Italien: Berlusconi geht, Monti kommt

28.11.2011, Lesezeit 7 Min.
1

// Eine Regierung von „Technokraten“, um Bankiers und die Confindustria zu retten //

Nachdem er das Amt des Ministerpräsidenten drei Mal während der letzten zwei Jahrzehnte besetzt hatte, musste Berlusconi die Regierung am 12. November verlassen.

Bevor er jedoch seinen Rücktritt ankündigte, hatten Senat und Abgeordnetenhaus in rekordverdächtiger Zeit ein Kürzungspaket gebilligt, das Kürzungen im Sozialbereich sowie die Lohneinfrierung der Staatsangestellten und die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes vorsieht.

Zehntausende Menschen gingen auf die Straße, um den Fall von Berlusconi, der das politische Ende des Cavaliere sein könnte, zu feiern. Jedoch ist Berlusconi nicht durch die Aktionen der Massen zu Fall gebracht worden, obwohl seine Regierung äußerst unbeliebt war, wie die zahlreichen Demonstrationen und Kämpfe zeigen. Sein Fall ist das Ergebnis des Drucks der EU, der Unternehmensbosse um die Confindustria[1], und des IWF. Die kapitalistische Oppositionspresse und das breite klassenübergreifende „Anti-Berlusconi-Lager“ versucht, Erwartungen in seinen Nachfolger, Mario Monti, zu wecken, er werde dem italienischen Kapital wieder „Seriosität“ verleihen. Dafür wird er eine „neutrale“ bzw. „technische“ Regierung anführen, die erlauben soll, das Vertrauen der Märkte wieder zu gewinnen, und das blutarme wirtschaftliche Wachstum wieder anzutreiben. Jedoch ist die angebliche „Neutralität“ eine große Lüge, die früher als später offensichtlich wird: Monti ist der Repräsentant der Interessen der Banken und großen Unternehmen (sogar ein besserer Vertreter als Berlusconi selbst), die ihn in die Regierung katapultierten.

Ein Wechsel gemäß den Wünschen der KapitalistInnen

Berlusconi hatte schon vor langer Zeit das Vertrauen der großen UnternehmerInnen, der Bankiers, der „Märkte“ und seiner PartnerInnen in der EU, hauptsächlich Merkel und Sarkozy, verloren. Sie hielten ihn für absolut unfähig, das verlangte harte Sparprogramm voranzubringen, das notwenig ist, um einen möglichen Ausfall der italienischen Schulden (die 120 Prozent des BIP des Landes ausmachen, umgerechnet zwei Billionen Euro), der mit sich die großen deutschen und französischen Banken und selbst die Eurozone mit in den Sog ziehen würde, zu vermeiden.

Es waren genau diese Kräfte – Bosse, Banken, die EU und der IWF –, die seinen Fall beschleunigt haben und die heute die Stütze der neuen „technischen“ Regierung von Mario Monti, einem liberalen Ökonomen und Exkommissar der Europäischen Union, sind. Monti wurde vom Präsidenten Giorgio Napolitano ernannt, damit er die Interessen der großen einheimischen und europäischen KapitalistInnen schützt und die Krise auf die ArbeitenInnne und die Mehrheit der Bevölkerung abwälzt.

Sollten jedoch noch Zweifel bestehen, dass die „technische“ Regierung von Monti den Interessen des Großkapitals dient, genügt es, einen kurzen Blick auf die Zusammensetzung seines Kabinetts zu werfen, das von Figuren aus der Finanzwelt und den großen Unternehmen besteht, wie Corrado Passera, Manager von Intesa Sanpaolo, einer der zwei einflussreichsten Banken des Landes, der die ministerialen Ämter von Industrie und Infrastruktur (öffentliche Bauten und Transport) inne haben wird.

Um die Regierung zu übernehmen, hat Monti gefordert, wenigstens anderthalb Jahre im Amt zu bleiben, bevor die parlamentarischen Wahlen stattfinden sollten. Er braucht diese Zeit, um die tiefgreifenden wirtschaftlichen Reformen durchzuführen, die von der Europäischen Union gefordert werden. Als erste Maßnahme wird seine Regierung versuchen, ein Sparpaket zu durchzusetzen, das die Einfrierung der Gehälter der Staatsangestellten (die man sogar nach 2014 verlängern könnte), die Anhebung der Mehrwertsteuer, eine Verlängerung des Rentenalters und eine Arbeitsmarktreform, die Entlassungen erleichtert, vorsieht. Obwohl die politischen Parteien sich nicht am neuen Kabinett beteiligen, mit Ausnahme der „Sozialisten“ von Giuliano Amato, kann Monti auf eine breite UnterstützerInnenfront zählen, angefangen bei den Rechten um Berlusconi bis hin zum bürgerlichen Mitte-Links-Lager um die Demokratische Partei (Partito Democratico). Monti wurde sogar vom „linken“ Gouverneur Apuliens und Anführer der Partei „Linke, Ökologie und Freiheit“ (SEL), Nicchi Vendola, begrüßt. Nur der ehemalige Verbündete von Berlusconi, Umberto Bossi von der ultrarechten Lega Norte, zog es vor, außerhalb der fieberhaften Verhandlungen, die der Aufstellung der Regierung vorhergegangen waren, zu bleiben.

