Hessenwahl: Ist die CDU sozialer als die LINKE?

23.08.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

Auf Wahlplakaten wird die LINKE von der CDU von links überholt. Doch die Realität sieht anders aus. Der durch und durch rassistische Wahlkampf ist ein Fingerzeig auf die Europawahl 2024.

Keine zwei Wochen hängen die Plakate zur Hessenwahl und man bekommt schon wieder Lust, alle abzureißen. Neben dem üblichen Unsinn wie “Autoverbote verbieten”, der sowohl von CDU als auch von AfD kommen könnte, gibt es auch die ein oder andere soziale Forderung. Kein Wunder, denn die sozialen Sorgen in der Bevölkerung wachsen. Während die Lebensmittelpreise konstant steigen, wird nun auch der Sprit wieder richtig teuer. Trotzdem werden im Wahlkampf soziale Themen nur zweitrangig behandelt, dennoch lohnt sich ein Blick darauf. “Nicht zu viel versprechen, aber alles halten”, so dreist redet CDU-Spitzenkandidat Boris Rhein am hessischen CDU-Parteitag im vergangenen Juni unsere Armut schön.

Die CDU lügt

Eine der wenigen sozialen Forderungen der CDU ist “Operation: Krankenhäuser erhalten”. Doch die Lüge könnte kaum dreister sein. Über 250 Krankenhäuser wurden bundesweit in ihrer Regierungszeit von 2005 bis 2021 geschlossen, das sind circa 10 Prozent. Auch die Betten wurden im selben Zeitraum von 523.800 auf 483.600 reduziert. Dass uns eine globale Pandemie verdeutlicht haben sollte, dass es mehr Investitionen im Gesundheitssektor geben muss, lässt sich anhand der Zahlen ganz und gar nicht ablesen. Auch in Hessen sitzt die CDU seit 1999 in der Landesregierung und hat munter bei diesem Abbau mitgemacht. Die sozialen Forderungen der CDU sind also bestenfalls scheinheilig, wenn nicht eine offene Lüge.

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Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

Die LINKE bleibt zahnlos

So verlogen die CDU auch sein mag, auf den Plakaten, die man aktuell in Kassel sieht, haben sie damit die linkeste Forderung für die Wahl am 8. Oktober. Bei der SPD und den Grünen sieht man nur Gesichter, Inhalte fehlen bisher gänzlich. Selbst die LINKE bleibt mit “Gute Gesundheit bis ins Dorf” bestenfalls oberflächlich und unkonkret. Auch die anderen Forderungen der Linkspartei sind bis auf die nach einer Millionärssteuer “gegen Armut” komplett abstrakt. Einen positiven Bezug auf die Streiks und Kämpfe sucht man vergeblich. Stattdessen gibt es eine verspielte Schrift, das hässliche Gelb wurde durch Cyan ersetzt und die Illustrationen können direkt aus einem Kinderbuch stammen. Ob sie mit ihrem zahnlosen Feel-Good-Wahlkampf über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, ist stark zu bezweifeln. Aktuell stehen sie bei 2 Prozent.

Rassismus prägt den Wahlkampf

Zwar besteht die aktuelle hessische Landesregierung bisher aus CDU und Grünen, aber der Generationenwechsel ist im vollen Gange. Der Merkel-Anhänger Volker Bouffier ist 2022 nach 10 Jahren als Ministerpräsident zurückgetreten, wohl auch wegen Differenzen zur Frage von Russland. Damit wird es auch Veränderungen bei den Christdemokraten geben, getrieben unter starkem Druck der AfD. Während die langjährige Regierungspartei CDU mit 25 Prozent führt, werden sie von der SPD und der AfD mit je 20 Prozent verfolgt. Die Grünen sind mit 16 Prozent nicht weit weg. Dabei versucht vor allem die AfD die CDU zu einer Koalition zu drängen. Während CDU-Vorsitzender Friedrich Merz sich offener gegenüber einer Koalition zeigte, will sich der aktuelle Ministerpräsident Boris Rhein nicht darauf einlassen.

Dies drückt sich auch im “Hauptthema” der hessischen Landtagswahl aus: Europa und wie rassistisch man das Abschieberegime am besten hochrüsten solle. Darin überbieten sich SPD, AfD und CDU immer wieder gegenseitig von rechts in einem engen Kopf an Kopf Rennen, während die LINKE übrigens kein Plakat und wenig Profil zu dem Thema hat. Jüngst machte die ehemalige SPD-Innenministerin Nancy Faeser, die jetzt SPD-Spitzenkandidatin in Hessen ist, damit auf sich aufmerksam, dass sie auch vollkommen unbeteiligte Familienmitglieder unter dem Vorwand von „Clankriminalität“ abschieben will. Dieser Begriff ist nicht klar definiert, was dazu führt, dass Migrant:innen schon bei minimalen Vergehen wie Verkehrsdelikten oder kleinen Mengen Cannabis in die „organisierte Clankriminalität“ eingeordnet werden können.

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Foto: Simon Zinnstein / Klasse Gegen Klasse

Dafür wird Faeser von der AfD von rechts kritisiert: Sie hätte diese Lawand-Order-Politik schließlich längst in ihrer Rolle als Innenministerin umsetzen können. Kein Wunder also, dass ihr Hauptslogan “Wir setzen Grenzen!” lautet. Auf der anderen Seite reicht AfD-Spitzenkandidat Robert Lambrou der CDU die Hand, indem er darauf verweist, dass die CDU mehr mit den Rechtspopulist:innen gemeinsam hätten als mit den Grünen. Für mögliche Koalitionsverhandlungen setzt er die CDU so mächtig unter Druck.

Next Stop: Europawahl

Der Wahlkampf in Hessen ist nicht nur durch und durch rassistisch, er ist auch hauptsächlich ein Vorgeplänkel für die Europawahl Mitte 2024. Gerade Forderungen, wie nach einer Volksabstimmung über einen sogenannten Dexit und für ein “Europa der Vaterländer” mit stärkeren Außengrenzen, bestimmen den Wahlkampf mehr als landesweite Themen. Das Drängen der AfD auf eine Koalition in Hessen ist – wenn es in ihrem Interesse läuft – auch ein Testlauf für die kommende Bundestagswahl. Dort könnten sie mit den Erfahrungen aus Hessen und möglicherweise auch anderen Landesregierungen die Möglichkeit einer schwarz-blau Koalition stärker einbringen. Auch durch diese Ausgangslage werden die sozialen Nöte der Bevölkerung von einer Welle an rassistischen Debatten verschüttet.

Die Arbeiter:innen und die Jugend haben die Macht, nicht nur eine Antwort auf die sozialen Nöte, sondern auch auf die rassistische Hetze zu bieten. Dafür darf sie sich aber nicht darauf beschränken, ihre Stimme an der Wahlurne abzugeben und dann wieder vier Jahre zu schweigen. Bei unserem Sommercamp wollen wir diskutieren, wie es hierzulande möglich ist, eine revolutionäre Kraft aufzubauen, die sich sowohl gegen die Rechte als auch gegen die Regierung stellt. Allen die sich dafür interessieren, laden wir herzlich ein:

​Sommercamp: Der Aufbau einer revolutionären Kraft in Deutschland ist möglich!

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