Kampf gegen „Linksextremismus“: SEK mit Sturmgewehren bei Antifa-Demo

04.09.2017, Lesezeit 5 Min.
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Eine Antifa-Demo im sächsischen Wurzen mit 400 Teilnehmer*innen am Wochenende wurde von militärisch ausgestatteten Polizeieinheiten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) und Wasserwerfern begleitet. Während eine Repressionswelle gegen Linke läuft, steht mit der Bundestagswahl eine weitere Verschärfung der "Inneren Sicherheit" an.

Ein Nachmittag in der sächsischen Provinz im Spätsommer 2017: Polizei-Hundertschaften, Hubschrauber, mehrere Wasserwerfer und SEK mit Sturmgewehren begleiten eine antirassistische Demonstration. In dem 16.000-Einwohner*innen-Ort Wurzen, 30 Kilometer östlich von Leipzig, hatte es in der Vergangenheit immer wieder rassistische Übergriffe gegeben und auch die Demonstration am Samstag wurde mehrmals von bekannten Nazis provoziert, die versuchten, zu den Antifaschist*innen durchzukommen.

Der schwer bewaffnete Einsatz des SEK reiht sich ein in den beschworenen Kampf gegen „Linksextremismus“, der anlässlich des G20-Gipfels von der Bundesregierung ausgerufen wurde. In Hamburg hatte die Polizei tagelang das Demonstrationsrecht de facto abgeschafft und die Situation gezielt eskaliert. So schuf sie die Bilder der Krawalle, mit denen sie den SEK-Einsatz in der Schanze rechtfertigte. Gierig stürzten sich die Medien auf die Bilder von brennenden Barrikaden; im Schatten davon konnte das SEK mit der Berechtigung zum Schusswaffengebrauch das Viertel stürmen, ohne viel Kritik zu ernten. Die Blaupause für künftige Einsätze von Spezialkräften mit Sturmgewehren gegen linke Demos wurde geschaffen.

Nun hat es in der sächsischen Provinz den nächsten Test der Polizei gegeben: Schon bei einer politischen Aktion von wenigen Hundert Menschen ist sie bereit, ihr komplettes Arsenal aufzufahren. Der Einsatz richtete sich direkt gegen die autonome linke Szene Leipzigs, die hauptsächlich zur Demo mobilisiert hatte. Sie gilt neben Berlin und Hamburg als eine der Hochburgen der Autonomen, die spätestens seit G20 unter besonderer Beobachtung stehen. Der Anmelder der Demo in Wurzen ist zudem Sprecher der Roten Flora in Hamburg und hatte die „Welcome to Hell“-Demo gegen G20 mitorganisiert.

Repressionswelle gegen Linke

Der SEK-Einsatz in Wurzen ist Teil einer ganzen Kampagne gegen Linke:

• Im benachbarten Sachsen-Anhalt hatte Ende August der Landtag mit den Stimmen von CDU und der AfD – unter ihrem Vorsitzenden André Poggenburg – beschlossen, eine Enquete-Kommission einzurichten, die die „linke Szene“ untersuchen soll.

• In mehreren Bundesländern hatte es in den letzten Wochen und Monaten vermehrt Hausdursuchungen aus vollkommen nichtigen Anlässen gegeben: In München wurden unter anderem Wohnungen durchsucht, weil ein Aktivist das Symbol der kurdischen Befreiungseinheiten der YPG auf Facebook gepostet hatte. In einem anderen Fall stürmte die Polizei eine Wohnung, weil bei einer Verkehrskontrolle jemand mit einem Transparent „erwischt“ worden war, das für Solidarität mit dem kurzzeitig besetzten „Für LAU-Haus“ warb.

• Bundesweit sorgte zuletzt das Verbot des Internetportals linksunten.indymedia für Aufsehen. Unter dem Vorwand, gegen Aufrufe zu Gewalt und Bekennerschreiben von Anschlägen vorzugehen, wurde die größte linke Seite in Deutschland zensiert, auf der jede Person die freie Möglichkeit hatte, politisch zu diskutieren und Veranstaltungen und Aktionen zu bewerben. Auch dies ging mit Hausdurchsuchungen einher, ohne dass Straftaten vorgelegen hätten.

• Extra vor G20 wurde Paragraph 113 des Strafgesetzbuches, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ verschärft, das bei „tätlichen Angriffen“ gegen Polizist*innen mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe vorsieht. Es kann bei Demonstrationen so genutzt werden, dass schon Lapalien wie ein Schubser zu einer Verurteilung führen. Noch weiter geht die Unendlichkeitshaft, die Anfang August vom bayerischen Landtag eingeführt worden war. Sie erlaubt es, die Haftzeit von Personen allein aufgrund „drohender Gefahr“ alle drei Monate beliebig oft zu verlängern, ohne dass dafür eine Straftat vorliegen müsste.

• Besonders schwer schlug die Repression gegen Teilnehmer*innen der G20-Proteste zu, nicht nur durch die Polizeigewalt, bei der Polizist*innen, ihr Einsatzleiter Hartmud Dudde und Bürgermeister Olaf Scholz Tote in Kauf nahmen. Auch im Nachgang davon landeten dutzende Aktivist*innen wochenlang in Untersuchungshaft, häufig ohne dass ihnen konkrete Straftaten zur Last gelegt wurden. Zudem fielen mittlerweile die ersten Urteile: Ein 21-jähriger mit niederländischem Pass muss zwei Jahre und sieben Monate ins Gefängnis, ohne die Möglichkeit auf Bewährung. Denn er soll zwei Flaschen auf einen schwer gepanzerten Polizisten geworfen haben und seine Festnahme durch das Anspannen seiner Muskeln in Embryonalstellung erschwert haben. Ein 24-jähriger mit polnischem Pass bekommt sechs Monate auf Bewährung, weil in einer Polizeikontrolle bei ihm Böller und Pfefferspray gefunden wurden.

Militarisierung der deutschen Politik

Der Hass gegen Linke, den die Polizei bei G20 brutal zur Schau stellte, ist offizielle Politik. Im Wahlkampf überschlagen sich die Parteien mit Forderungen nach mehr „innerer Sicherheit“ und für einen „starken Rechtsstaat“. Das bedeutet nicht nur einen Kampf gegen Linke, sondern eine innere Militarisierung. Nach der Bundestagswahl könnten Maßnahmen wie der Ausbau der Überwachung, eine Aufrüstung der Polizei, neue Kompetenzen für Geheimdienste, die Räumung von linken Zentren oder neue Gesetze zur Einschränkung der Versammlungs- und Pressefreiheit kommen. Der Einsatz von SEK-Truppen bei Demonstrationen könnte dann häufiger zu sehen sein.

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