Abschiebungs- verschärfung: Wie Faeser Familienmitglieder abschieben will

14.08.2023, Lesezeit 9 Min.
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Foto: Nancy Faeser / Steffen Prößdorf (Wikipedia Commons)

Das Innenministerium plant, die Regeln für Abschiebungen zu verschärfen. Betroffene sollen länger in Gewahrsam genommen werden, die Privatsphäre von Geflüchteten soll nicht mehr privat bleiben.

Das Lieblingsthema von Nancy Faeser hat wieder einen besonderen Platz in ihrer Abschiebepolitik gefunden: „Arabische Großfamilien-Clans“. Hier hat sich die Bundesinnenministerin eine neue rassistische Praxis überlegt: Wenn wir (strafrechtlich für schuldig befundene) „Clanmitglieder“ abschieben, dann lasst uns gleich die Familien mitschicken – egal, ob diese selbst schuldig oder unschuldig sind. Einerseits wird hierbei ein neues Level der rassistischen, menschenfeindlichen Agenda der deutschen Migrationspolitik erreicht, nämlich auch im Falle von vollen Aufenthaltsrechten und strafrechtlicher Unschuld abgeschoben zu werden.

Andererseits ist der Begriff „Clankriminalität“ ein politisch motiviertes Label, das quasi willkürlich und ohne klare Kriterien auf Straftätige angewendet werden kann, insofern sie bestimmte oberflächliche und rassistische Merkmale erfüllen. Das bedeutet, dass also vor allem migrantische Männer schon bei minimalen Vergehen wie Verkehrsdelikten oder kleinen Mengen Cannabis in die „organisierte Clankriminalität“ eingeordnet werden können. Wenn es nach Faeser ginge, sollen „Clanmitglieder“ für Straftaten gleich mit der ganzen Familie abgeschoben werden können, also auch Frauen und Kindern. Dieses Vorgehen entspricht der „Sippenhaft“, ein Vorgehen, das seit der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland eigentlich abgeschafft und nicht mit dem Schuldprinzip des Strafrechts vereinbar ist.

Verlängerung von Abschiebehaft

Ausreisepflichtige, also Menschen, die abgeschoben werden sollen, können aktuell bis zu zehn Tagen in Gewahrsam gehalten werden – oder besser gesagt in Abschiebehaft festgehalten, um nicht dieselben verschönernden Worte wie die Bundesregierung zu benutzen. Dies soll sich mit einem neuen Gesetzesentwurf ändern, nämlich auf ganze 28 Tage, also fast einen vollen Monat. Gleichzeitig sollen nicht nur Gefängnisse zum Gewahrsam dienen, sondern künftig auch sogenannte „Transitbereiche“ an Flughäfen. Das geplante Abschiebezentrum am Berliner Flughafen ist solch ein Beispiel. Hier sollen bis zu 350 Menschen jährlich in Abschiebehaft gehalten werden. 155 Millionen Euro kostet der Bau, über das Dreifache springt für den Investor raus, der das Abschiebezentrum bauen soll. Ganz schön viel für ein Bundesland, das von „kein Geld für Schulen und soziale Einrichtungen“ spricht.

Doch noch mehr Haftdauer und noch mehr Haftanstalten sind natürlich nicht alles, was diese rassistische, menschenverachtende Gesetzesänderung mit sich bringt. Selbsterklärend geht mit diesen Verschärfungen auch eine erhöhte Polizeibefugnis einher. Die darf nämlich laut der Gesetzesänderung nun nicht mehr nur unangemeldet in Geflüchtetenunterkünfte und die Zimmer der Abschiebepflichtigen untersuchen. Nein, für unsere Bundesrepublik dürfen Geflüchtete nun auch keine Privatsphäre mehr haben. Denn die Polizei darf nun auch unangemeldet und komplett frei heraus auch in die Zimmer von nicht-betroffenen Geflüchteten in ihrer vollen Abschiebemontur einmarschieren – also auch bei Personen, die nichts mit einer Abschiebung zu tun haben, die unter Umständen bereits Aufenthaltsberechtigungen haben. Es kann gar nicht so viele Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Therapeut:innen geben, wie für diese unzähligen Traumafälle notwendig wären.

