Klassenkampf statt Vaterland

26.09.2015, Lesezeit 5 Min.
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Die sozialen Widersprüche in Europa spitzen sich seit dem Ausbruch der Krise 2007 massiv zu. Arbeitslosigkeit, Kürzungspolitik und Massenentlassung stehen auf der Tagesordnung. Schuldige sind für viele bürgerliche Politiker*innen schnell gefunden: Die Griech*innen seien einfach zu faul, Roma grundsätzlich kriminell und Muslime/Muslimas alles potentielle IS-Terrorist*innen.

Demgegenüber stehe vielfach der*die durchschnittliche Deutsche, der*die fleißig, ordentlich und pünktlich sei. Solch eine nationale Identität ist dann nicht einfach nur ein Merkmal, sondern wird genutzt, um beispielsweise die gute Wirtschaftslage in Deutschland zu erklären. Umgekehrt stören dann natürlich „die Ausländer“ das nationale Miteinander, weil sie aufgrund ihrer Nationalität nicht mit diesen „deutschen“ Tugenden gesegnet worden seien. Besonders in Krisenzeiten bedienen sich auch bürgerliche Politiker*innen dieser nationalistischen Unterscheidung, um Diskriminierungen an Schulen, Unis und in Betrieben zu rechtfertigen.

Nation und Kapital

Damit verschwimmt umso mehr der echte Gegensatz in dieser Gesellschaft: der Gegensatz zwischen den Interessen der Kapitalist*innen und denen der Arbeiter*innen. Denn sichere Arbeitsverhältnisse und hohe Löhne sind keinesfalls im Interesse von Kapitalist*innen, die aus der Arbeit maximalen Profit herausschlagen wollen und müssen. „Müssen“ deshalb, weil sie in stetiger Konkurrenz gegenüber anderen Kapitalist*innen stehen.

Dazu kommt die internationale Konkurrenz verschiedener nationaler Kapitalfraktionen. Diese Konkurrenz macht den bürgerlichen Staat für den*die Kapitalist*in unerlässlich. Denn der Staat mit seinen Gesetzen schafft erst die Bedingungen für die kapitalistische Konkurrenz mit Marktliberalisierungen und Eigentumsschutz. Auch nach außen vertritt der Staat die Interessen seiner Kapitalist*innen, indem er meist ökonomisch unterentwickelte Staaten durch Kapitalexporte in die Konkurrenz zwingt. Damit schafft er einerseits Abhängigkeit und andererseits billige Absatzmärkte für die eigenen Produkte.

Lohndrückerei und Prekarisierung sind dabei lediglich Teil des Kampfes um Marktanteile und damit Teil unserer kapitalistischen Gesellschaft. Ein*e Kapitalist*in muss deshalb keineswegs ein „schlechter“ Mensch und damit eine Ausnahme sein, wie es uns immer wieder versucht wird zu erläutern, wenn die Wirtschaft mal wieder in die Krise rutscht. Er*Sie wird von der nationalen und internationalen kapitalistischen Konkurrenz zu diesem Handeln gezwungen. Dabei wird die Konkurrenz der verschiedenen nationalen Kapitale auch dafür genutzt, uns zu erklären, dass wir die gleichen Interessen wie die Kapitalist*innen unserer Länder hätten. So werden die Klassenwidersprüche zwischen Kapital und Arbeit verschleiert und an deren Stelle ein nationales und sozialpartnerschaftliches Miteinander gestellt.

Nationale Einheit?

Viele Jugendliche erleben schon frühzeitig in der Schule und an Universitäten eine Mystifizierung des Begriffs „Nation“. Die Entstehung von Nationen wird uns als Geschichte von „großen Männern“ verkauft, deren Handeln von bestimmten nationalen Tugenden geprägt worden sei. Vielfach wird auch heute noch die „nationale Einheit“ seitens der Bourgeoisie beschworen, obwohl gerade sie in ihren historischen Revolutionen oftmals die „Hilfe“ des Proletariats gegen Adel und Klerus brauchte.

Als sich dann kämpferische Arbeiter*innen und Jugendliche mit Massenstreiks gegen diese bürgerliche Klasse, beispielsweise in Frankreich, wehrten, wurden diese Proteste mit Unterstützung von Otto v. Bismarcks Truppen aus Deutschland blutig niedergeschlagen. Höhepunkt war die Niederschlagung der Pariser Kommune 1871, in deren Folge mehrere Zehntausend Kommunard*innen massakriert wurden – auch andere europäische Länder erlebten ähnliche Auseinandersetzungen, in denen letztlich bürgerliche Kräfte in Zusammenarbeit mit ehemals feudalen Kräften die proletarischen Kämpfe unterdrückten und niederschlugen.

Die Jugend hat kein Vaterland

Angesichts der objektiven Klassenwidersprüche und der Entstehungsgeschichte heutiger Nationalstaaten von nationaler Einheit oder Volkssolidarität zu sprechen, ist also blanker Hohn für das Andenken vieler Kämpfer*innen für die sozialistische Revolution. Nationalismus ist aber auch heute noch Alltag: Wir finden bis heute nationalistische und rassistische Spaltungen innerhalb der Jugend und der Arbeiter*innen vor. Weiter gefördert wird das durch strukturelle Diskriminierungen: Sei es durch erschwerten Zugang zu Schulen und Universitäten, durch die Nicht-Anerkennung ausländischer Abschlüsse, durch schlechtere Benotungen aufgrund der Herkunft oder Diskriminierung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Dieser Spaltung müssen wir uns heute gemeinsam entgegenstellen.

Die Jugendlichen sind oft die ersten, die die Auswirkungen von zunehmenden Angriffen auf Lebensbedingungen durch die Kapitalist*innen erfahren. Jede klassenversöhnlerische Politik mit den Ausbeuter*innen ist dabei nicht nur dem Untergang geweiht, sondern stärkt unmittelbar nationalistische und faschistische Kräfte. In Griechenland zum Beispiel erleben wir nach dem Verrat der „linken“ Syriza an den Arbeiter*innen und Jugendlichen eine politische Hinwendung zur faschistischen Partei „Goldene Morgenröte“, die bei 18 bis 24-jährigen mittlerweile die stärkste Kraft darstellt. Demgegenüber brauchen wir eine klassenunabhängige Organisierung von Jugendlichen gemeinsam mit Arbeiter*innen, die gegen jede Form von nationalistischer und rassistischer Politik innerhalb und außerhalb dieser Organisation kämpft.

  • Sofortiger Stopp aller Grenzkontrollen! Bedingungsloses Bleiberecht für alle Geflüchteten unabhängig von der Herkunft!
  • Für die Anerkennung aller ausländischen Abschlüsse!
  • Für einen gleichberechtigten Zugang zu Bildungseinrichtungen und zum Arbeitsmarkt!
  • Für eine Bildung ohne Rassismus an Schule, Universität und Ausbildungsplatz!

 

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