Und der Riese erwacht?

24.11.2011, Lesezeit 5 Min.
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// Generalstreik in Oakland – Einheit zwischen Jugendlichen und ArbeiterInnen //

Occupy Oakland rief für den 3. November einen Generalstreik aus. Der Streikaufruf weckte das Interesse von HafenarbeiterInnen, Pflegekräften und LehrerInnen. Laut der bürgerlichen Presse legten trotz des Ausbleibens eines offiziellen Aufrufs seitens der Gewerkschaften 40 von 325 gewerkschaftlich organisierten HafenarbeiterInnen ihre Arbeit nieder. Knapp 300 LehrerInnen (15% aller Lehrkräfte) unterstützten den Kampf. Ebenso nahmen auch Hunderte von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes daran teil. Die Türen mehrerer Geschäfte blieben als Solidaritätsbeweis geschlossen und sogar ein Kino erklärte sich auf seiner Werbetafel mit dem Streik solidarisch. Oakland, der fünftgrößte Industriehafen der Vereinigten Staaten, konnte wegen des Streiks nicht arbeiten. Solidaritätsaktionen fanden in New York, Houston, Boston, Los Angeles und vielen anderen US-Städten statt. Arbeitslose Kriegsveteranen schlossen sich den Protesten ebenfalls an.

Die Tageszeitung El País berichtete, dass „unter den Anwesenden Eltern mit ihren Kindern, Erwerbslose, Vertreter der Studierenden (die viel Geld leihen müssen, um ihr Studium zu bezahlen, aber nur schwer einen Job finden, der es ihnen ermöglicht, ihre Schulden zu decken), Sympathisanten der Black Panthers (einer afro-amerikanischen Bewegung, die in Oakland gegründet wurde), Ärzte, die auf Plakaten eine Gesundheitsvorsorge für alle forderten und jungen Menschen mit den Masken der Cyber-AktivistInnen von Anonymous oder mit Unterstützungsstickern für Bradley Manning (den Soldaten, der gefangen gehalten wird, weil er geheime Dokumente an Wikileaks weitergegeben hatte) waren. Die BesetzerInnen […] bekommen kostenlose Verpflegung von Geschäften aus der Gegend.“ [1]

Der letzte Generalstreik Oaklands fand 1946 statt. Er war Teil der Streikwelle von 1945-1946, am Ende des zweiten Weltkriegs. Straßenbahn- und BusfahrerInnen weigerten sich, die Polizeispaliere zu durchqueren, die Lastwagen von StreikbrecherInnen entlang einer Streikpostenkette von 425 kämpfenden Angestellten (hauptsächlich Frauen) vor einem „Hastings and Kahn’s“-Kaufhaus im Zentrum von Oakland eskortieren sollten: So begann der Streik. Am darauffolgenden Tag marschierten die LastwagenfahrerInnen wütend in die Stadt und stellten sich vor dem Kaufhaus auf. Am 3. Dezember erklärten 142 Gewerkschaften der Alameda County AFL „Betriebsferien“ und etwa 100.000 ArbeiterInnen verließen ihre Arbeitsplätze. Ihr besonderer Verdienst bestand darin, über die traditionellen Gewerkschaftsgrenzen hinaus wahre Klassensolidarität demonstriert zu haben. 1947 erklärte ein Bundesgesetz Solidaritätsstreiks für andere ArbeiterInnen für illegal. [2]

Nach 65 Jahren griff die arbeitende Bevölkerung Oaklands den bedeutendsten Teil ihrer historischen Tradition wieder auf. Zusammengerufen von der Occupy-Oakland-Bewegung, nahmen ArbeiterInnen verschiedener Gewerkschaften den Streik als den ihrigen an; Auch wenn die Stadt nicht vollständig lahmgelegt war, wurden die Aktivitäten im Hafen für sechs Stunden unterbrochen. 10.000 Demonstrierende forderten die Belangung derjenigen, die für die Wirtschaftskrise verantwortlich sind, die auch die USA betrifft. Sie protestierten gegen Repression, ökonomische wie soziale Ungleichheiten in den USA und verlangten, dass die Reichen Steuern bezahlen sollten. Auf der Straße bestand Einheit zwischen ArbeiterInnen und Sektoren der US-amerikanischen unteren Mittelschichten, ImmigrantInnen und Afro-AmerikanerInnen. Auch wenn es kein stadtweiter, massenhafter Generalstreik war, bedeutet er doch einen Sprung in der radikalen Natur der Occupy Wall Street-Bewegung: Von Umzügen, Zeltplätzen und Demonstrationen entwickelte sie sich zum offenen Ausrufen eines Generalstreiks. Junge Menschen blockierten zusammen mit ArbeiterInnen den Hafen, um den Kapitalfluss zu stoppen. Für die Geschäftsläute belaufen sich die Verluste auf den zweistelligen Millionenbereich. Das zeigt die enorme Kraft der ArbeiterInnenklasse: die Zirkulation und Produktion von Gütern zu stoppen.

Der Streik vom 3. November wirft, trotz mancher Grenzen, ein Licht auf die Notwendigkeit der Einheit mit den ArbeiterInnen und greift den Generalstreik als Kampfmittel der ArbeiterInnenklasse wieder auf. Er offenbart die Stärke der ArbeiterInnen, Angriffe der KapitalistInnen abzuwehren, mit Blick auf die Krise. Denen, die den spontanen, horizontalen und nicht-klassenbezogenen Charakter der Bewegung der Empörten betonen, zeigt Oaklands Aktion eine neue Perspektive. Was als defensive Aktion gegen die Räumung von Occupy Oakland begann, stärkte die Bewegung durch die Einbindung von Sektoren der ArbeiterInnen. Ist das genug? Nein, aber es zeigt einen Fortschritt. Die ersten Schritte der Einheit zwischen Jugendlichen und ArbeiterInnen im Herz des Imperialismus nehmen mit neuer Energie Fahrt auf, um im antikapitalistischen Kampf vorwärts zu schreiten. Nur die Führung durch die ArbeiterInnenklasse kann den breiten Massen eine Alternative zum kapitalistischen Zusammenbruch bieten. Angesichts der Krise sowie der ersten Antworten der Avantgarde ist es notwendiger denn je, im Aufbau einer internationalen revolutionären Partei voranzuschreiten. Ein frischer Nordwind weht der Welt – der ArbeiterInnenklasse und der Avantgarde der Jugend – entgegen, der die Agenten des Kapitals in Griechenland, im Spanischen Staat, im Maghreb, in Chile und in Kolumbien konfrontiert.

Fußnoten

[1] Carmen Pérez Lanzac, “Thousands of indignant people block the US port of Oakland,” November 3, 2011.

[2] Aaron Brenner, Benjamin Day, Immanuel Ness, “1945-1946 Strike wave”, in The Encyclopedia of Strikes in American History.

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