Iran-Poker: Bricht die transatlantische Partnerschaft?

21.05.2018, Lesezeit 6 Min.
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Der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran setzt die EU unter Zugzwang. Mit dem "Blocking Statute" kommt nun eine erste Antwort. Die transatlantischen Beziehungen befinden sich auf einem Tiefpunkt.

13 Jahre lang hatten die Vetomächte des Weltsicherheitsrates und Deutschland mit dem Iran über das Atomabkommen verhandelt. Es sollte ein Prunkstück deutscher und europäischer Außenpolitik werden. 2015 sprach der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Dem deutschen Kapital bot sich die Perspektive milliardenschwerer neuer Investitionen im Iran.

Deutschland wollte beweisen, dass es durch geschickte Verhandlungen internationale Regeln setzen kann. Doch nun rüttelt der US-Präsident Donald Trump am deutschen Diplomatiegerüst: Die USA werden den Atomdeal mit dem Iran nicht verlängern. Ausländische Firmen, die im Iran Geschäfte machen, haben je nach Branche drei bis sechs Monate Zeit, das Land zu verlassen. Ansonsten wird ihnen der Zugang zum US-Markt gesperrt oder sie müssen mit anderen Sanktionen rechnen. Bei Neuverträgen können Strafen sofort wirksam werden.

EU antwortet mit „Blocking Statute“

Beim EU-Gipfel in Sofia kündigte Kommisionschef Jean-Claude Juncker an, das sogenannte „Blocking Statute“ wieder in Kraft zu setzen. Diese Vorschrift war 1996 im Sanktionsstreit mit den USA um Kuba geschaffen worden, kam aber nicht zum Einsatz. Sie sieht vor, dass europäische Firmen entschädigt werden können, wenn durch Sanktionen Verluste entstehen. Und es kann europäischen Firmen sogar unter Strafen verboten werden, sich an US-Sanktionen zu halten. Wie genau die Vorschrift ausgestaltet wird und vor allem welche Auswirkungen sie haben wird, ist bisher völlig unklar.

Der praktische Nutzen des Blocking Statute wird aller Voraussicht nach aber beschränkt bleiben. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte vor dem Gipfel in Sofia bereits angedeutet, dass man keine Illusionen schüren dürfe: „Eine einfache Lösung, Unternehmen von allen Risiken amerikanischer Sanktionen abzuschirmen, sehe ich nicht.“ Mögliche Entschädigungen für Firmen werden sich in einem begrenzten Rahmen halten. Wenn überhaupt, dann dürfte das Blocking Statute wohl eher kleinere und mittlere Unternehmen ermutigen, im Iran Geschäfte zu machen.

Für alle großen Konzerne hingegen sind die USA der wesentlich wichtigere Markt als der sich gerade erst wieder entwickelnde iranische Markt. Dennoch ist mit Milliardenverlusten durch verloren gegangene Investitionen zu rechnen. So hat zum Beispiel Airbus einen Deal über den Verkauf von 98 Flugzeugen an Air Iran abgeschlossen. Wert: Über 20 Milliarden Euro. Drei der Flugzeuge wurden bereits ausgeliefert. Der Rest könnte hinfällig sein. Auch weitere zentrale Branchen wie Auto-, Maschinenbau, Energie, Chemie und Logistik hatten sich Geschäfte in Milliardenhöhe versprochen. Der französische Erdölkonzern Total hat bereits seinen Verzicht angekündigt, in das im Iran gelegene größte Gasfeld der Welt zu investieren, sollten die USA keine Ausnahmeregelungen erlassen.

Neue Krisen im Nahen Osten

Die erwarteten Investitionen waren der entscheidende Grund für den Iran, sich auf das Abkommen einzulassen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China wollen daran weiter festhalten. Aber wenn sich große Konzerne zurückziehen, um ihr US-Geschäft nicht zu gefährden, ist fraglich, was diese Staaten dem Iran noch bieten können. Der Iran hat der EU eine Frist bis Anfang Juli gesetzt, um die Fortführung des Atomvertrages zu garantieren.

