Hat die Polizei Todesangst vor Laserpointern?

19.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Ein 27jähriger sitzt seit einer Woche in Untersuchungshaft in Hamburg. "Versuchter Mord" lautet der Vorwurf der Polizei. Der Greifswalder hatte während des G20-Gipfels mit einem Laser auf einen Polizeihubschrauber gezielt. Wie sich nun immer stärker herausstellt: Mit einem völlig harmlosen Laserpointer.

Laserangriffe auf Flugzeuge und Hubschrauber sind extrem gefährlich. Ein Laser mit einer Leistung von 500 oder 1.000 Milliwatt kann in einem Bruchteil einer Sekunde dauerhafte Schäden im menschlichen Auge verursachen, auch aus erheblicher Entfernung. Noch vom Boden aus können Pilot*innen geblendet werden.

Solche Laser sind in Deutschland verboten – können aber relativ leicht aus dem Ausland beschaffen werden. Doch wie bei jedem gefährlichen Gegenstand kommt es auf die Größe an. Ein 10-Kilo-Stein kann einen Menschen sofort töten. Wenn wir die Größe um das tausendfache verkleinern, also auf 10 Gramm, sinkt auch die Gefahr entsprechend.In Deutschland zugelassen sind Laser mit einer Leistung bis zu einem Milliwatt. Das ist laut der Zulassung „bei kurzzeitiger |Bestrahlungsdauer (bis 0,25 s) für das Auge ungefährlich.“ Legale Laserpointer sollte man auf keinen Fall aufs Auge richten – und trotzdem kann man ohne Sorgen die eigene Katze damit ärgern.

Nach den Protesten in Hamburg wurde berichtet, dass ein 27-jähriger Mann aus Greifswald einen Polizeihubschrauber mit einem Laser zum Absturz bringen wollte. Wegen des Verdachts des versuchten Mordes sitzt er seit einer Woche in Untersuchungshaft.Jede große Zeitung brachte diese Meldung über diesen Mordversuch. Jede*r Leser*in wird an eine gefährliche Waffe gedacht haben. Doch fast eine Woche später kam eine kleine „Ergänzung“, die nur ganz unten in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war:

Der Mann sitzt in U-Haft. Seine angebliche Tatwaffe indes war ein Disco-Laser, heißt es inzwischen im Landeskriminalamt, TÜV-geprüft für den Hausgebrauch und ungefährlich. In ein paar Tagen ist Haftprüfung.

Noch hat die Polizei nicht gesagt, welche Stärke der eingesetzte Laser hatte, obwohl die Zahl fast immer am Gehäuse dieser Apparate steht. Aber wir können davon ausgehen, dass sie längst detaillierte Infos veröffentlicht hätte, wenn es irgendwas zu berichten gäbe. Gut möglich, dass die Pilot*innen Angst bekamen, dass sie es mit einem gefährlichen Laser zu tun hätten. Aber eine Gefahr war es trotzdem nicht – zumindest nicht größer als eine Taschenlampe. Denn jede Lichtquelle kann einen Menschen kurz blenden. Hier ist eine Kerze genauso gefährlich wie ein Laserpointer.

Die Hamburger Morgenpost bringt das Tragische an dieser Geschichte. Der mutmaßliche Laserpointer-Bediener, Nico B., war kein Schwerverbrecher mit Mordlust. Den Laser strahlte er laut Vorwurf aus seinem eigenen Fenster in Altona und war entsprechend leicht zu finden. Die Zeitung zitiert seine Verlobte:

Annika S. (Name geändert): „Nico ist ein liebender Familienvater. Ihm war nicht bewusst, dass er jemandem schaden könnte.“ Die gemeinsame vierjährige Tochter hätte durch den Hubschrauber-Lärm Angst gehabt und nicht einschlafen können.

Nico B. war einer von Zehntausenden Hamburger*innen, die durch die polizeiliche Besatzung ihrer Stadt schikaniert wurden. Wie Anwohner*innen berichteten, haben diese Hubschrauber eine Woche lang unaufhörlich gerattert. Sie wurden auch eingesetzt, um Bewohner*innen des Protestcamps vom Schlafen abzuhalten.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Nico B.!

Die Schuld für die ganze Episode trägt eindeutig die Polizei und die Regierung, die unzählige Hamburger Kinder beängstigte, um den roten Teppich für die schlimmsten Verbrecher*innen der Welt auszurollen. Wenn der Vorwurf des Laserpointers stimmt, ist die Repression gegen Nico B. offensichtlich unangemessen. „Versuchter Mord“ ist absurd – vor allem wenn man bedenkt, dass Polizeikräfte in Hamburg aus nächster Nähe mit Laser-Zielhilfen auf Sanitäter*innen zielten!

Das ist nur eine weitere Lüge der Hamburger Polizei, um ihr antidemokratisches Vorgehen zu rechtfertigen. Sie hatten Sturmgewehre und Panzer – haben sie wirklich mehr Angst als kleine Katzen?

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