kaputtgesparten Sektoren, sind die Gewerkschaften als Kampforganisation wichtig, nicht als Versicherungsanstalt.

Zudem verlieren die Gewerkschaften somit auch das Vertrauen der Belegschaft, die durch diese Vorgehensweise wenig Präsenz der Gewerkschaften in ihrem Betrieb verspürt. Somit kann und wird die Organisierung nicht größer werden. Erst durch gemeinsame Kämpfe und Erfolgserlebnisse kann eine gewerkschaftliche Arbeit wachsen.
Wir brauchen Gewerkschaften, in denen die Mitglieder und auch zukünftigen Mitglieder ihre Kämpfe aktiv führen. Erst mit diesen gemeinsamen Erfahrungen und auch Erfolgen kann das Vertrauen in der Belegschaft wachsen. Kämpfe und Organisierung gehören zusammen! Die gewerkschaftliche Arbeit muss aus der Belegschaft heraus kommen anstatt durch stellvertretende Sekretär*innen, die die Erfahrungen der prekären Betriebssituationen gar nicht mehr kennen. Es braucht also direkte Delegierte aus der Belegschaft, die Kämpfe anführen und über Streiks mitbestimmten, mit gleichem Lohn. Die Beschäftigten sollten diese wählen dürfen und die Posten sollten auch rotieren.

Der große Einfluss bei Arbeitskämpfen und Streiks darf nicht ausschließlich aus der Bürokratie kommen, denn diejenigen, die es betrifft, sollten den größten Einfluss haben, nämlich die Belegschaft. So können wir unsere Gewerkschaften wieder zu schlagkräftigen Organisationen machen, die große Verbesserungen wie eine Senkung der allgemeinen Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich erstreiten, anstatt ständig nur in erzwungenen Abwehrkämpfen um ein bisschen Lohn unterzugehen. Die Grundlagen dafür gibt es in zahlreichen kämpferischen Belegschaften, unter anderem in der Pflege in ganz Deutschland, wo die Unruhe groß ist.

Politik und Ökonomie

Damit unsere Gewerkschaften etwas gegen den Abstieg der allgemeinen Lebensbedingungen tun können, sowohl in der Mitte der Beschäftigten als auch an den prekären Rändern, reicht ein rein ökonomischer Kampf nicht aus. Es muss auch politische Kämpfe aus der Arbeiter*innenklasse geben.

Die politischen Organisationen, die im Moment behaupten, die Interessen derArbeiter*innen zu vertreten, sind die SPD und die Linkspartei. Die SPD hat mit Hartz IV und einer Groko nach der anderen genau das Gegenteil gemacht und vieles zerstört, was von Gewerkschaften jahrelang aufgebaut wurde – mit Erlaubnis der Gewerkschaftsspitzen, die mit der SPD verbunden sind. Auch die Linkspartei hat in Berlin zum Beispiel eine radikale arbeiter*innenfeindliche Outsourcings- und Wohnungsprivatisierungspolitik verfolgt.

Also brauchen wir auch eine eigene Vertretung, die politisch ist. Dafür hat sich das aktuelle politische Mandat des DGB als unzureichend und im Fall Hartz IV sogar als völlig schädlich erwiesen. Wir vertrauen keinen Leuten, die für uns im Kanzleramt aushandeln, dass Merkel zu Gewerkschaftskongressen eingeladen wird. Das ist uns fremd. Es soll eine Gewerkschaft der Arbeiter*innenklasse sein, nicht ein Verein zur Förderung der kaputten Sozialpartnerschaft.

Also stehen wir auch für eine Politisierung der Gewerkschaften. Wir wollen zum Beispiel die Pflegepolitik nicht einem Jens Spahn überlassen. Die Beschäftigten in der Pflege wissen am besten, was gut ist, und sie müssen ausbaden, was andere verbockt haben. Also sollen auch die Beschäftigten über die Pflege entscheiden.

