„Ich habe eimerweise Wasser auf die Coronaleugner:innen geschüttet“ – Ein Bericht aus Kassel

21.03.2021, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Gestern haben 20.000 Coronaleugner:innen in Kassel demonstriert, während der Gegenprotest marginal blieb. Ein kleiner Lichtblick war die Aktion von Anwohner:innen in der Nordstadt, die eimerweise Wasser auf die Coronaleugner:innen geschüttet haben. Ein anonymes Interview.

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Shutterstock.com / von Supachai Samor

Hey, wie geht’s dir? Wie hast du den gestrigen Tag erlebt?

Ich bin extrem abgefuckt, was für’ne Scheiße! Für alle Anwohner:innen von Kassel war der gestrige Tag ein Einschnitt. Rechte Demos kommen immer mal wieder vor, aber wir haben immer auch eigene Antworten auf die Straße gebracht, egal ob nach dem Mord an Halit Yozgat durch den NSU, nach dem Mord an Walter Lübcke, beim PEGIDA-Ableger KAGIDA oder wenn Bernd Tödter sein Unwesen treibt. Das Ding ist halt, dass dieses Mal fast kein Gegenprotest da war. Ich bin den 350 Leuten, die da waren, extrem dankbar. Ich selbst habe es leider nicht geschafft zur Gegendemo durchzukommen. Überall diese Vollidioten, die einen anpöbeln, weil man ne Maske trägt. Dass ich politische Symbole dabei hatte, hat es sicher nicht besser gemacht. Ich habe dann allein auf halbem Weg umgedreht, echt total bitter. Es war ein krasses Risiko, auch so coronamäßig. Die Bullen haben ihren Teil auch mal wieder beigetragen und Rechten den Weg frei geprügelt. Am Ende haben sie sogar noch behauptet, sie können nichts machen trotz Großaufgebot mit Helikopter und unzähligen Wannen. Die eine Polizistin, die ein Herz zu den Rechten gemacht hat, hat die Rolle der Polizei auf den Punkt gebracht.

Und wie ist es dann zu der Aktion mit dem Eimer gekommen?

Ich war schon zuhause und es gab wohl Demozüge in einige Viertel von Kassel. In der Nordstadt haben sie sich aber mit den Falschen angelegt. Die Bullen haben einen Ableger mit 1.000 – 2.000 Coronaleugner:innen unter einem Fenster meiner Wohnung vorbei geleitet. Wie sagt man so schön „Gelegenheit macht Diebe“. Das Fenster war schnell freigeräumt und dann gib‘ ihm. Angesichts der steigenden Coronazahlen und der Scheiße, die die abziehen, habe ich wirklich kein Respekt. Ist ja auch nur ein paar Blocks von dem Ort entfernt, wo Halit Yozgat vom NSU ermordet wurde. Zeigt wohin rechte Scheiße und die Polizei führt. Wehret den Anfängen! Die anderen Bewohner:innen haben die Aktion auch gefeiert. Auch wenn es halt super klein war, hoffe ich, dass es ein paar motiviert hat. Aber die paar Eimer Wasser, sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich habe in verschiedenen Posts auf Insta auch verschiedene Straßennamen gelesen, ich hoffe, ich war nicht der Einzige.

Warum war die Gegenmobilisierung nicht stärker?

Es gab halt echt kaum Mobi, ich habe es nur über persönliche Kontakte mitbekommen. Echt krass schwach. Es gab wohl Diskussionen um Ort und Zeit, aber ganz ehrlich: Das ist alles nur Bla Bla. Ort war ganz Kassel und Zeit war den ganzen Tag. Die hätten einfach mal richtig mobilisieren sollen. Auch nicht nur so individuell. Sie sollen alle ihre Mitglieder anschreiben und sagen, dass das wichtig ist. Am besten sollten die Gewerkschaften auch richtig streiken, um sowas krass zu zerschlagen. Die müssen eh ne Antwort auf die Coronakrise finden. Ich check’s einfach nicht. Bei Amazon hat verdi nur so nen Drive-In-Streik auf dem Parkplatz gemacht, während im Betrieb tausende jeden Tag zur Arbeit gehen? Sag mal, sind wir hier bei McDonalds? Was für Drive-In-Streik?!? Da fragt man sich schon ernsthaft, ob die nicht checken, dass die Argumentation vorne und hinten nicht hinhaut. Es braucht Streiks in Perspektive von ZeroCovid, dass die Reichen die Krise zahlen und dann diese Mobilisierung gegen die Regierung auch gegen die Rechten nutzen. Der Kern von all dem ist eine Antwort auf die Krise zu bieten.

Danke für das Interview!

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