LMU-Waffenforscher: „Kollateralschäden sind traurig, aber…“

13.02.2017, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Ein Besuch beim Bombenbastler Thomas Klapötke in München Großhadern zeigt: Der LMU-Professor steht voll hinter den Kriegseinsätzen der NATO. Mit einigem Stolz baut er an High-Tech-Waffen, um präzises Töten zu ermöglichen.

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Am vergangenen Dienstag bekam Professor Klapötke in seiner Vorlesung Besuch. Etwa zehn Aktivist*innen vom Bündnis „Kriegsforschung stoppen“ haben mit einer das Thema „Kriegsforschung“ etwas mehr ins Zentrum der studentischen Aufmerksamkeit an der Uni München gerückt. Daran beteiligten sich Studierende vom SDS (Hochschulverband der Linkspartei), der Alternativen Liste (ALi) und Waffen der Kritik.

Kontroverse Diskussionen vor dem Hörsaal

Der erste Teil der Aktion bestand aus einem Teach-In in der Großhaderner Aula. Dabei wurden etwa 20 Studierende über die Rüstungsforschung aufgeklärt, die direkt an dem Ort, an dem sie täglich lernen, stattfindet. Benannt wurde auch die Finanzierung der Forschung durch Bundeswehr und U.S. Army. Es entwickelten sich einige Diskussionen mit interessierten Studierenden unter anderem zur Zusammensetzung des Bündnisses und zur Möglichkeit einer Zivilklausel.

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Doch auch Klapötkes Anhänger ließen nicht lange auf sich warten und erschienen schon bald mit zwei Studenten höheren Semesters. Im Verlauf der Debatte mit ihnen stellte sich heraus, dass einer für die Bundeswehr, der andere für die U.S. Navy geforscht hatte, und dass beide darauf auch noch stolz waren.

Der Plan, gemeinsam zu im zweiten Teil der Aktion in die Vorlesung zu gehen, wurde von der Hausverwaltung unterbunden. Sie wollte dem für Großhaderner Verhältnisse wohl ungewohnten politischen Treiben nicht tatenlos zusehen. Noch während der Diskussion mit den beiden Nachwuchs-Kriegsforschern begannen vier Securities die Tür zum Vorlesungssaal zu blockieren.

Kriegsspielchen in Klapötkes Powerpoint-Präsentation

Im Vorlesungsraum fand die Diskussion mit Klapötke statt. Er schaffte es, auf fast allen Folien seiner Powerpoint-Präsentation kleine Soldat*innen, das Emblem der U.S. Navy oder Fotos von schwerem Kriegsgerät unterzubringen. Einer der von ihm entwickelten Sprengstoffe hatte ein eigenes „Logo“ mit einer Kobra.

In der Vorlesung vor 20 Studierenden und Angestellten Klapötkes referierte dieser über die chemischen Spezifika von Raketen- und Torpedotreibstoff und Treibladungen für Handfeuerwaffen. Im Anschluss kam es in den letzten 15 Minuten zur Diskussion mit den Aktivist*innen.

Einmal antwortete Klapötke ablenkend auf die Frage, ob ihm bewusst sei, dass die allermeisten Kriege aus ökonomischem Interesse geführt würden: „Wenn Sie das fragen, fragen Sie bestimmt als nächstes, wie ich mir sicher sein kann, dass die Waffen nicht in die Hände von Terroristen geraten.“ Die eigentliche Frage ignorierte er und argumentierte, dass Terrorist*innen es nur um eine möglichst hohe Zahl von Toten gehen würde und daher sein präziser und teurer High-Tech-Sprengstoff für sie uninteressant wäre.

„Wenn wir nicht an diesen Waffen forschen, wird es jemand anderes tun“

Auf die Frage aus dem Publikum, ob die Aktivist*innen nicht selbst auch „abdrücken“ würden, wenn sie als Soldat*innen einen Checkpoint bewachten, auf den ein verdächtiges Fahrzeug zuraste, antworteten diese, man solle erstmal keinen Krieg anfangen. Das quittierten Studierende aus Klapötkes Fanclub mit lautem Gelächter.

Immer wieder argumentierten Klapötke und einige Zuhörer*innen: „Wenn wir nicht an diesen Waffen forschen, wird es jemand anderes tun.“ Das ist als würde man sagen: Wenn Pilot*innen keine Bomben werfen, werden es andere tun. Und deswegen tragen sie keine Verantwortung? Deshalb ist ihr Handeln weniger verwerflich?

