Berlin: Sozialer Kahlschlag angekündigt, wir brauchen Streiks und Proteste!

29.06.2023, Lesezeit 8 Min.
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Bild: Maxi Schulz

Der Berliner Bezirk Neukölln kündigt drastische Kürzungen im sozialen Bereich an. Während die Polizei hochgerüstet wird, drohen vor allem armen Menschen und der Jugend eine weitere Verschlechterung ihrer Lebenssituation.

Das Leben in Neukölln ist ohnehin schon schwer, steigende Mieten, schlechte Arbeitsbedingungen, rassistischer Terror, eine überlastete soziale Infrastruktur und so weiter. Neukölln war seit jeher ein Arbeiter:innen Bezirk. Schon in der Weimarer Republik galt Neukölln als “rebellischer und roter” Bezirk. Bis heute behält Neukölln diesen Ruf, die Rede in den bürgerlichen Medien ist von “Elendsbezirk”, “Krimineller Hochburg” und “gescheiterter Integration”. Viele der Probleme, die die Neuköllner:innen haben, lassen sich innerhalb des Kapitalismus gar nicht lösen, das zeigt auch die Geschichte des über hundert Jahre alten Arbeiter:innen Bezirkes. Doch natürlich wäre es für Neukölln schon vorteilhaft, wenn bspw. Suchthilfestellen ausgebaut werden, es eine gut funktionierende Obdachlosenhilfe gibt, mehr Jugendeinrichtungen finanziert werden und so weiter. Doch der Senat und der Bezirk haben da ganz andere Pläne.

Wie der Tagesspiegel exklusiv berichtete, drohen dem Bezirk massive soziale Kürzungen. Unter Anderem ist geplant, die Tagesreinigung aller Schulen einzustellen, die Obdachlosenhilfe zu reduzieren, die Müllentsorgung in Parks zu halbieren und die Suchthilfe gänzlich einzustellen. Des Weiteren betrifft ein Großteil der geplanten Kürzungen insbesondere Kinder und Jugendliche. So sollen für die nächsten zwei Jahre alle Wasserspielplätze im Bezirk geschlossen werden, kaputte Spielgeräte nicht mehr repariert werden, drei Jugend -und Familieneinrichtungen geschlossen werden und Jugendreisen für bedürftige Kinder und Jugendliche nicht mehr finanziert werden. Besonders absurd ist der Plan, auch den traditionellen Rixdorfer Weihnachtsmarkt, bei dem insbesondere soziale und lokale Initiativen Stände haben, nicht mehr stattfinden zu lassen.

Wie bekannt wurde, sind die angekündigten Kürzungen ein Resultat aus dem Haushaltsplan des Finanzsenators Stefan Evers (CDU). Betroffen ist nicht nur Neukölln, sondern auch alle weiteren Bezirke. Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) ließ nun aber als Erster auch konkrete Kürzungspläne folgen. Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags von schwarz-rot hieß es noch: „Berlin werde zur Chancenmetropole Europas“, „ein Koalitionsvertrag für alle!“ und „miteinander statt gegeneinander“. Großspurig kündigte man an, “Berlin zu modernisieren”, “für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen” und vor allem “die Verwaltung zu stärken“. Selbst der DGB lobte den Koalitionsvertrag. Nun sollen etwa freie Stellen im Bezirksamt nicht mehr nachbesetzt werden, Anträge etwa für Elterngeld werden somit deutlich länger brauchen. Eine “starke Verwaltung” und “gute Arbeitsbedingungen” sehen anders aus.

Franziska Giffey (SPD), die selber aus Neukölln kommt und so gerne und oft betont, wie sehr sie die Probleme der Menschen kenne und wie sehr sie sich doch um die Belange der “einfachen Leute” kümmern würde, trägt in der Realität die Verantwortung für genau diese Politik. Franziska Giffey schert sich genau wie der Rest der Regierung kein bisschen um die Menschen in Neukölln. Das zeigt ihre anti-soziale Agenda, die wir in Zukunft noch härter zu spüren bekommen werden.

Als Grund für die Kürzungen wird genannt, dass der Senat für Finanzen wohl nur einen Kostenanstieg von 2 Prozent berechnet habe, durch die Inflation liegt der Anstieg aber bei 10 Prozent. In Wahrheit begann das Kaputtsparen der sozialen Infrastruktur der Stadt aber schon lange vor schwarz-rot. So hat rot-rot-grün bspw. 700 Millionen beim Schulbau gekürzt. Jugendeinrichtungen haben jetzt schon in einigen Bezirken Antragsverbote. Sie dürfen keine Gelder mehr beantragen bis zum Jahresende, was auch im letzten Jahr unter dem anderen Senat bereits der Fall war.