Wir sind gegen einen rein ökonomischen Kampf, sondern für die Vergesellschaftung der Pflege unter Kontrolle der Beschäftigten. Der Neoliberalismus trifft uns als Beschäftigte und wir können ihn aufheben. Deshalb sind wir auch für die Perspektive politischer Streiks, wofür die Grundlage eine radikale Demokratisierung von Gewerkschaften und Streiks ist – das Selbstbewusstsein unter Beschäftigten wächst, wenn wir über unsere eigenen (Kampf-)Bedingungen und -Organisationen entscheiden. Dafür braucht es auch eine politische Organisierung, die sich nicht den vorhandenen Parteien der Sozialpartnerschaft anpasst.

Wir, die Arbeiter*innenklasse, sind nicht irgendeine beliebige „Interessengruppe“, die „Mitsprache“ will, sondern wir halten dieses Land am Laufen und andere profitieren davon. Wir wollen nicht Mitsprache, sondern Arbeiter*innenkontrolle, sonst werden unsere Umstände immer schlechter werden aufgrund des Profitdrucks, gerade im aktuellen Rechtsruck.

Wenn Frauen streiken, steht die Welt still

Motiviert und aufgeweckt von den Frauenkämpfen weltweit, entwickelt sich derzeit in Deutschland wieder eine Frauenbewegung, die sich einen bundesweiten Frauenstreik zum Ziel setzt. Unterschiedliche feministische Strömungen haben hierzu in mehreren Städten Bündnisse gebildet, sowie bundesweite Vernetzungstreffen organisiert. Dieses Jahr am 8. März 2019 werden wir mit der Perspektive, eine Streikbewegung zu bilden, kämpfen.

Die Bewegung eines bundesweiten Frauenstreikes hat großes Potential, längst überfällige Reformen, wie die Legalisierung der Abtreibung zu erkämpfen. Doch Frauenkämpfe können nicht isoliert von Arbeitskämpfen stattfinden. Für arbeitende Frauen funktionieren Ausbeutung und Unterdrückung nicht getrennt voneinander, sondern ihre Unterdrückung ermöglicht eine tiefere Ausbeutung.

Um also die Ursprünge unserer Unterdrückung als Frauen und somit dieses System bei der Wurzel zu packen und zu bekämpfen, brauchen wir die Verbindung zur Arbeiter*innenbewegung: Wichtige Arbeitskämpfe, die geführt werden müssen, betreffen in erster Linie Frauen: Gender Pay Gap, prekäre Arbeitsbedingungen, mangelhafte Möglichkeiten zur Kinderbetreuung etc. Werden die Forderungen der Frauen von Arbeiter*innen gestellt, sind es nicht nur Forderungen nach Privilegien, sondern generalisierte Forderungen für die Mehrheit der Gesellschaft. Eine Verbindung zwischen unseren Arbeitskämpfen und den politischen Forderungen der Frauenbewegung gibt uns die Möglichkeit, Gewerkschaftsarbeit zu politisieren und eine Basis herzustellen, die mehr erreichen will als ein Aushalten bis zu den nächsten Tarifverhandlungen. Außerdem entsteht die Perspektive des politischen Streikes, der bislang in Deutschland verboten ist.

Wenn wir die aktuelle Situation analysieren, sind wir mit einer massiven Passivität durch Fragmentierung der Arbeiter*innen und einer lähmenden Bürokratie in den Gewerkschaften konfrontiert. Wie können wir sie überwinden? Ein sehr aktueller Arbeitskampf, der überwiegend Frauen betrifft, ist der der Pflege. Es ist inzwischen deutlich geworden, dass die Regierung sich nicht für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gesundheit interessiert, dass die Krankenhausträger einzig und allein an ihren Profit denken und dass die Gewerkschaften maximal eine unterstützende Rolle in den laufenden Kämpfen spielen.

Wir brauchen als erste Schritte demokratische Versammlungen, zu denen Gewerkschaften aufrufen. Wir haben die gleichen Interessen, daher wollen wir uns zusammenschließen und die Gewerkschaften als unser Organ des Arbeitskampfes nutzen, um unsere Forderungen umzusetzen.

Dieser Beitrag erscheint am 1. Februar in der dritten Ausgabe der Zeitung marxistische jugend, erhältlich in München (majumuc [at] gmail.com).

Eine neue Frauenbewegung?

Wann? Fr, 1.2., 19 Uhr
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Wo? EineWeltHaus, Schwanthalerstr. 80,
U4/5 Theresienwiese, 80339 München
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