Hände weg vom Hochschulgesetz: Politisch motivierte Exmatrikulation in Berlin stoppen!

26.02.2024, Lesezeit 4 Min.
Gastbeitrag

Politische Exmatrikulationen sind eine Gefahr für die akademische Freiheit und bieten ein Einfallstor für Diskiminierung von marginalisierten und/oder dissidenten Studierenden. Wir spiegeln die Petition der Students for Palestine FU und dem Palestine Committee FU.

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Foto: Klasse Gegen Klasse

Politische Exmatrikulationen sind eine Gefahr für die akademische Freiheit und bieten ein Einfallstor für Diskiminierung von marginalisierten und/oder dissidenten Studierenden. Deswegen fordern wir den Berliner Senat dazu auf, das Gesetzesvorhaben zu stoppen, mit dem Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahmen wieder ins Berliner Hochschulgesetz aufgenommen werden sollen. Wir spiegeln die Petition der Students for Palestine FU und dem Palestine Committee FU.

Am 13.02.2024 verkündete die Sprecherin des Berliner Senats Christine Richter, dass eine Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes mit dem Ziel, Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme wieder einzuführen, in Planung ist. Diese war erst 2021 durch die Rot-Rot-Grüne Landesregierung mit gutem Grund abgeschafft worden, denn eine dauerhafte Exmatrikulation schießt weit über das Bedürfnis hinaus, einen ordnungsgemäßen Universitätsbetrieb zu gewährleisten (was auf der Grundlage von § 16 S. 2 BerlHG beispielsweise durch Hausverbote geschehen kann). Vielmehr soll wohl schon die Drohung mit Exmatrikulationen von der Begehung unerwünschten Verhaltens abhalten – und bei Verstoß gegen dieses Gebot dann konsequent bestraft werden. Damit stellen Exmatrikulationen ein repressives Instrument dar, mit denen Studierende neben den ohnehin bestehenden Sanktionsmöglichkeiten des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts zusätzlich bestraft werden können. Ausgerechnet an Unis – Orten des freien Denkens – solche schwerwiegenden zusätzlichen Sanktionen einzuführen, ist selbstverständlich höchst problematisch – zumal dieses Damoklesschwert mit besonderer Schärfe über internationalen Studierenden schwebt, deren Visa von der Immatrikulation abhängig sind. Eine Konsequenz, die zwar im aktuellen politischen Klima nicht überrascht, allerdings wohl kaum dem Selbstbild der Berliner Universitäten entspricht, als Orte der Diversität ein grenzüberschreitendes Miteinander zu ermöglichen.

Die Exmatrikulation nur bei einer vorangegangenen strafrechtliche Verurteilung zuzulassen (wie etwa vor der Gesetzesänderung 2021), um damit an ein “rechtsstaatlich austariertes Verfahren an[zu]knüpf[en]1”, kann diese Bedenken nicht ausräumen. Denn selbst wenn die Exmatrikulation an eine vorangegangene Straftat anknüpfen würde, so entspricht es wohl kaum unserer Ausrichtung als Land, in dem das Recht auf Rehabilitation gewährleistet sein soll, straffällig gewordenen Studierenden den Zugang zu Bildung und zum Beruf zu nehmen bzw. erheblich zu erschweren.

Wenn an den Universitäten härter durchgegriffen werden kann als anderswo, dann ist das ein Angriff auf Andersdenkende und damit auf die akademische Freiheit. Und wenn an den Universitäten Maßnahmen zulässig sind, die internationale Studierende besonders treffen, ist das ein Angriff auf marginalisierte Gruppen und die Diversität der Einrichtungen.

Warum werden ausgerechnet Studierende zur Zielscheibe? Repressionen gegen studentischen Aktivismus sind nichts Neues. Mitglieder der Studierendenschaft mussten für Ihren Aktivismus und Ihre Meinungsäußerung immer wieder Aggressionen erfahren. Im Rahmen der Proteste in den 60er Jahren, aber auch schon im Dritten Reich, als Disziplinarverfahren und Exmatrikulationen (sog. “Relegationen”) zur Unterdrückung kommunistischer, sozialistischer, sozialdemokratischer und sonstiger missliebiger Gruppierungen genutzt wurden. Viele der kriminalisierten Positionen sind heute gesellschaftlicher Konsens – zumindestens aller, die an eine liberale und progressive Gesellschaft glauben. 

Bedenkt man die unrühmliche Geschichte von Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme als Werkzeug reaktionärer Kräfte gegen Andersdenkende, überrascht es wenig, dass die AfD dieses Instrumentarium wieder ausgegraben hat2, und nun insbesondere aus dem konservativen Lager auf eine Wiedereinführung gedrängt wird. Denn Exmatrikulationen haben nicht das Ziel, den Diskurs zu schützen, sondern Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Besonders besorgniserregend in Zeiten des Rechtsrucks, in Zeiten, in denen die Partei den Regierenden Bürgermeister stellt, deren Mitglieder bei einem Geheimtreffen Deportationspläne schmieden, in Zeiten, in denen kritischen Kulturschaffenden keine Räume zum Auftreten mehr gegeben werden – wovon weit überproportional jüdische Kulturschaffende betroffen sind.3

Deswegen sagen wir klar: 

Schützt die akademische Freiheit!
Nein zur Einschüchterung von Andersdenkenden an deutschen Unis.
Nein zu Maßnahmen, die marginalisierte Gruppen mit besonderer Schärfe treffen.
Nein zur Wiedereinführung von Exmatrikulationen als Ordnungsmaßnahme!

Die Petition könnt ihr hier unterzeichen.

Fußnoten

  1. 1. https://verfassungsblog.de/diskursraumschutz-durch-hochschulisches-ordnungsrecht/
  2. 2. https://taz.de/Pruegelattacke-auf-Studenten-in-Berlin/!5991377/
  3. 3. https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/feb/11/denouncing-critics-of-israel-as-un-jews-or-antisemites-is-a-perversion-of-history?CMP=Share_iOSApp_Other

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