Offene Grenzen für Panzer statt für Menschen

17.11.2017, Lesezeit 5 Min.
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Am Montag einigten sich 23 der 28 EU-Staaten auf die Erklärung zur „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (PESCO). Im Dokument bekennen sich die Staaten zu einer engeren militärischen Zusammenarbeit auf EU-Ebene. Vorangetrieben wurde diese Einigung vor allem von Deutschland und Frankreich.

Künftig sollen NATO-Truppen ungehindert über die europäischen Grenzen rollen. Was auf den ersten Blick beunruhigend klingt, soll mit PESCO Realität werden. Zurück geht diese Erklärung auf eine Initiative von Deutschland und Frankreich vor anderthalb Jahren. Es beinhaltet bisher insgesamt 47 Projektvorschläge, darunter unter anderem das Bekenntnis aller beteiligten Staaten zur Erhöhung des Militäretats, die Einrichtung von logistischen Drehkreuzen und eben die erleichterte Truppenverschiebung in Europa.

EU-Armee unter deutscher Führung

„Das ist ein weiterer Schritt in Richtung Armee der Europäer“, beschreibt die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen diese Erklärung. Der deutsche Imperialismus befindet sich seit Jahren in einer Offensive. So hat der deutsche Bundestag in den vergangenen Jahren die Aufstockung der Truppenstärke in Afghanistan sowie weitere Einsätze in Mali und im Süd-Sudan beschlossen – teils schon mit einem Mandat der EU. Im Zuge des G20-Gipfels dieses Jahr hat die Bundesrepublik den so genannten „Marshall-Plan“ für den afrikanischen Kontinent zum zentralen Projekt erklärt. Doch auch wenn sich der US-Imperialismus seit Jahren stärker auf dem Rückzug befindet, ist keine Armee in Europa allein in der Lage hegemonial zu werden. Um diese Rolle zu übernehmen, soll PESCO nun ein erster Schritt darstellen. Ursula von der Leyen bekräftigte in einem Interview mit der ARD im Grunde diese These.

Wir haben den Schwung für diese gemeinsame deutsch-französische Initiative eigentlich durch zwei negative Ereignisse im vergangenen Jahr bekommen. Einerseits durch den Brexit – die Briten haben mehr Europa lange blockiert. Und andererseits durch die Wahl des amerikanischen Präsidenten, nach der allen Europäern klar wurde: Wir müssen selbstständig unsere Sicherheit und Verteidigung in die eigenen Hände nehmen, denn die Probleme, die Europa in seiner Nachbarschaft hat, wird uns keiner abnehmen. Die müssen wir schon selber angehen und dafür Lösungen finden.

Mit dem Brexit verschwindet zusätzlich mit Großbritannien einer der größten Kritiker dieses Plans quasi von der Verhandlungsbühne. Doch letztlich handelt es sich dabei nur einen Vorwand, Unterstützung für solch einen Vorschlag in der EU zu bekommen. Denn die Pläne die EU zu einer stärker militärischen Union zu entwickeln, sind so alt, wie die Europäische Union selbst. Anfang der 2000er Jahre wurden bereits die EU-Kampfgruppen gegründet. 3000 Soldat*innen, die die Nationalstaaten der EU zur Verfügung stellen. Zum Einsatz kamen diese Truppen aber nie.

Auf der einen Seite ist PESCO ein weiterer Versuch des deutschen Imperialismus langfristig die militärische Hegemonie der USA anzugreifen und sich damit auch von NATO unabhängig zu machen. Denn Deutschlands als ökonomisch stärkstes Land Europas wird mit Sicherheit auch über solch ein militärisches Projekt die Führung übernehmen – gemeinsam mit dem französischen Imperialismus. Fraglich ist dabei sicherlich, inwiefern sich die anderen Staaten der EU sich dazu bereit erklären, sich ohne weiteres der deutschen Führung unterzuordnen. Dennoch zeigt die hohe Zustimmung zu PESCO durchaus, dass die Wahl von Trump und der Brexit den Willen zu solch einem Projekt innerhalb der EU gestiegen ist. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik besonders während der Krise deutlich gezeigt, dass sie durch ökonomischen Druck in der Lage ist, ihre Politik in der EU konsequent durchzusetzen.

Auch ein Kompromiss mit den USA

Auf der anderen Seite ist PESCO aber auch ein Entgegenkommen zu den USA. Der NATO-General und Oberkommandierende der US-Landstreitkräfte in Europa Ben Hodges fordert schon länger den Abbau von bürokratischen Hürden zur Verschiebung von US-Militär, ein so genanntes „militärischen Schengen“. Die Erleichterung von Truppenverschiebung soll insbesondere ein Signal in Richtung Russland sein. Hodge erklärte dazu bereits vor zwei Jahren, dass „für eine effektive Abschreckungsfähigkeit […] die Allianz in der Lage sein [muss], sich gleich schnell zu bewegen wie die russischen Truppen entlang der Grenzen. Oder besser noch schneller.“ Bisher wird das Verschieben von US-Truppen innerhalb Europas noch durch zahlreiche Zollformalitäten beschränkt.

Besonders aufgrund der neuesten Eskalation im Libanon könnte der Konflikt zwischen Russland und USA sich wieder zuspitzen. Die USA bekannten sich dabei deutlich zu ihren Verbündeten Saudi Arabien und Israel und diskutieren sogar neue Sanktionen gegen den Iran. Russland steht wiederum auf der Seite des Iranischen Regimes, dass auch während des syrischen Bürger*innenkriegs an der Seite des Russlandverbündeten Assad stand. Die Rolle der EU ist in diesem Konflikt noch deutlich unklarer. Besonders der französische Staat unterhält gute Beziehungen zu Teheran und hat den US-Kongress am vehementesten aufgefordert am Atomdeal mit dem Iran festzuhalten. Eine militärische Eskalation zwischen der EU und den USA ist auf kurze Zeit dennoch nicht zu erwarten. PESCO stellt vielmehr ein langfristiges Projekt des deutschen und französischen Imperialismus dar, um sich stärker vom US-Imperialismus und der NATO unabhängig zu machen.

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