Mobilisierungen auf Kuba und die Verteidigung der Revolution

16.07.2021, Lesezeit 10 Min.
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von Domitille P / shutterstock.com

In Kuba will die pro-imperialistischen Rechte die Volksmobilisierungen ausnutzen. Diese richten sich gegen die soziale Not, die sich durch die Pandemie verschärft hat. Der Ernst der Lage erfordert eine Debatte darüber, wie wir gegen die Blockade und den Imperialismus kämpfen und gleichzeitig die Errungenschaften der Revolution von 1959 verteidigen können.

Die Volksmobilisierungen in Kuba sind das Produkt enormer gesellschaftlicher Not, die sich seit Covid-19 verschlimmert. Die verbrecherische imperialistische Blockade spitzt die Situation zu, da sie Kuba den Zugang zu Grundversorgungsgütern für die Produktion von Lebensmitteln und Medikamenten sowie zu Erdöl verwehrt, was zu Engpässen führt.

In diesen Mobilisierungen lassen sich vor allem zwei gesellschaftliche Kräfte beobachten: Die, auf denen der Castrismus beruht und die feindlichen Tendenzen, die durch die restaurative Politik der letzten 25 Jahre entstanden sind. Selbst der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel erkannnte die Realität der sozialen Bewegung an als er feststellte, dass bei den Mobilisierungen „nicht jeder ein Konterrevolutionär ist. Es gibt eine Minderheit von Konterrevolutionären, die versucht haben, die Aktionen der Menschen anzuführen, die – ob revolutionär oder nicht – unzufrieden und verwirrt […] sind, denen es an Informationen fehlt und die ihre Situation zum Ausdruck bringen wollen.“

Die pro-imperialistische Opposition und die Rechte des gesamten Kontinents greifen die Unzufriedenheit der Bevölkerung auf, um das Regime zu schwächen.

Die kriminelle Blockade

Die imperialistische Blockade besteht seit 60 Jahren. Sie erklärt viele der Probleme des kubanischen Volkes. Joe Biden setzt die Politik Donald Trumps gegenüber der Insel fort, der die Blockade und die Wirtschaftssanktionen verschärft und somit Barack Obamas Politik der bilateralen Verhandlungen ein Ende gesetzt hatte, der im März 2016 Kuba sogar besuchte. Damals machte die kubanische Regierung die Aufhebung der Blockade nicht zu einer unabdingbaren Bedingung für die Aufnahme von Verhandlungen. Stattdessen stellte sie den Wechsel in Washingtons Außenpolitik als Sieg dar, auch wenn die verbrecherische Blockade aufrechterhalten wurde. Sie vergaßen den von Ernesto Che Guevara aufgestellten Grundsatz, dass „man dem Imperialismus nicht trauen kann, nicht einmal ein bisschen“.

Die Heuchelei des rechten Flügels und des Imperialismus

Das Wort „Demokratie“ im Munde der Vertreter:innen des Imperialismus und des rechten Flügels ist ein Ausdruck des übelsten Zynismus und der Heuchelei. Es war der Imperialismus selbst, der Militärputsche und völkermörderische Diktaturen im Namen der nationalen Sicherheitsdoktrin förderte, um die Auswirkungen der kubanischen Revolution in den 1960er und 1970er Jahren zu stoppen.

Das Gleiche gilt für die überparteiliche und marionettenhaften Rechte in Lateinamerika. Um nur ein Beispiel zu nennen, rief Mauricio Macri zur „Solidarität“ mit Kuba auf: „Ich möchte das kubanische Volk unterstützen, das auf die Straße gegangen ist, um ein Ende der Diktatur und eine dringende Verbesserung seiner Lebensbedingungen zu fordern“.

Macri spricht von Verbesserung der Lebensbedingungen, obwohl er Argentinien durch die Verschuldung an den IWF und dem Imperialismus ausgeliefert und das Volk zum Elend verdammt hatte. Er spricht von Demokratie, obwohl gerade ans Licht gekommen ist, dass er der Putschregierung von Janine Añez und dem Militär Waffen zur Unterdrückung des bolivianischen Volkes geschickt hatte, mit denen diese Verbrechen gegen das Volk in El Alto und Senkata verübten.

Das Ziel des Imperialismus und des rechten Flügels ist kein anderes als eine Konterrevolution zu provozieren, die Kuba in seinen Status als Halbkolonie der USA zurückversetzen und der durch die Revolution von 1959 vertriebenen Oligarchie erlauben würde, die enteigneten Besitztümer wieder zu übernehmen.

Bürokratie und Repression

Die Volksmobilisierungen lassen sich nicht nur durch die Härten der Blockade erklären, sondern auch durch die pro-kapitalistische Politik der Castro-Bürokratie. Die brutale Abwertung der Währung und die Liberalisierung ganzer Wirtschaftsbereiche für private Aktivitäten sind die jüngsten Maßnahmen in Richtung, gesellschaftliche Ungleichheit und wachsende Unruhen weiter zu begünstigen.

Seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten unterstützt die Bürokratie eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung, um kapitalistische Verhältnisse wiederherzustellen. Diese hat zur Entwicklung von inneren, der Revolution feindlich gesinnten Kräften geführt, besonders in den Reihen der Bürokratie selbst, die die profitabelsten Sektoren der Wirtschaft kontrolliert. Es sind die kleinen Landbesitzer:innen, die der pro-imperialistische gusano (eine Bezeichnung, die für konterrevolutionäre Auswanderer:innen verwendet wird) zu beeinflussen versucht, um die soziale Bewegung zu kapern. Gleichzeitig hofft der Imperialismus, die wohlhabenden Bürokrat:innen zu beeinflussen, um die Einheit des Regimes zu brechen.

Die repressive Antwort der Castro-Bürokratie zielt nicht darauf ab, die Bedrohungen gegen die Revolution zu bekämpfen. Vielmehr benutzt sie den pro-imperialistischen rechten Flügel, den Diaz-Canel selbst als Minderheit definiert, als Vorwand, um seine Kastenprivilegien und das Machtmonopol einer einzigen Partei zu verteidigen: Der Kubanischen Kommunistischen Partei (PCC), die die Freiheiten des kubanischen Volkes erstickt.

Verteidigung der Revolution oder Verteidigung der Bürokratie

Die internationalen Verteidiger:innen der Bürokratie, wie der Kirchnerismus (der „progressive“ Flügel des Peronismus in Argentinien) oder die Überbleibsel des Stalinismus, sind der Meinung, dass man sich darauf beschränken sollte, ein Ende der Blockade zu fordern und die Mobilisierungen für gusanos anzuprangern. Für diese Verteidiger:innen des Regimes gilt jede Kritik an der Bürokratie, vor allem von links, als funktional für den Imperialismus.

Die pro-imperialistischen Kräfte zu bekämpfen, indem man die Unterdrückung des Volkes und die pro-kapitalistische Politik der KPC unterstützt, ist ein Fehler, der die Revolution nicht verteidigt. Die Disqualifizierung jeglicher Kritik von links stellt eine Wiederholung einer stalinistischen Methode dar, um jede:n Oppositionelle:n zum Schweigen zu bringen. In der Vergangenheit hat das Schweigen gegenüber den stalinistischen Diktaturen Osteuropas, der UdSSR und Chinas deren Untergang im Jahr 1989 nicht verhindert. Denn es verhinderte, dass sich die Arbeiter:innenklasse im entscheidenden Moment auf vorangegangene Kämpfe und Kämpfer:innen stützen konnte, um der Bürokratie ihre eigene Politik entgegenzustellen, die die Enteignung der Bourgeoisie und der Großgrundbesitzer:innen keineswegs verteidigte und stattdessen ins Lager der kapitalistischen Restauration überging.

Die Verteidiger:innen des Castrismus verschweigen zudem, dass unter anderem die katholische Kirche und andere Religionen, die seit dem Besuch von Papst Johannes Paul II. 1997 legal co-existieren, auf Kuba Verbündete der restaurativen Kräfte sind während die sozialistischen und/oder antiimperialistischen Kräfte und Parteien, die auf dem Boden der Revolution stehen, verboten wurden. Erstere, die linke Kritiker:innen ebenfalls schlechtmachen, verhalten sich zudem überhaupt nicht zur „fortschrittlichen“ Diplomatie, die die Blockade zwar kritisiert, selbst aber keine einzige Schiffsladung mit Medizin, Lebensmitteln oder Öl geschickt hat, um dem kubanischen Volk in diesen dramatischen Stunden zu helfen.

Die Sünde der Revolution

Das bürokratische Regime hat seinen Ursprung im außergewöhnlichen Charakter der kubanischen Revolution. Durch diese kam erst eine kleinbürgerliche Guerilla-Führung, die der M26, an die Macht, die dann aber dem doppelten Druck der bewaffneten Massen einerseits und dem Imperialismus andererseits ausgesetzt war. Che Guevara sagte, dass so zu einer Gegenputschrevolution kam, die die Bourgeoisie und die Landbesitzer:innen enteignete. Dies führte zu einem deformierten Arbeiter:innenstaat, in dem die Macht statt von den selbstorganisierten Massen von einer Bürokratie übernommen wurde, die die materiellen Grundlagen verteidigt, die ihren Interessen und Kastenprivilegien dienen.

Die Unterdrückung aller Formen von Selbstorganisation und Demokratie ist eines der Merkmale des Regimes, das sich am Ende unter stalinistischem und sowjetischen Einfluss in der kubanischen Revolution durchsetzte. Ein Beispiel ist die berühmte ökonomische Debatte über die Industrialisierung, in der Che Guevara gegen die kubanischen Stalinist:innen antrat.