Das iranische Regime braucht das Abkommen für Investitionen etwa in Infrastruktur oder den Energiesektor. Die ohnehin schon hohe Inflationsrate im Land ist nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomvertrag nochmals deutlich gestiegen. Die Protestwelle, die Anfang des Jahres begann, setzt sich fort: Getragen insbesondere von Lehrer*innen, Frauen, Student*innen und Arbeiter*innen der Fabriken. Von den ausländischen Investitionen nach dem Atomabkommen kam bei ihnen wenig an. Das meiste ging in die Taschen der korrupten Regierungscliquen. Derweil gibt es im Regime Uneinigkeit über den Kurs: Der neoliberale Präsident Hassan Rohani setzt weiter auf die internationalen Vereinbarungen. Ein Scheitern könnte die klerikale Fraktion um Staatoberhaupt Ali Chamenei stärken.

Sollte der Iran wirtschaftlich isoliert werden, könnte er dazu übergehen, das Nuklearprogramm wieder aufzunehmen, um sich gegen militärische Angriffe schützen zu können. Begleitet wird der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen von der Unterstützung Israels, das vergangene Woche die Demonstrationen im Gaza blutig niedergeschossen und iranische Stellungen in Syrien bombardiert hat. Der Iran hatte wiederum Raketen auf die von Israel besetzen Golan-Höhen gefeuert. Es ist ein explosiver Schlagabtausch, der eine weitere Eskalation nicht ausschließt.

Der Syrien-Krieg hat gezeigt, dass die Vormachtstellung der USA im Nahen Osten bröckelt. Trumps Antwort darauf ist die Aggression gegenüber dem Iran. Für Deutschland steht unter dieser Voraussetzung die Möglichkeit auf dem Spiel, im Iran und dem gesamten Nahen Osten eine wichtige wirtschaftliche Rolle einzunehmen und etwa vom Wiederaufbau Syriens mit zu profitieren. Doch das Problem des deutschen Imperialismus geht weit über bloße Wirtschaftsinteressen hinaus.

Trump konfrontiert den Multilateralismus

Die mühsam ausgehandelten multilateralen Verträge werden von Donald Trump einfach aufgekündigt. Er stellt damit die deutsche und europäische Außenpolitik insgesamt in Frage. Angela Merkel bedauerte, dass der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen „das Vertrauen in die internationale Ordnung“ verletze. Sie sehe „mit Sorge, dass der Multilateralismus in einer wirklichen Krise ist“.

Auch Frakreichs Präsident Emmanuel Macron formulierte in seiner Rede zum Karlspreis vier Imperative: „keine Schwäche, keine Spaltung, keine Angst und kein Abwarten“. Europa müsse sich als Garant des multilateralen Systems erweisen. Und Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire meinte laut Süddeutscher Zeitung, „man könne sich nicht weiter unterwerfen und werde Vorschläge zur Abwehr von Strafen vorlegen“.

Auch wenn das Blocking Statute noch keine umfangreiche Antwort der EU auf die Politik Trumps liefert, zeigt es doch den Willen, gemeinsame Maßnahmen anzugehen. Die transatlantischen Beziehungen haben sich abgekühlt wie selten zuvor. Dazu trägt auch der Streit um Stahl- und Aluminiumzölle bei Einfuhren in die USA bei. Trump hat der EU eine Frist bis zum 1. Juni gesetzt. Danach sollen die Zölle wirksam werden. Noch ist unklar, ob es einen weiteren Fristaufschub, Ausnahmeregelungen oder einen Deal mit gegenseitigen Zugeständnissen geben könnte. Doch mit Zöllen und dem Atom-Ausstieg stehen die Zeichen in zwei zentralen Feldern auf Konfrontation. Bisher haben Deutschland und die EU eher abwartend reagiert. Aber insbesondere Emmanuel Macron drängt darauf, die EU zu stärken und sich auf eine Auseinandersetzung mit den USA einzulassen.

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