„Meiner Einschätzung nach versucht man, einen Keil zwischen Linke und Gewerkschaft zu treiben“

07.05.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Jannis Tobias Werner // shutterstock

Interview mit Sebastian Stark, Mitglied von DIE LINKE Stuttgart, der die Repressionen am 1.Mai in Stuttgart hautnah miterlebt hat.

In Stuttgart gab es Repressionen gegen mehrere 1. Mai Demonstrationen. Angefangen hat es mit der DGB-Demonstration. Wie sah die Repression der Polizei aus? Welche Blöcke wurden dort angegriffen von der Polizei?

Angegriffen wurde der Block aus dem Umfeld des Linken Zentrums Lilo Hermann in Stuttgart und der Gruppe „Solidarität und Klassenkampf“. Dort wurde ein Rauchkanister wie er häufig auch auf gewerkschaftlichen Demonstrationen eingesetzt wird genutzt und ein Papiertransparent aufgespannt das dann vom Block durschritten werden sollte um symbolisch den Kapitalismus zu zerreißen. Diese Demonstrationsgestaltung Hat der Polizei genügt mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen den Block vorzugehen und die DGB Demo etwa 45min aufzuhalten.

Anschließend konnte die revolutionäre 1. Mai Demo nicht einmal loslaufen. Wie wurde dort die Repression begründet?

Immer wieder bekommen linke Demonstrationen absurde Auflagen. So wird die Breite von Transparenten auf 1,50m festgelegt. Der Abstand zwischen Transparenten soll mindestens 2m betragen. Die Höhe wird auch begrenzt. Außerdem wurde das Tragen auch medizinischer Masken vollständig untersagt. Den Verantwortlichen ist natürlich klar, dass solche Auflagen unmöglich durchzusetzen sind? Welches Transparent ist denn nur 1,50 breit? Welche Inhalte sollen darauf dargestellt werden? Außerdem nehmen an Großdemonstrationen auch immer noch Leute teil die aus privaten gesundheitlichen Gründen vorsichtig sind was Corona angeht. Soll man denen das Tragen einer medizinischen Maske verbieten? Diese Auflagen werden so festgelegt, dass von Anfang an klar ist: Die Demo wird nicht loslaufen gelassen. Das ist eine massive Einschränkung der Demonstrationsfreiheit.

Die Repressionen auf der DGB-Demo hatten möglicherweise den Hintergrund, organisierte Linke aus den Gewerkschaften zu drängen und zu isolieren. Kannst du uns mehr dazu erzählen?

In Stuttgart sind verschiedene Teile der radikalen Linken schon lange ein relevanter Teil vor allem von ver.di. Das führt immer wieder zu fruchtbarer Zusammenarbeit wie am 8. März wo die Frauenkampftagsdemo linker Gruppen und Parteien mit einem Streiktag der Beschäftigten des ÖD also aus Kitas und Krankenhäusern zusammen organisiert wurde. Auch da gab es schon massive Repression und Gewalt gegen die Veranstalterinnen. Meiner Einschätzung nach versucht man da wieder einen Keil zwischen Linke und Gewerkschaft in Stuttgart zu treiben.

In einer Pressemitteilung haben die Demosanitäter:innen 94 Behandlungen aufgelistet. Wie hast du die Polizeigewalt an dem Tag empfunden und beobachtet?

Die war massiv. An einem 1.Mai habe ich persönlich so etwas noch nie erlebt. Vor allem der massive Einsatz von Pfefferspray das ohne Vorwarnung über Transparente hinweg in die Menge gesprüht wurde. Das nicht durchlassen von Demosanis.

Angesichts der massiven Repressionen gegen die Arbeiter:innenbewegung am 1.Mai und generell, was denkst du dazu, dass die “Gewerkschaft” der Polizei Teil des DGB ist?

Die GdP gehört grundsätzlich nicht in den DGB. Die Aufgabe einer Gewerkschaft ist es, sich für ihre Mitglieder auch arbeitsrechtlich einzusetzen. Das heißt im Falle der Polizei sich einzusetzen für Polizist*innen, die Gewalt anwenden oder auch rassistisch auffallen. Man stellt sich ja auch offen gegen Rassismus Studien in der Polizei. Das stellt natürlich einen offenen Widerspruch zu den Arbeiter*innen in allen anderen Gewerkschaften dar, denen die Polizei auf ihren Demonstrationen gegenübersteht, und deren Mitglieder angegangen werden. Dies ist ein Widerspruch, der sich auch nicht auflösen lässt.

Was würdest du dir jetzt für eine Reaktion vom DGB & von den Veranstalter:innen des revolutionären 1.Mai erwarten?

Vom DGB würde man sich natürlich Solidarität mit allen wünschen, die am 1.Mai von Repression betroffen sind. Da mache ich mir bei den höheren Ebenen der Gewerkschaftsbürokratie aktuell aber wenig Hoffnung. Wir haben in Stuttgart Netzwerkstrukturen gegen Repression. Ich hoffe wir kommen da mit verschiedenen linken Gruppen ins Gespräch über weitere Schritte, zum Beispiel wie wir da auch dem Narrativ der Polizei entgegen treten können. DIE LINKE Stuttgart ist bereit als Bündnispartner zu agieren. So hat Bernd Riexinger mit seiner Anwesenheit als Bundestagsabgeordneter schon vor Ort versucht die Polizei zur Deeskalation zu bewegen, leider erfolglos. Unsere Kreisvorstände und Gemeinderäte waren bei beiden Demonstrationen vor Ort und von Repression betroffen, und werden das weiter thematisieren.

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