Diese Probleme gab es auch schon ohne die Gesetzesänderung. Das verdanken wir einem kapitalistischen Wirtschafts- und Klassensystem, das Profite vor Menschen stellt und mit Kürzungspolitik die gegebenen Zustände immer weiter verschlimmert.

Was zurzeit noch Abschiebungsgefährdete schützt, sind Klagen gegen Einreise- und Abschiebeverbote. Und auch diese sollen nicht mehr in der Art und Weise möglich sein, wie es aktuell der Fall ist. Dass Klagen alles andere als eine erfolgreiche Strategie gegen Abschiebungen sind, wissen viele Anwält:innen, Sozialarbeiter:innen, Streetworker:innen nur zu gut. Sie geben nur sehr wenigen Fällen einen minimalen Hoffnungsschimmer – doch auch der soll nun im Keim erstickt werden.

Weiterhin geht es um einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Ausländer- und Sozialbehörden. So soll über das Ausländerzentralregister künftig auch erfasst werden, ob Betroffene existenzsichernde Leistungen erhalten, welche Behörde für die Gewährung zuständig ist und über welchen Zeitraum die Leistungen erteilt werden. Dies soll angeblich zur Entlastung dienen, macht aber nur die versuchte Kontrolle über Geflüchtete und Migrant:innen deutlich. Bereits jetzt sind Menschen, die Sozialhilfe jeglicher Art beziehen, der angeblichen „Fortschrittskoalition“ ein Dorn im Auge. Über Porscheexzentriker und Armenhasser Lindner könnte man ein Buch schreiben mit all den Aussagen gegen Geringverdienende, Bürgergeld- und Sozialhilfeempfangende, die er seit seinem Amtsantritt von sich gegeben hat.

All das passiert im Licht der EU-Asylreform, die für diese Gesetzesänderungen einen internationalen Nährboden geschaffen hat. Natürlich soll das nicht heißen, die Asylgesetze der EU-Länder waren vorher „besser“. Doch die Abstimmung und Entscheidung über die krasse Verschärfung der EU-Asylreform stellt eine länderübergreifende Salonfähigkeit her, auf die sich striktere, menschenverachtendere Gesetze einfacher beschließen lassen, da das EU-Parlament diesen Gesetzen durch die Reform nun noch weniger im Weg steht.

Ob AfD, CDU, SPD oder Grüne – alle wollen abschieben

Dass weder unsere jetzige Bundesregierung, noch aktuell andere oppositionelle Parteien – erst recht nicht die neoliberalen und ultrarechten Parteien wie die AfD – das Leben der Migrant:innen verbessern werden, steht außer Frage. Gerade die AfD benutzt all diese menschenfeindlichen Ressentiments gegen Migrant:innen. In sozialen Fragen ist sie für eine komplette Abschottungspolitik gegen Asylsuchende und Migrant:innen, wie ihr Parteiprogramm zur Europawahl nochmal deutlich macht. Ein weiteres Beispiel ist die rassistische Schwimmbad-Debatte, bei der migrantische Jugendliche im Fokus der AfD, aber auch der CDU und der Ampelparteien stehen. Auch die Diskussion über die Aufrüstung der Polizei und schnellere Abschiebung von Migrant:innen bringen diese Parteien immer wieder auf.

