Interview: Schulstreikkomitee beim John-Lennon-Gymnasium

16.11.2011, Lesezeit 5 Min.
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SchülerInnen und StudentInnen gehen am 17. November beim bundesweiten „Bildungsstreik“ auf die Straße. Ein Interview mit Jonas H., Schüler am John-Lennon-­Gymnasium in Berlin-Mitte, der dort im Streikkomitee aktiv ist.

Kommenden Donnerstag findet wieder ein „Bildungsstreik“ statt. Was sind deine Gründe, dich daran zu beteiligen?

Weil ich der Meinung bin, dass das Bildungssystem, wie es zur Zeit ist, nicht im Sinne der SchülerInnen und StudentInnen funktioniert. Das heißt, dass ich nicht einfach zu einem „funktionierenden“ Arbeiter herangezogen werden will, was das aktuelle Bildungssystem auf jeden Fall tut. Durch Leistungsdruck und durch die Selektion von Kindern im Alter von 9-10 Jahren in verschiedene Schultypen wird Kindern und Jugendlichen in erster Linie nicht Wissen vermittelt, sondern beigebracht, dass sie möglichst das machen sollen, was ihnen befohlen wird.

Bei uns an der Schule sind die großen Klassen das schlimmste Problem: In einem Raum sitzen bis zu 35 SchülerInnen, das führt dazu, dass die LehrerInnen ziemlich belastet sind. So bleiben immer relativ viele sitzen, ausgeglichener Unterricht ist nicht möglich. Mit dem Bildungsstreik wollen wir gegen diese Zustände protestieren und uns für ein ganz anderes Bildungssystem starkmachen.

Seit Jahren findet ein- oder zweimal im Jahr ein eintägiger Bildungsstreik statt. Das Ganze wirkt inzwischen ziemlich ritualisiert. Was soll diesmal anders werden?

Dieses Jahr soll versucht werden, noch mehr SchülerInnen und StudentInnen auf die Straße zu bringen. Die Ritualisierung kommt daher, dass sich seit der Entstehung der Bildungsstreik-Bewegung im Jahr 2006 nicht viel zum Positiven geändert hat. Aber wir wollen unseren Kampf nicht aufgeben. Es ist schwierig, eine große Bewegung aufzubauen, die jedes Jahr wächst, weil SchülerInnen kommen und gehen.

Dieses Jahr kommt aber etwas Besonderes hinzu: Mit dem Arabischen Frühling, der 15-M-Bewegung in Spanien, der Occupy-Bewegung aus den USA und vielen anderen Protesten entsteht eine Stimmung, dass wir Teil einer internationalen Bewegung sind, die etwas gegen die Auswirkungen der Krise tun will und kann. Allerdings ist das bislang wohl eher an den Unis angekommen als an Schulen.

Wie bereitet ihr euch in der Schule auf den Aktionstag vor?

Wir haben vor Monaten ein Streikkomitee gegründet und rund ein Dutzend SchülerInnen treffen sich jede Woche, um Aktionen zu planen. Darüber hinaus vernetzen wir uns auch mit anderen Komitees in einem berlinweiten Bündnis.

Was für Aktionen habt ihr gemacht?

Wir haben eigene Flyer verteilt, haben eigene Plakate in der Straße und der Umgebung aufgehängt und haben jetzt durchgesetzt, dass an unserer Schule eine Diskussionsveranstaltung über das Bildungssystem in der großen Aula stattfindet, an der sich alle SchülerInnne beteiligen werden.

Außerdem haben wir vor zwei Wochen Proteste gegen den Besuch eines Jugendoffiziers der Bundeswehr organisiert. Wir hatten Hilfe vom Bündnis „Schule ohne Militär“ und haben Flyer vom Streikkomitee verteilt, um dagegen zu protestieren, dass dieser Offizier allein zum Thema „Terrorismus“ referiert und kein Gegenreferent eingeladen wird.

Seid ihr außerhalb der Schule aktiv?

Unser Komitee ist bunt durcheinander gewürfelt: Bei uns sind PunkerInnen, Hippies, KommunistInnen, PiratInnen und Leute, die sonst nicht politisch aktiv sind. Wir sind uns alle einig, dass wir SchülerInnen unsere Ziele nicht allein durchsetzen können. Auch wenn die Solidarität zwischen SchülerInnen und LehrerInnen nie einfach ist, haben wir im letzten halben Jahr zwei Streiks der GEW unterstützt.

Wir haben uns auch mit dem nun schon seit über zwei Monaten andauernden Streik bei der Firma Charité Facility Management solidarisiert. Bei der bundesweiten Bildungsstreikkonferenz im September haben wir eine Solidaritätserklärung für die CFM-KollegInnen unterstützt, und letzten Montag haben wir das Treffen unseres Komitees zur offenen Streikversammlung der CFM verlagert. Leider waren nur einige SchülerInnen und Studierende dabei, aber wir arbeiten daran, den Bildungsstreik mit Protesten von Beschäftigten zu verbinden.

Was wollt ihr über den 17. November hinaus machen?

Wir haben beschlossen, weiterhin an unserer Schule das Maul aufzumachen. Wir werden uns als „Aktionskomitee“ dafür einsetzen, sowas wie eine Gemeinschaft zu schaffen, in der Respekt, Solidarität und hilfsbereiter Umgang miteinander keine Besonderheiten bleiben. Da hatten wir uns vorgestellt, einen von Schülern verwalteten Gemeinschaftsraum einzurichten, der auch am Nachmittag zugänglich ist. Darüber hinaus machen wir seit einem halben Jahr eine antikapitalistische SchülerInnenzeitung namens Red Brain, um Fragen der internationalen Politik in die SchülerInnenschaft zu tragen.

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