Neonazi-Strukturen in der NRW-Polizei. Kein #Einzelfall. Kein Vertrauen in den Staat.

16.09.2020, Lesezeit 4 Min.
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Adolf Hitler, Hakenkreuzen, Darstellungen von Ermordung der Geflüchteten und Schwarzen. Während die Behörden von einem #Einzelfall sprechen, gibt es ein strukturelles #Polizeiproblem. Wir dürfen uns im Kampf gegen rechtsextreme Netzwerke in der Polizei nicht auf den Staat verlassen - wir brauchen unabhängige Untersuchungsausschüsse der Betroffenen und Gewerkschaften!

„Polizei“ by Libertinus is licensed under CC BY-SA 2.0

Heute wurde auf einer Pressekonferenz in NRW vom Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) bekanntgegeben, dass in der Landespolizei ein rechtsextremes Netzwerk aufgedeckt wurde. 29 Polizist*innen sollen in mehr als 5 Chat-Gruppen eine rechtsextremistische und neonazistische Vernetzung innerhalb der Polizei gebildet haben.

Zuvor hatte der Innenminister Horst Seehofer eine Studie über Rassismus in der Polizei abgelehnt. Dabei argumentierte er, dass in einer rechtsstaatlichen Institution rassistisches Handeln sowieso verboten sei. Mit jeder weiteren Entdeckung rechtsextremer Verbindungen innerhalb der Polizei sehen wir, um was für eine Täuschung es sich bei dieser Entscheidung der Bundesregierung handelt, die darauf abzielt, rechtsextreme Strukturen im Staatsapparat möglichst gedeckt zu halten.

In den genannten Chats der 29 NRW-Polizist*innen sollen über 126 Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen, sowie Darstellungen von Geflüchteten und Migrant*innen in einer Gaskammer geteilt worden sein. Die Chatgruppen sollen seit 2013 existieren. Ebenfalls wurden scheinbar Darstellungen von erschossenen Schwarzen gepostet.

Von den genannten Polizist*innen wurden 14 von 29 unmittelbar aus dem Dienst entfernt und bei ihnen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die restlichen 15 kommen vorerst mit milderen Disziplinarmaßnahmen aus. Auf der Pressekonferenz bestritt Reul die Existenz eines strukturellen Problems bei der NRW-Polizei. Zuvor im Juni sagte er, es sei möglich, “dass es in der Polizei sogar weniger Rassisten gibt als im Rest der Bevölkerung”.

Rassismus und Rechtsextremismus in staatlichen Behörden: ein Regelfall

Die Entdeckungen über die Zusammenarbeit von staatlichen Behörden und neo-nazistischen Organisationen und Terrorzellen ist nicht neu. Wie wir an einer andere Stelle schrieben:

„Im November 2011 hatte die Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) dazu geführt, dass die Existenz eines rechten Terrorismus, die von Behörden und Politik jahrzehntelang geleugnet wurde, nicht mehr von der Hand zu weisen war. Ein rechtes Netzwerk hatte über Jahre hinweg ungestört durch Deutschland ziehen, zehn Menschen ermorden und mehrere Sprengstoffanschläge begehen können. Der Verfassungsschutz hatte zugeschaut und die Szene, aus der die Täter*innen kamen, mit aufgebaut.“

Vor einigen Monaten wurde bekannt, dass die Drohmails, die mit der Unterschrift „NSU 2.0“ an linke Politiker*innen gesendet wurden, durch Hilfe von Polizist*innen zustande kamen. Die Daten der Adressat*innen waren auf einem Computer der Frankfurter Polizei abgerufen worden.

Dass im aufgedeckten rechtsextremen Polizeinetzwerk ein Dienstgruppenleiter und ein Polizist aus dem Landeskriminalamt (LKA) aktiv waren, ist nur ein weiterer Beweis. Genau durch solche Vernetzungen und Strukturen in der Polizei finden die faschistischen Terrorzellen Rückendeckung bei ihren Angriffen.

Es läuft jedoch nicht alles verdeckt und im Geheimen durch Chatgruppen. Ganz öffentlich werden Migrant*innen und Linke durch mediale Hetze, wie wenn es um „Dönermorde“ oder „Clankriminalität“ geht, als Feinde dargestellt und so zur Zielscheibe von rassistischen Angriffen gemacht.

Nur weil ein Bundesland von einer Koalition aus Grünen, SPD und Linken regiert wird, ändert das nichts an dem Rassismus in staatlichen Organen. In Berlin geht die RRG-Regierung durch rassistische Polizeirazzien und Kontrollen gegen die migrantische Bevölkerung vor und führt Abschiebungen durch. Die Strategie reformistischer Kräfte wie der Linkspartei, die staatlichen Repressionsorgane zu reformieren, entpuppt sich vor dem Hintergrund ihrer politischen Praxis als Illusion.

Die Polizei und Verfassungsschutz sind nicht reformierbar oder Verbündete im Kampf gegen rechts. Sie sind Teil des Problems, die wir wie in den USA mit Streiks und Massenmobilisierungen bekämpfen müssen. Wir vertrauen den Untersuchungen des Innenministeriums nicht und fordern unabhängige Untersuchungsausschüsse, die von Betroffenen von rechtem Terror und Polizeigewalt, gewählten Vertreter*innen aus Gewerkschaften und migrantischen Basisstruktruren gebildet werden müssen.

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