Auch die Grünen mischen bei Abschiebungen mit – aber natürlich nur „mit Bauchschmerzen“. Die EU-Asylreform selbst wurde mit entscheidenden Rollen der Grünen-Parteiführung beschlossen, ebenso wie das Sondervermögen für das Militär (dessen Folgen weitere Geflüchtete sein werden). Habeck und Nouripour nehmen sich in diesen Fragen zwar zunehmend zurück, um die Bühne für Baerbock und Ricarda Lang freizumachen, die die Migrationsfragen innerhalb der Grünen anführen. Doch auch beide stellen sich klar hinter die Entscheidungen, die sowohl auf EU-Ebene, als auch innerhalb der Bundesrepublik beschlossen werden. Ricarda Lang fällt es auch relativ einfach, die rassistische Debatte um den Görlitzer Park im Live-TV nochmal anzufeuern und ihre „große Besorgnis“ kundzutun. Und wie viel Bauchschmerzen es wohl Aminata Touré, der Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein gekostet haben mag, als eine lesbische Tunesierin am 3. August 2023 nach einem Suizidversuch trotz der noch anhaltenden Behandlung direkt aus dem Krankenhaus heraus deportiert wurde? Nicht viel, wenn man sich ihr Statement dazu ansieht. Laut ihr seien „laufende medizinische Behandlungen oder der Aufenthalt in einer Klinik für sich genommen noch kein Grund, von einer Abschiebung abzusehen.“ Danke für nichts, liebe Grüne.

Doch was können wir tun gegen Abschiebungen?

Die Regierung fördert mit ihren restriktiven Gesetzen die Angst bei Migrant:innen und lässt sie im Glauben, dass sie sowieso nicht mitbestimmen können. Diese Angst und diesen trügerischen Glauben müssen wir ihnen nehmen, indem wir mit antirassistischen Forderungen in Streikbewegungen intervenieren und ihnen zeigen, dass ihre Stimmen nicht ungehört sind.

Bezüglich der Frage der Verbündeten gegen diese unmenschliche Politik, schiebt auch die Partei DIE LINKE ab, wo immer sie an Regierungen beteiligt ist. Sarah Wagenknecht fällt mit ihrer Anbiederung an den rechten Diskurs besonders auf. Der verbleibende Parteiflügel ist in Worten meist antirassistisch, aber in Taten Teil des Abschiebesystems. All das drückt nicht zuletzt eine Anpassung an den Rechtsruck der Regierung, die zusätzlich zur Verschärfung des Asylrechts auf EU-Ebene, 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und damit einhergehenden Sparmaßnahmen. Der in Umfragen erkennbare Aufstieg der AfD zur zweitstärksten politischen Kraft zeigt, dass mit einer solchen Politik letztlich nur den Rechten und faschistischen Kräften ein Nährboden geschaffen wurde.

Die einzigen wirklichen Veränderungen können wir nur als Arbeiter:innen, Student:innen und Revolutionär:innen in Zusammenarbeit mit Migrant:innen machen. Dafür ist es notwendig, für eine andere Gewerkschaftspolitik zu kämpfen. Denn auch wenn viele Migrant:innen an den letzten Tarifrunden zum Beispiel an den Krankenhäusern oder Kitas im Öffentlichen Dienst, der Metallbranche oder im Einzelhandel streikten, konnten sie darin keine eigenen Forderungen gegen die rassistische Politik der Ampel aufbringen. Forderungen, wie beispielsweise das Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden, die über 10 Millionen Menschen betreffen würden, könnten mittels Streiks nicht nur errungen werden, sondern würden auch die gewerkschaftlichen Reihen stärken.

Damit einhergehend ist auch zentral, dass wir ein Bleibe- und Arbeitsrecht sowie gleiche Rechte für alle Geflüchteten, Asylsuchenden und Migrant:innen einfordern. Während viele Geflüchtete nicht einmal arbeiten dürfen, obwohl sie wollen, werden gleichzeitig andere Migrant:innen in Zeit- und Leiharbeitsfirmen mit Mindestlohn und vertraglich unsicheren Arbeitsbedingungen ausgebeutet. Auch ausländische Arbeiter:innen in den Erntezeiten von beispielsweise Spargel sind miserabelsten Bedingungen ausgesetzt und haben nicht einmal eine Chance auf gewerkschaftliche Organisierung. Nicht zuletzt dient diese Spaltung, die von den Gewerkschaftsführungen beschämend geduldet wird, den Bossen, die sich die Hände reiben und die Löhne aller Arbeiter:innen runterdrücken.

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