Hafenblockade oder Hafenstreiks? Über autonomen Scheinradikalismus

09.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Am Freitag in aller Frühe hat "Ums Ganze..." im Rahmen der Anti-G20-Proteste den Hamburger Hafen blockiert. Die Arbeiter*innen blieben als politisches Subjekt außen vor. Deswegen war die Aktion alles andere als radikal. Eine Kritik und ein konkreter Vorschlag.

„Uns geht es nicht nur um das G20-Treffen, sondern auch darum, die Gesamtheit des kapitalistischen Systems zu thematisieren.“ So äußerte sich ein Sprecher des Bündnisses „Ums Ganze…“, das sich als kommunistisch versteht, zur Überlegung hinter ihrer Blockade am Freitag.

Der Ansatz ist schon richtig. Das Problem ist nicht nur die G20 – das Problem ist das kapitalistische System. Wir müssen nicht nur die Vertreter*innen der mächtigsten Staaten angreifen – wir müssen uns überlegen, wie wir die Produktionsmittel enteignen können.

Also ging „Ums Ganze…“ zum Hamburger Hafen. Jeden Tag laufen hier unvorstellbare Warenmengen durch. Um halb neun am Freitag konnten die Aktivist*innen einen wichtigen Knotenpunkt blockieren. An der Zufahrt zur Köhlbrandbrücke saßen Aktivist*innen. LKWs mit Containern stauten sich.

Die Aktion verlief ruhig. Der Hafenkonzern erklärte anschließend, es würde einige Tage dauern, um die Verzögerungen wieder aufzuholen. Eine gelungene Störaktion also! Bei der Pressekonferenz danach war der „Ums Ganze…“-Sprecher besonders stolz darauf, dass einige der blockierten LKW-Fahrer*innen freundlich zugewunken hätten.

In dieser einen Bemerkung zeigt sich der Unterschied zwischen der autonomen Politik von „Ums Ganze..:“ und einer wirklich kommunistischen Politik. Marx erklärte, dass die Befreiung der Arbeiter*innen nur das Werk der Arbeiter*innen sein kann. Deswegen setzen wir Kommunist*innen darauf, dass arbeitende Menschen sich organisieren und ihre traditionellen Kampfmittel einsetzen: Demonstrationen, Blockaden, Streiks, Aufstände. Das Ziel ist die Eroberung der politischen Macht, um die Produktionsmittel zu enteignen und den Weg zur klassenlosen Gesellschaft zu eröffnen.

Die Autonomen dagegen können sich nicht vorstellen, dass die Arbeiter*innenklasse in einem konservativen Land wie Deutschland – mit starker sozialpartnerschaftlicher Tradition und mächtigen reformistischen Bürokratien – jemals zu einem politischen Subjekt wird. Deswegen bleiben die Aktionen nur studentischen Aktivist*innen überlassen. Die Arbeiter*innen dürfen dann zuwinken – oder auch nicht.

Aber könnten denn Arbeiter*innen heutzutage einen Hafen lahmlegen? Ja. Am 3. November 2011 fand der Generalstreik in Oakland, Kalifornien, statt. Die Bewegung „Occupy Oakland“ hatte dazu aufgerufen – in Zusammenarbeit mit den Arbeiter*innen vom Hafen. So konnten sie den Warenverkehr für den ganzen Tag lahmlegen.

Die Hafenarbeiter*innen sind eben für radikale Aktionen zu haben. Sie streiken auch gegen Polizeigewalt und Rassismus. Denn politische Kräfte mit revolutionärem Selbstverständnis arbeiten seit Jahrzehnten unter den Beschäftigten des Oaklander Hafens. Oakland ist eben Geburtsstadt der Black Panthers und unzähliger radikaler Projekte, auch bis heute.

Auch im Spanischen Staat konnte im Juni ein koordinierter Streik der Entlader*innen aller 43 Häfen die Flexibilisierung des Sektors verhindern und damit nicht nur die Hafenbetreiber*innen, sondern auch die Regierung besiegen, die hinter der Liberalisierung stand.

Die Beschäftigten innerhalb eines Betriebs können ihn viel besser lahmlegen als irgendwelche Aktivist*innen von außen. Wie geht der berühmte Spruch? 200 Menschen können einen Zuggleis blockieren – aber dafür reicht auch ein*e Lokführer*in.

Deswegen unser Vorschlag an „Ums Ganze…“: Wenn ihr, so wie wir, die zentralen Drehscheiben des Kapitalismus angreifen wollt, dann müssen wir vor allem Arbeiter*innen organisieren. Wir müssen eine Partei aufbauen, die systematisch Lohnabhängige organisiert. Dann sind wir nicht darauf beschränkt, eine Zufahrt zu beschränken. Dann können wir ganze Betriebe lahmlegen. Und perspektivisch die ganze Wirtschaft kontrollieren.

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