Die Kontinuität dieser Politik zeigt sich insbesondere bei der Bildung. So streiken die Berliner Lehrer:innen seit mehr als 1,5 Jahren für kleinere Klassen bzw. einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz; denn die Klassen sind viel zu groß und die Kolleg:innen leiden unter Burnouts und arbeiten an der Belastungsgrenze. Das kommt unter anderem daher, dass die Universitäten nicht genug Lehrer:innen ausbilden, aufgrund mangelnder Finanzierung durch den Senat. Der Streik der Lehrer:innen bekommt mit den angekündigten Kürzungen noch einmal eine noch zentralere Bedeutung. Es ist ein konkreter Kampf gegen die Kürzungspolitik, für Investitionen, damit Schüler:innen besser lernen und Lehrer:innen unter guten Bedingungen arbeiten können. Solche offensiven Kämpfe werden jetzt mehr denn je benötigt. Die Lehrer:innen gehen mit einem guten Beispiel voran, ihr Streik ist ein Leuchtturm im Meer der sozialen Angriffe der Regierungen.

Besonders hervorzuheben an den Plänen des Neuköllner Bezirks und des Senats ist auch die rassistische Komponente. Nachdem Jugendliche in Neukölln an Silvester randalierten, startete insbesondere die CDU eine rassistische Kampagne. Auf ihre Worte sollten auch Taten folgen. Anstatt etwa mehr Geld in Jugendeinrichtungen zu investieren, wird der Senat die Polizei ausbauen. Vielen Kindern und Jugendlichen wird jegliche soziale Teilhabe verwehrt, in einem Bezirk, in dem über 40 Prozent der Kinder in Armut leben. Parks sollen verdrecken, Klassenfahrten gestrichen werden, Jugendeinrichtungen sollen dicht machen usw. Insbesondere migrantische Jugendliche werden, wie es aussieht, wohl noch weiter ausgeschlossen. Anstatt irgendeine Hilfe zu erwarten, können sie künftig mit noch mehr Polizeigewalt und Kontrollen rechnen.

Während auf der einen Seite die Arbeiter:innen, Kinder und Jugendliche unter immer schlechteren Bedingungen leben sollen, geht es den Reichen prächtig. Weltweit stieg die Anzahl der Millionäre im vergangenen Jahr um 7 Prozent. Sie besitzen etwa die Hälfte des globalen Vermögens, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmachen. Auch die Anzahl der Milliardäre steigt seit den 90er Jahren trotz der Krisen kontinuierlich. In Deutschland ist die Anzahl der Milliardäre 2020 um 29 auf 136 gestiegen, ihre Vermögen sind um 100 Milliarden Euro gewachsen. Während die soziale Infrastruktur zusammenbricht, bereichern sich die Reichen an der Krise bzw. an unserer Arbeitskraft. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen! Das Kapital ist da, es ist nur die Frage, wer es besitzt und wofür es eingesetzt wird. Gegen diese Angriffe der Berliner Regierung müssen die Gewerkschaften und alle sozialen Organisationen mobilisieren. Insbesondere müssten die Gewerkschaften Streiks organisieren.

Viel zu lange wurde seitens der bürgerlichen Parteien propagiert, dass eine harte Law&Order Politik eine legitime Antwort auf die sozialen Krisen in den Kiezen ist, als könne man Drogenkonsum und Armut einfach durch einen rigiden Einsatz der Polizei beenden. Dies gilt besonders für Neukölln. Kaum ein Bezirk ist so gefangen zwischen dem Status eines migrantischen Arbeiter:innen Bezirks und dem nächsten großen Gentrifizierung-Projekt, dies zeigt sich auch an den Plänen für den Umbau von Karstadt am Hermannplatz. Diese Prozesse sind nicht unabhängig, sie deuten einerseits die Verdrängung der ansässigen, meist migrantischen Arbeiter:innen an. Andererseits zeigt sich eine erneute Öffnung von ehemals armen Bezirken fürs Kapital. Ein Faktor, der sich z.B. in den zuvor bereits erwähnten Mieten niederschlägt und die Bewohner:innen noch stärker aus dem Bezirk drängt, welche durch immer mehr reiche Anwohner:innen oder Bürogebäude ersetzt werden.

Berlin muss statt in die Polizei massiv in Bildung und in die Jugendarbeit investieren, auch die entschädigungslose Enteignung der Wohnungskonzerne, und ein kostenloser ÖPNV sind wichtige Forderungen! Doch eine bürgerliche Regierung, die immer den Kapitalinteressen folgt, kann gar nicht die Interessen der Menschen in den Vordergrund stellen. Deshalb löst auch nicht einfach eine andere Regierung, sondern nur ein anderes System die Probleme. Eine sozialistische Gesellschaft, in der nicht Wegner und Giffey, sondern die Arbeiter:innen, Jugendliche und Unterdrückte entscheiden und die Kontrolle über das Kapital und die Produktionsmittel haben und somit die Probleme lösen und nicht noch weiter verschlimmern.

Nächste Woche Mittwoch gibt es eine Kundgebung vor dem Rathaus Neukölln, um 17 Uhr.

Schickt uns Berichte, wie euch die Kürzungen in eurem Alltag betreffen würden!

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