Hardliner Pistorius wird Verteidigungs­minister: Noch mehr Aufrüstung und Panzerlieferungen

17.01.2023, Lesezeit 4 Min.
1
Foto: knipsdesign / shutterstock.com

Nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht wird der bisherige niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (beide SPD) neuer Verteidigungsminister. Mit ihm stehen – ebenso wie mit der Debatte um Leopard-2-Panzerlieferungen und der Forderung nach weiteren 200 Milliarden Euro für die Bundeswehr – die Zeichen auf Eskalation.

In den letzten Tagen überschlugen sich die Nachrichten über die künftige militärische Rolle Deutschlands im Ukraine-Krieg. Erst entbrannte eine Debatte über die Genehmigung der Lieferung von schweren Leopard-2-Kampfpanzern in die Ukraine, nachdem die Bundesregierung erst Anfang des Jahres die Lieferung von Marder-Schützenpanzern angekündigt hatte. Dann sagte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD) der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), dass ihrer Meinung nach nicht nur 100 Milliarden, sondern 300 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr nötig seien. Angesichts des Baus neuer Munitionsfabriken durch den Rüstungskonzern Rheinmetall forderte Lambrecht zudem Abnahmegarantien für Rüstungsprodukte durch die Regierung. Auch die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern in die Ukraine unterstützte sie. Noch am selben Tag ging das Trommelrühren weiter: Der Welt am Sonntag sagte der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, dass rasch mehr Munition in die Ukraine geliefert werden und eine „Kriegswirtschaft“ in Europa aufgebaut werden müsse. So forderte er, „dass wir – in der Nato und europäisch koordiniert – die Initiative ergreifen und die europäischen Rüstungsfirmen auffordern, kriegsbedingt mehr Waffen und mehr Munition herzustellen“.

Am Montag dann der nächste Streich: Bundesverteidigungsministerin Lambrecht verkündete ihren Rücktritt. Sie begründete diesen schon seit einigen Tagen erwarteten Schritt mit „monatelange[r] mediale[r] Fokussierung auf [ihre] Person […] [welche] eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum [zulasse].“ Betrachtet man die Gesamtsituation, ist der Rücktritt jedoch Ausdruck einer anderen Entwicklung, nämlich den Überlegungen einer noch stärkeren Aufrüstung und Militarisierung Deutschlands. Lambrechts Rücktritt bedeutet freie Fahrt für noch offensivere Kriegstreiber:innen, noch mehr Waffenlieferungen, noch mehr Aufrüstung.

Am Dienstag wurde schließlich der bisherige niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) als neuer Verteidigungsminister im Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) angekündigt. Er soll am Donnerstag vereidigt werden. Er ist zwar in puncto Bundeswehr bisher kein Politiker „mit großem politischem Kampfgewicht“, wie es der ehemalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gegenüber gefordert hatte. Aber er ist innerhalb der SPD ein rechter Hardliner und hat bereits erste Ankündigungen zu seinen Vorstellungen gemacht: „Die Bundeswehr muss sich auf eine neue Situation einstellen, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden ist“, sagte Pistorius. „Ich will die Bundeswehr stark machen für die Zeit, die vor uns liegt“.

Aus seiner Zeit als Innenminister in Niedersachsen kann man sich ableiten, was das bedeutet: Er setze Abschiebeanordnungen gegen angebliche „islamistische Gefährder“ durch, auf der Grundlage eines Paragrafen, der zuvor in Deutschland noch nie angewandt worden war, und schuf damit Präzedenzfälle für eine Verschärfung des Abschieberechts. Er tritt für Vorratsdatenspeicherung und Klarnamenszwang im Internet und schärfere Überwachung ein. Er fordert stärkeren „Schutz von Vollstreckungsbeamten“, also Aufrüstung der Polizei und Verschärfung des Strafrechts. Ebenso positionierte er sich im Sinne eines Verbots von angeblich gewalttätigen antifaschistischen Organisationen.

Mit der Ernennung von Pistorius und der aktuellen Debatte um weitere Aufrüstung und Waffenlieferungen stehen die Zeichen auf eine weitere militärische Eskalation. Dagegen sagen wir: Kein Cent dem Militarismus! Der einzige Ausweg aus der kriegerischen Eskalation zwischen Russland und der NATO in der Ukraine und einem noch offensiveren Kriegseintritt der Bundeswehr ist die internationale Solidarität der Arbeiter:innen auf allen Seiten des Krieges: Die Gewerkschaften müssen allseitig zum Streik aufrufen, für das Ende des Kriegs und sämtlicher feindseligen Handlungen, wie Waffenlieferungen und Sanktionen. Für den Stopp jeglicher Kriegsproduktion und die Umwandlung der Rüstungsindustrie in zivile Projekte und das Nutzen der 100 Milliarden Euro für Krankenhäuser, Kitas und Jugendeinrichtungen, statt für Panzer und Raketenschirme.

Mehr zum Thema