Nach miserablem Angebot im TVöD: Streiks weiten sich aus!

28.02.2023, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Simon Zinnstein

Das Angebot von Bund und Kommunen verärgert die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst: Eine Umsetzung würde eine deutliche Lohnsenkung bedeuten. Was heißt das für den weiteren Arbeitskampf?

In der Tarifrunde des öffentlichen Diensts wurde beim zweiten Verhandlungstag ein völlig unzureichendes Angebot vorgelegt: Während die Forderung der Gewerkschaften 10,5 Prozent mehr Lohn, beziehungsweise eine Mindesterhöhung von monatlich 500 Euro noch in diesem Jahr enthält, bieten die Bundesregierung und die Kommunen eine Erhöhung weit unter Inflationsausgleich an. Erst im Oktober dieses Jahres soll es 3 Prozent mehr Gehalt geben, weitere 2 Prozent sogar erst im Juni 2024. Für Azubis wurden 200 Euro Erhöhung gefordert, das Angebot seitens der Arbeitgeber:innen ist mit nur 30 Euro ein Bruchteil davon.

Arbeitgeber versuchen die Festgeldforderung von 500 Euro damit umgehen, dass sie Einmalzahlungen in Höhe von 1500 Euro anbieten. Einmalzahlungen sind jedoch völlig unzureichend gegen die Inflation, die bei Lebensmitteln teilweise über 20 Prozent liegt. Ebenfalls sind sie nicht tabellenwirksam, also Kolleg:innen, die nur an TVöD angelehnt sind, bekommen nichts davon, wie die Beschäftigten der ausgelagerten Töchter der Berliner Kliniken.

Insgesamt soll die Laufzeit dann 27 Monate betragen, statt der von den Beschäftigten geforderten 12 Monate. In dieser Zeit soll es außerdem Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro geben. Diese Einmalzahlungen sind jedoch nicht mehr als eine Taktik der Arbeitgeber:innen, um ihr Angebot gegenüber der Bevölkerung zu beschönigen und diese im Falle einer längeren Streikphase gegen die Krankenhausbeschäftigten aufbringen zu können. Gerechnet auf die Laufzeit sind sie nämlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der nur einen Moment lang Abhilfe schafft, angesichts der weiterhin hohen Inflation aber langfristig einen noch höheren Reallohnverlust bedeutet.

Besonders skandalös: Laut ver.di will der Verband der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) einen Zusatztarifvertrag, genannt “TV Zukunftssicherung der Krankenhäuser”, abschließen, der in kommunalen Krankenhäusern Gehaltsabsenkungen von bis zu 6 Prozent ermöglichen würde. Dies sei nötig, um die Kliniken zu „sanieren“. Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) konzipierte Krankenhausfinanzierungsreform würde vermutlich dafür sorgen, dass viele Krankenhäuser davon betroffen sein werden. Dass in den Kliniken aber nichts besser wird, wenn die Beschäftigten nicht nur weiterhin dieselbe Überlastung erfahren, sondern dafür auch noch weniger Geld bekommen, weiß vermutlich auch der VKA. Aber die Ampelkoalition und Lauterbach betreiben eine neoliberale Gesundheitspolitik, in der schwarze Zahlen wichtiger sind als das Wohlergehen von Beschäftigten und Patient:innen.

Lauterbachs Parteikollegin und Innenministerin Nancy Faeser beschrieb das Angebot in einer Pressemitteilung als „Ausdruck des Respekts vor dem, was die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen tagtäglich für uns alle in Deutschland leisten“.

Die Beschäftigten sind davon zu Recht empört. Der Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke kritisierte das Angebot ebenfalls und fügte hinzu: „dann wird es sowohl in Bezug auf die Dauer von Warnstreiktagen als auch die Zahl der betroffenen Bereiche eine Ausweitung geben bis zum dritten Verhandlungstermin.“

Diese Ausweitung ist angesichts des dreisten Angebots absolut nötig, denn ohne ausreichenden materiellen Druck werden die Forderungen nicht erfüllt werden. Deswegen sollten die Beschäftigten den Kurs weiterverfolgen, der bereits in Berlin eingeschlagen wurde: Hier haben sich TVöD-Beschäftigte am Montag bereits zum dritten Mal zu Delegierten-Versammlungen zusammengefunden, um über Maßnahmen zur Stärkung des Streiks und Öffentlichkeitsarbeit zu diskutieren.

Solche Delegierten-Versammlungen, sowie Versammlungen, an denen alle Streikenden eines Bereichs zusammenkommen, sollten demokratisch über den Fortgang des Arbeitskampfs entscheiden. Dazu gehört spätestens nach dem dreisten Angebot der Gegenseite auch die Frage des Erzwingungsstreiks. Denn ab der dritten Verhandlungsrunde Ende März wird der Arbeitgeber höchstwahrscheinlich auf eine Schlichtung hinarbeiten, die eine Einflussnahme der Politik in die Tarifauseinandersetzung bedeutet, während es keine weiteren Streiks stattfinden. Damit die Ver.di Bundestarifkomission (BTK) das zu erwartende schlechte Schlichtungsangebot ablehnt und Urabstimmung für einen Erzwingungsstreiks einleitet, braucht es großen Druck aus der Basis, durch den die Streiks im März kräftiger werden und eine Kraft aufgebaut wird, die einen mehrwöchigen unbefristeten Streik durchführen kann.

Bisher angekündigt sind zwei Warnstreiktage der Berliner Krankenhausbewegung (Vivantes, Charité und Jüdisches Krankenhaus) am 6. und 7. März. Zudem wird eine Demonstration für den 25. März geplant, die möglichst große Teile der Bevölkerung und Unterstützer:innen aus anderen Sektoren zusammenbringen soll, um kurz vor dem dritten Verhandlungstag Druck auf die Arbeitgeber:innenseite auszuüben.

Am 01.März findet zudem ein bundesweiter Streiktag für die TVöD Auszubildenden statt.

Zugleich müssen wir in den Streiks über die Forderungen nach mehr Gehalt hinausgehen. Denn die Ursache von Inflation und Krise ist der Krieg und die Spirale der Aufrüstung. Deshalb sehen wir die Notwendigkeit, uns nicht nur gegen die Inflation zu stellen, sondern auch eine politische Opposition zur weiteren Aufrüstung und der Fortführung des Krieges zu sammeln.

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