Für seine Waffenforschung will Klapötke keine Verantwortung übernehmen. Was damit passiert, geht ihn nichts an: „Das Wissen stammt vielleicht von mir, aber ich hab moralisch kein Problem damit, wenn jemand anderes eine falsche Entscheidung trifft.“ Ähnlich argumentierte Klapötke, als er darauf angesprochen wurde, dass seine Bombenforschung auch dem despotischen Regime Saudi-Arabiens als Bündnispartner der NATO zugute kommt:

Ich finde es in vieler Hinsicht falsch, wie die Saudis Krieg führen. Sie werden es aber tun, ob sie jetzt amerikanische, deutsche oder russische Systeme einsetzen. Wenn sie das Geld für advanctere Systeme ausgeben, die weniger Kollateralschaden haben, dann sehe ich das nicht als negativ an.

„Der Kollateralschaden wird auf zehn Prozent reduziert“

An dieser Stelle avancierten Klapötke und die ihm wohlgesonnenen Studierenden zu wahren Lebensretter*innen. Immer wieder wiesen sie darauf hin, dass die Forschung aus Großhadern ja auch dazu beitrage, Kollateralschäden zu verringern. Klapötke sagte ganz explizit, dass seine Sprengstoffe, im Gegensatz zu anderen, in der Lage seien, ein ganz bestimmtes Haus zielsicher zu zerstören:

Wenn der erfolgreiche Einsatz, der Success der Mission, Kollateralschäden einfordert, dann ist das sehr traurig. (…) Wenn Sie da das Haus mit TNT zerstören wöllen, dann ist der Abfall der Energie so [gestikuliert], das heißt, alles im Umkreis von 200 Metern legen Sie mit in Schutt und Asche. Wenn Sie metallisierte Sprengstoffe (…) einsetzen, dann (…) haben [Sie] einen größeren energetischen (…) Punkt an der Stelle, wo Sie ihn haben wollen (…) und der Kollateralschaden ist nicht gleich Null, aber auf zehn Prozent reduziert. Und wenn ich den gleichen Success der mission erreichen kann und den Kollateralschaden um 90 Prozent reduzieren kann, dann finde ich das gut.

Die Weiterentwicklung von Waffentechniken stellt Klapötke so als zivilisatorischen Fortschritt dar. Doch gerade ein bereits hochautomatisierter Krieg durch Drohnen und Bombardements, der die Zivilisation in den betroffenen Regionen zerstört und so Phänomene wie den IS ermöglicht, wird durch seine Forschung weiter getrieben. Klapötke drückt zwar selber nicht ab, aber hilft bei der Perfektionierung des modernen Krieges im Nahen Osten und Nordafrika.

Immer wieder wurde, in der einen oder anderen Spielart, auch folgendermaßen argumentiert: „Die Welt ist nun einmal wie sie ist. Es gibt Kriege, Deutschland (also ‚wir‘) braucht deshalb Streitkräfte und die sollen dann gefälligst auch ordentlich bewaffnet werden.“ Klapötkes gesamte Argumentation beruht letztlich darauf, dass er für „seine“ Truppen, die Bundeswehr, und für „seine“ Bündnispartner, NATO und U.S. Army, die bestmöglichen Waffen haben will.

Not our troops

Doch der bewaffnete Arm des Staates sind nicht „unsere“ Truppen. Passend sagte einer der Aktivisten nach der Vorlesung, er habe viel mehr Angst vor der deutschen Armee als vor Terrorist*innen.

Denn in Zeiten von Aufrüstung und der Debatte um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist klar: Der Staatsapparat geht auch gegen Streiks und Demonstrationen von Kommiliton*innen und Kolleg*innen vor. Je besser er militärisch ausgerüstet ist, umso leichter tut er sich damit. „Wir“ bilden keine Einheit eines „deutschen Volkes“, wie es uns der Patriot Klapötke gerne weismachen will. Die gemeinsamen Interessen, die Student*innen und Beschäftigte mit von der Leyen, Merkel oder Rüstungseigentümer*innen haben, sind verschwindend gering.

Der Frieden, den Klapötke mit seinen Waffen bewahren will, ist vor allem der Frieden in Europa unter deutscher Hegemonie, gebaut auf Überwachung nach Innen und Kriegen nach Außen. Klapötke meinte in genau diesem Sinne, die Hochrüstung während des Kalten Kriegs habe zu mehr Frieden geführt. Er verbindet diese Zeit mit der Abwesenheit bewaffneter Konflikte in Europa, ignoriert aber die blutigen Stellvertreter*innenkriege wie in Korea, Vietnam, Laos, Afghanistan oder dem Kongo und die lateinamerikanischen Militärputsche auf Betreiben der USA. Klapötkes „Frieden“ ist der von hochgerüsteten Nationalstaaten. Unser Frieden kennt keine Grenzen.

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