Nicht nur die UnternehmerInnen und ihre Parteien unterstützen Monti, sondern auch die verräterische Bürokratie der offiziellen Gewerkschaftsverbände haben ihm die Unterstützung zugesichert. Die Basisgewerkschaften haben demgegenüber angekündigt, Anfang Dezember zu mobilisieren, ähnlich wie die der Demokratischen Partei (PD) nahestehenden CGIL, die sich gezwungen sah, so auf den vom Exkommissar angekündigten Anpassungsplan zu antworten.

Aber trotz der scheinbaren Einheit ist die Monti-Regierung ist das Ergebnis der Schwäche der herrschenden Klasse.

Bonapartistische Tendenzen

Sowohl der Regierungsantritt von Monti in Italien wie der von Lukas Papademos in Griechenland (als Ersatz für den Exministerpräsidenten Yorgos Papandreou) zeigen die Anfänge einer Tendenz zur Bildung von „Einheitsregierungen“ oder „technischen Regierungen“, die von Bankiers, den großen Unternehmensverbänden und den AnführerInnen der EU, Merkel und Sarkozy (die gemeinsam mit dem IWF und der EZB die „Frankfurter Gruppe“ bilden), durchgesetzt wurden, um eine Antwort auf die bürgerliche politische Krise zu liefern. Diese Tendenz ist als Waffe im Kampf gegen die Mobilisierung der Massen anzusehen, was sich im Vorantreiben der Sparpläne äußert. In Griechenland wird die Regierung „der nationalen Einheit“, die Papandreou gefolgt ist, von den zwei wichtigsten Parteien des Regimes gebildet: der sozialdemokratischen PASOK und der konservativen Nea Dimokratia, neben der ultrarechten Partei LAOS, einer ausländerfeindlichen Organisation mit guten Beziehungen zur Orthodoxen Kirche. Eines der Hauptziele dieser Regierung wird es sein, den harten Widerstand zu brechen, den die ArbeiterInnen, die Jugend und die verarmten Massen in den letzten 18 Monaten mit massiven Demonstrationen und 15 Generalstreiks (der letzte mit einer Dauer von 48 Stunden am 19. und 20. Oktober) durchführen.

Im Falle Italiens war es der Präsident Giorgio Napolitano, ein alter Politiker und Ex-Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (PCI), der Monti zum Senator auf Lebenszeit ernannte, und der als Statthalter der Interessen der EU und der Bosse die Bildung der neuen Regierung aushandelte.

Diese sogenannten „Technokraten“ sind weder apolitisch noch neutral. Sie werden vielmehr aufgrund ihrer Fähigkeiten, tiefgehende antisoziale Maßnahmen zu ergreifen, ohne dabei dem Druck der Proteste zu erliegen, ausgewählt. Wie der italienische Revolutionär Antonio Gramsci betonte, ist „jede Koalitionsregierung ein Anfangsgrad von Cäsarismus, der eine größere Bedeutung annehmen kann“, d.h., es handelt sich um eine „eigenmächtige Lösung“ in einer Situation, in der die Auseinandersetzung zwischen den Klassen noch nicht gelöst worden ist.

Diese bonapartistische (bzw. cäsaristische) Tendenz, die sich im Aufzwingen von Regierungen, die sich über die Klassenspannungen stellen, ausdrückt, beschleunigt sich bei tiefgreifenden kapitalistischen Krisen, wie wir sie heute erleben. Kennzeichnend für solche Krisen ist die Tatsache, dass die klassischen Mechanismen der bürgerlichen Demokratie wie etwa der Parlamentarismus ermüden und sich somit die Tendenz abzeichnet, die Diktatur des Kapitals offen zu legen.

Es wird jedoch sehr schwer für diese Regierungen sein, ihre Politik der Bevölkerung aufzuzwingen, ohne einen breiten Widerstand und Opposition der ArbeiterInnen und verarmten Massen hervorzurufen. So sind die bonapartistischen Tendenzen sowie die Entstehung von extremen nationalistischen Tendenzen die Antwort von rechts, und der Widerstand der ArbeiterInnen und verarmten Massen auf die Kürzungspläne, wie etwa in Griechenland oder die Entstehung der „Empörten“-Bewegung, die Antwort von links, auf die kommenden konvulsiven Phänomene.

Auf diese Perspektive bereiten wir uns als RevolutionärInnen vor.

Dieser Artikel erschien zuerst am 17.11.2011 hier auf Spanisch.

Fußnoten

[1] Die Confindustria (Confederazione Generale dell’Industria Italiana) ist Italiens größter UnternehmerInnenverband. In der Confindustria ist die Mehrheit der italienischen Fertigungsindustrie und des Dienstleistungssektors vertreten.

Mehr zum Thema