Kriegerin unter tausend Kriegern

01.05.2018, Lesezeit 3 Min.
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Rapperin Eunique veröffentlicht kraftvolles Debütalbum „Gift“ mit fragwürdigen Featuregästen.

Wir springen wie Trampolin
Lilane Scheine wie Tellerminen
Sprengen die Panzer, bis Frauen wie’n Mann verdienen
– Lila

Ihr Rap fällt auf: mit Autotune, Gesang und präzisen Lines nimmt sie sich den Platz, der ihr zusteht, im nach wie vor immer noch männerdominierten Deutschrap. Eunique rappt auf ihrem 19 Tracks langen Album, was bei Chapter ONE erschienen ist, über Geld und Gewalt, doch auch über Prekarisierung und Ungerechtigkeit:


Schluss, Kind allein zuhause
Mama muss arbeiten, Miete bezahl’n
Tochter denkt sich, selbst ist die Frau
Geh‘ raus, ficke die Welt
– 040

Eunique verstellt sich nicht. Ihre Musik klingt nicht wie Judith Butler, sondern nach Straße, auf Beats, die ein Mix aus R’n’B und moderner 808-Trapmusik sind. Und genau dort brauchen wir auch Frauen wie sie. Die den Mund aufmachen und besser als alle ihre männlichen Featuregäste rappen. Frauen, die zeigen, dass Rassismus und Sexismus uns zwar einreden, dass wir schlechter wären und irgendwas nicht können, dass wir es aber machen und damit auch Erfolg haben können. Seit sie mit ihrem ersten Video hunderttausende Klicks erreichte, ist der Name der Hamburgerin im Hip-Hop-Kosmos ein Thema und binnen kürzester Zeit gründete sich ihr Fanclub: Kobra-Militär, Frauen, die vor allem auf Instagram Eunique hypen und mit denen sie sich identifiziert. In ihren Insta-Storys und der YouTube Videoserie, in der sie bei der Entstehung ihres Albums begleitet wird, zeigt sie, wie sie sich allen Hindernissen widersetzt hat. Sie betont immer wieder, dass ihre weiblichen Fans das auch schaffen können.

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Die 21jährige Tochter einer alleinerziehenden Mutter hat inzwischen einen Werbevertrag mit Nike und wird von allen Hip-Hop-Magazinen gefeiert. Ihre Texte handeln von Kampfansagen, auch an die männliche Szene. Umso weniger nachvollziehbar ist „Aber juckt nicht“, den Eunique mit Mert gemeinsam aufgenommen hat. Dieser ist vor rund einem Jahr mit Aussagen wie „Ich toleriere Schwule einfach nicht. Ich akzeptiere das nicht.“ aufgetreten. Auch die Gäste Veysel, KC Rebell, XATAR und Azzi Memo sind in der Vergangenheit nicht durch besonders reflektierte Texte aufgefallen. Der Tiefpunkt von „Gift“ liegt im Song „Worte“ mit Adel Tawil, der ehemalige Sänger von Ich+Ich, in dem alles von Euniques Kampfgeist und Wille zur Veränderung verloren geht.

Statt sich (hetero-)sexistische Mackerkollegen als Features einzuladen, hätte Eunique auch den Zusammenhalt von Rapperinnen, von dem sie oft spricht, ernst nehmen können und gemeinsame Sache mit ihren Mitstreiterinnen machen können, wie es Schwesta Ewa in ihrem Musikvideo zu „Schubse den Bullen“ gemacht hat. SXTN, Eunique und Haiyti beweisen, dass sie im Deutschrap leider oft immer noch mehr zu sagen haben müssen als ihre weniger talentierten (und oft erfolgreicheren) Kollegen. Sie inszenieren sich dagegen – leider noch super individualistisch – , als einzige Frau*en in der Szene. Sie sind wenige, doch mit Eunique sind sie eine mehr. Um es mit ihren Worten zu sagen:


Wen von uns nennt ihr hier Bitch?
Komm, wir machen allen klar
Dass wir Königinnen sind
– Wer ist so nice

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