Paris: Sieg der Bahnhofs-Reiniger*innen nach 45 Tagen Streik

20.12.2017, Lesezeit 5 Min.
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Die Reiniger*innen der Firma ONET, die im Auftrag des Verkehrsunternehmens SNCF die Bahnhöfe in Paris putzen, haben einen grandiosen Sieg errungen. Entscheidend war dabei ihre Entschlossenheit und ihr Engagement, ihre Organisation in Versammlungen und die Solidarität. Ein Symbol für prekär Beschäftigte weltweit.

Die Reinigungsarbeiter*innen der Pariser Bahnhöfe haben es geschafft: Nach 45 Tagen Streik erreichten die 84 Kämpfer*innen – alle von ihnen Migrant*innen – am Freitag einen triumphalen Sieg über die Bosse des Unternehmens ONET/H. Reinier. Sie erkämpften sich beinahe alle ihre Forderungen, so zum Beispiel das Ende der ultra-flexiblen Schichtpläne, nach denen die Arbeiter*innen erst am Tag selbst erfuhren, wo sie eingesetzt werden sollten. Diese waren auch einer der ausschlaggebenden Gründe für den Arbeitskampf gewesen. Zuerst hatten letzte Woche neun von ihnen vor Gericht gegen die Eisenbahngesellschaft SNCF, die die Reinigungsarbeit an ONET outgesourct hatte, gewonnen. Ihnen war vorgeworfen wurden, illegal Räumlichkeiten der SNCF besetzt zu haben. Die Strafzahlung von je 500 Euro, zu der die SNCF verurteilt worden war, spendeten die neun Kolleg*innen der Streikkasse. Kurz nach diesem Sieg knickten dann auch die Bosse bei ONET ein.

Außerdem setzten die Aktiven den Übergang aller Beschäftigter in den Tarifvertrag des Transportwesens durch, der bessere Bedingungen als den der Reinigung vorsieht. Die Zahlungen für die Mittagspause wurden erhöht, ebenso wie weitere Prämien erkämpft. Für die Zeit des Streiks zahlt das Unternehmen zwei Wochen Gehalt und nimmt alle Sanktionen gegen die Streikenden zurück. Und besonders interessant: Die Kolleg*innen setzten sich mit der Forderung nach einem Festvertrag für einen Kollegen durch, der Probleme mit seinem Aufenthaltsstatus hatte – und nun in Frankreich bleiben kann. Auch die Verlängerung der Mandate der gewerkschaftlichen Delegierten bis zu den nächsten Wahlen wurde erreicht.

Selbstorganisiert und geeint

Dies schafften die Streikenden, indem sie fest zusammen hielten und sich gegen die Angriffe der Polizei und der Unternehmen ONET und SNCF wehrten. Sie taten dies, obwohl sie verschiedenen Gewerkschaften angehörten, die oft unterschiedliche Positionen vertreten. Und auch, obwohl für sie alle unterschiedliche Bedingungen galten, da bis letzte Woche die Beschäftigten nach unterschiedlichen Tarifverträge bezahlt wurden. Diese Einheit – und ihre Entschlossenheit – konnten sie aufrecht erhalten, indem sie jeden Morgen in Streikversammlungen zusammen kamen. Dort trafen sie gemeinsam und demokratisch alle Entscheidungen – und setzten durch, dass diese dann auch so umgesetzt wurden. Dazu kam, dass die große Mehrheit der Belegschaft sich im Kampf befand: 84 der 110 Beschäftigten streikten mit.

Besonders der großen Einsatzbereitschaft der Kolleg*innen ist dieser Sieg anzurechnen. Sie errichteten drei Streikposten an strategischen Bahnhöfen in der Stadt und waren dort rund um die Uhr anwesend, um zu verhindern, dass die Bahnhöfe von Fremdunternehmen oder Streikbrecher*innen geputzt würden. Gleichzeitig informierten sie dort die Reisenden und warben für Solidarität. Die Streikposten wurden zur Orten, an denen die Kolleg*innen die Vereinzelung überwanden – denn normalerweise putzen die 110 Kolleg*innen in kleinen Grüppchen 75 Bahnhöfe und bekommen einander so nur selten zu Gesicht.

Solidarität war wichtig

Die Streikposten waren aber auch Orte, an denen sie Unterstützung durch andere Sektoren, Reisende und politische Gruppen erfahren konnten, allen voran durch andere Beschäftigte der SNCF, die sich für ihre Kolleg*innen in der Reinigung einsetzten.

Besonders bewegend war ein Besuch von Assa Traoré, Schwester von Adama Traoré, der letztes Jahr von der Polizei ermordet wurde. Assa hat sich seitdem in eine führende Kämpferin gegen rassistische Polizeigewalt und Rassismus verwandelt. Ebenso besuchten feministische Gruppen die Streikenden und wurden herzlich empfangen.

Die Reiniger*innen verbanden sich auch mit anderen kämpfenden Sektoren, wie den Streikenden der Hotelkette Holiday Inn. Essentiell war ebenfalls die Gründung eines Komitees von Unterstützer*innen im Viertel Saint-Denis, vor allem um Solidarität zu organisieren. Das Komitee unterstützte die Kolleg*innen am Streikposten, zum Beispiel mit gemeinsamem Essen, organisierte Demonstrationen und Flugblattaktionen, um mehr Druck aufzubauen und den Kampf bekannter zu machen.

Symbol für andere prekär Beschäftigte

Außerdem war die Solidarität wichtig, um eine Streikkasse aufzubauen. Am Ende kamen insgesamt 70.000 Euro zusammen. Nur mithilfe dieses Geldes war es möglich, in so einem prekären Sektor so lange durchzustreiken – einige der Streikenden verdienen weniger als 600 Euro monatlich und müssen davon auch ihre Familien ernähren. Die Beiträge kamen unter anderem von 3.000 Einzelspender*innen.

Dieser spektakuläre Sieg zeigt, unter welchen Bedingungen es möglich ist, selbst in den prekärsten Sektoren zu gewinnen. Indem die Streikenden sich nicht spalten ließen, sich Tag und Nacht in den Kampf stürzten und seine Führung selber in die Hand nahmen und indem sie aktiv Solidarität organisierten, verwandelte sich der Kampf der Reiniger*innen von ONET in ein Symbol. Und so ist auch ihr Sieg ein Symbol, an dem viele Beschäftigte prekärer Sektoren Mut schöpfen können, gerade in Zeiten neoliberaler Angriffe unter Emmanuel Macron.

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