Die Debatte wurde ohne die Beteiligung der Massen an etwas so Grundlegendem wie der Wirtschaftspolitik geführt. Ohne revolutionäre Institutionen zu schaffen, in denen die Arbeiter:innen selbst über den Weg nach vorn hätten entscheiden können. Guevara wurde besiegt, weil er keine Arbeiter:innen- und Bäuer:innendemokratie forderte, sondern die Einheitspartei verteidigte.

Der Sieg der stalinistischen Linie bedeutete, dass Kuba in ein Land verwandelt wurde, das von der Monokultur von Zucker abhängig war, der gegen Öl und Industrieprodukte an die UdSSR getauscht wurde. Auf diese Weise hat es die Revolution nie geschafft, Kuba aus seiner strukturellen Rückständigkeit herauszuholen, was einer der Gründe für die heutige Schwäche der kubanischen Wirtschaft ist.

Sozialismus in einem Land

Das Bündnis mit dem Kreml bedeutete die Unterstützung der Castro-Bürokratie für die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 durch die Rote Armee. Sie brandmarkte die politische Revolution der tschechoslowakischen Arbeiter:innen und Jugendlichen, die sich demokratisch organisierten, um den Arbeiter:innenstaat zu erneuern, als konterrevolutionären Aufstand.

Aber es bedeutete für die kubanische Revolution auch, sich innerhalb der Grenzen der Insel zu isolieren und jede Aussicht auf die Förderung sozialer Revolutionen in Lateinamerika aufzugeben, indem sie der (unmöglichen) Logik des Sozialismus in einem einzigen Land folgte. So schloss sich Fidel Castro der Erfahrung des friedlichen Weges zum Sozialismus sowie der Klassenversöhnung der Unidad Popular in Chile an und forderte in den ersten Jahren der sandinistischen Revolution, dass Nicaragua kein neues Kuba werden dürfe, das die Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer enteigne.

Nach der so genannten „Sonderperiode“ der frühen 1990er Jahre, als die restaurative Politik bereits in Kraft getreten war, verbündete sich der Castrismus mit dem Chavismus in Venezuela und den „fortschrittlichen“ Regierungen des frühen 21. Jahrhunderts. So rief er die Arbeiter:innen und Bäuer:innen dazu auf, sich mit ihrer eigenen Bourgeoisie zu versöhnen und auf alle Versuche der Transformation mit revolutionären Mitteln zu verzichten. Dies entfernte ihn nur weiter von Che Guevara, der aus der kubanischen Revolution die Schlussfolgerung gezogen hatte, dass die nationalen Bourgeoisien die Hintermänner des Imperialismus seien und die Alternative entweder eine sozialistische Revolution oder eine Karikatur der Revolution sei.

Verteidigung der Errungenschaften der Revolution von 1959

In Kuba müssen die Arbeiter:innen und Bäuer:innen ihren eigenen Ausweg aufzeigen, um den Imperialismus zu besiegen und dem bürokratischen Regime und seiner restaurativen Politik, die sie ins Elend stürzen, ein Ende zu setzen. Die Unterdrückung des mobilisierten Volkes zu unterstützen, bedeutet, den pro-imperialistischen, restaurativen Kräften die Führung zu überlassen, die demagogisch die Banner der Demokratie hochhalten, um zum Kapitalismus und dem alten Status eines halbkolonialen Kubas zurückzukehren.

Die demokratischen Fahnen dürfen nicht an den Imperialismus und seine Agenten verschenkt werden, sondern müssen erkämpft werden, indem ein Ende der Repression, Freiheit für die Gefangenen und politische sowie Organisationsfreiheit für die kubanischen Massen gefordert werden.

Es ist notwendig, für die Legalisierung der antiimperialistischen linken Parteien und Kräfte zu kämpfen, die für Errungenschaften der Revolution einstehen. Es geht darum, die großen Massen gegen die verbrecherische Blockade, die restaurative Politik und die Privilegien der Bürokratie aufzurichten. Den Kampf auf die Verteidigung der Errungenschaften auszurichten, die von der Revolution von 1959 übrig geblieben sind, wie z.B. das Recht auf Wohnraum, auf kostenlose und hochwertige Gesundheitsversorgung, auf Bildung; das Monopol des Außenhandels in Schutz zu nehmen und einen umfassenden Wirtschaftsplan vorzulegen, der von den selbstorganisierten Arbeiter:innen und Bäuer:innen beschlossen wird.

Es geht darum, den Kräften der pro-imperialistischen Demokratie und der bürokratischen Diktatur eine antikapitalistische, antiimperialistische, antibürokratische und linke Perspektive der politischen und sozialen Revolution entgegenzusetzen, die die Regierung der Arbeiter:innen-, Bäuer:innen- und Soldatenräte errichtet. Die Wiederbelebung der kubanischen Revolution wird ein befreiender Hauch frischer Luft für die unterdrückten Massen Lateinamerikas sein.

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