Klassenkampf und revolutionärer Feminismus

26.09.2015, Lesezeit 5 Min.
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Ende August fand in Barcelona ein Treffen von revolutionären Frauen statt. Neben Mitgliedern der Frauenorganisation Pan y Rosas im Spanischen Staat und Genossinnen der CCR (Courant Communiste Révolutionnaire) aus Frankreich nahmen auch Aktivistinnen der Revolutionär-kommunistischen Jugend in Gründung an diesem Treffen teil. Wir präsentieren hier einige unserer Schlussfolgerungen.

„Frauen der Arbeiter*innenklasse werden als Frauen unterdrückt und als Arbeiter*innen ausgebeutet“ – das war einer der gemeinsamen Ausgangspunkte eines Treffens von revolutionären Frauen der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale und ihnen nahestehenden Aktivist*innen, an dem wir teilnahmen. Genossinnen der sozialistischen Frauenorganisation Pan y Rosas im Spanischen Staat hatten das Treffen vorbereitet. Wir diskutierten aktuelle Themen, wie die Frage des Kopftuchs und der Prostitution oder den Zustand der Frauen- und LGBT*-Bewegungen und berichteten von unseren Erfahrungen. Wir wollen hier wichtige Erkenntnisse zusammenfassen.

Selbstorganisierung von Frauen

Wir denken, dass die Frauenunterdrückung nur mit dem Kapitalismus endgültig beseitigt werden kann. Die Frauenunterdrückung gibt es zwar schon sehr viel länger als den Kapitalismus, aber sie hat sich historisch immer wieder gewandelt und an die verschiedenen Produktionsweisen – von denen der Kapitalismus die heute herrschende ist – angepasst. Das heißt für uns aber nicht, dass wir die Frauenunterdrückung heute einfach hinnehmen können. Frauen müssen sich schon heute organisieren, um für ihre Rechte zu kämpfen.

Frauenbewegung und Arbeiter*innenbewegung

Eine Aufgabe von Revolutionär*innen heute ist es, die Kämpfe der Frauen und die Kämpfe der Arbeiter*innen zusammenzubringen. Es sind vor allem Frauen der Arbeiter*innenklasse, die von sexistischen Gesetzen, Rollenvorstellungen und einer besonderen Ausbeutung betroffen sind. Bürgerliche Frauen können sich bis zum einem gewissen Grad zum Beispiel über Abtreibungsverbote hinwegsetzen, indem sie ins Ausland reisen oder sie können ärmere Frauen für die Hausarbeit bezahlen. Feministische Kämpfe haben also immer auch einen Klasseninhalt – und unsere Aufgabe muss es sein, dafür zu kämpfen, die Forderungen der weiblichen Arbeiterinnen ins Zentrum zu rücken. Dafür muss auch die Arbeiter*innenbewegung in den Kämpfen der Frauen sichtbar werden.

So mobilisierten die Aktivistinnen von Pan y Rosas zum Beispiel die streikenden Arbeiter*innen der Fabrik Panrico zu einer Demonstration zum Frauenkampftag. Die Arbeiter*innen traten dort als Arbeiter*innen auf und dieses Zeichen beeindruckte viele Teilnehmer*innen der Demonstration. Zur selben Zeit sollte die Abtreibung im Spanischen Staat verboten werden und die streikenden Frauen von Panrico machten mit ihren Forderungen klar, wie Abtreibungsverbote sie als Frauen der Arbeiter*innenklasse betreffen würden.

Feminist*innen müssen sich aber auch für die Kämpfe des Proletariats interessieren und sie aktiv unterstützen, denn in diesen Kämpfen geht es um die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen von Frauen. Außerdem hat nur die Arbeiter*innenklasse, im Bündnis mit allen Unterdrückten, die soziale Macht, den Kapitalismus zu stürzen. Ein Bündnis zwischen einer revolutionären Frauenbewegung und der Arbeiter*innenbewegung ist deshalb zentral, um die Unterdrückung letztendlich zu vernichten. Heute ist diese Perspektive weitgehend unsichtbar und scheint sehr weit weg. Unsere Aufgabe ist es, sie wieder sichtbar zu machen. Denn die Spaltung zwischen Arbeiter*innen- und Frauenbewegung hilft nur den Kapitalist*innen.

Der heutige Feminismus

Dass die Perspektive der Zusammenführung von Kämpfen der Arbeiter*innen und der Frauen nicht sichtbar ist, liegt aber auch daran, dass die Klassenfrage innerhalb des Feminismus kaum eine Rolle mehr spielt. Klasse ist dabei für uns, anders als für einige Feminist*innen, nicht eine Frage der kulturellen Identität, sondern eine ökonomische Kategorie. Außerdem können wir kaum von einer Frauenbewegung sprechen, die als solche offen, mit eigenen Forderungen auftritt. Es gibt eher einen fragmentierten Feminismus, der es uns schwerer macht, weil wir unsere Strategie keiner tatsächlichen Bewegung anbieten können.

Frauen sind von der Krise besonders betroffen. In unserer Situation kann eine Frauenbewegung, die keine Illusionen in den Staat hat, internationalistisch ist und sich vornimmt, die Interessen der Frauen der Arbeiter*innenklasse ins Zentrum zu stellen, notwendige Antworten bieten. Und zwar auf Probleme, die einen großen Teil der Frauen betreffen – auch Feminist*innen, die sich bisher vor der Klassenfrage gedrückt haben.

Welche nächsten Schritte?

Unser Ziel ist es, auch in Deutschland eine revolutionäre Frauenorganisation aufzubauen, ähnlich wie Pan y Rosas. Die Genossinnen von Pan y Rosas haben uns dafür unter anderem mit auf den Weg gegeben, wie wichtig eine gute gemeinsame theoretische Grundlage ist. Eine gute Vorstellung davon, woher Sexismus und Unterdrückung kommt, hilft uns zu erkennen, welche Art von Politik wir dagegen stellen müssen. Es hilft uns auch dabei, zu entscheiden, in welche der Debatten und Kämpfe wir uns einmischen müssen. Deshalb werden wir einen Lesekreis organisieren.

Außerdem müssen wir uns immer wieder fragen, unter welchen Problemen (junge) Frauen heute leiden und welche Antworten wir auf ihre Probleme geben können. Wir müssen erklären können, dass alltägliche Probleme nicht „natürlich“ sind, sondern dass sie einen Zweck für den Kapitalismus und das Patriarchat haben. Von diesen alltäglichen Fragen ausgehend können wir dann darüber diskutieren, was wir dagegen tun können. Daraus ergeben sich die zentralen Diskussionen revolutionärer Politik heute.

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